Managerhaftung: Die D&O-Minenfelder Ansteckung im Büro, Cyber-Angriffe via Home offices und schlechte Geschäftszahlen – Gastbeitrag Stephan Geis von AGCS

Ein Minenfeld für Unternehmenslenker

In der Covid-19-Pandemie wird für Vorstände und Manager das Eis dünn. Zumal: Derzeit werden die D&O-Verträge der Unternehmen verlängert und neu verhandelt – doch oft wissen die dabei Versicherten nicht einmal, welche Ausschlüsse es gibt und welche hinzukommen. Wie groß die Gefahr von Klagen sind und wie sich Führungskräfte schützen können, weiß Stephan Geis, Leiter für Manager- und Vermögenschadenhaftpflicht beim Allianz Industrieversicherer AGCS in der Region Zentral- und Osteuropa.

   

Stephan Geis (Foto: Allianz/PR)

 

Die Pandemie hat einen Reset-Knopf gedrückt, der vieles auf null gestellt hat. Covid-19 hat das Kundenverhalten verändert, Lieferketten unterbrochen, Geschäftsaussichten ruiniert, Börsenkurse einbrechen lassen und Mitarbeiter von ihren traditionellen Büro-Arbeitsplätzen ins Home-Office befördert. Unternehmenslenker sind in diesem dynamischen Umfeld sowohl für die Sicherheit von Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Kunden verantwortlich, als auch für Resilienz der Geschäftsergebnisse und eine solide Performance auf den Kapitalmärkten. Ein Drahtseilakt, der nicht jedem Manager gelingen wird.

Denn eins ist klar: Das aktuelle Umfeld bietet leider geradezu ideale Bedingungen Vorstände und Aufsichtsräte in Haftung zu nehmen und Klagen anzustrengen – sei es für Nachlässigkeit beim Gesundheitsschutz, schlechte Geschäftsergebnisse, Marktwertverlust, Umsatzeinbrüche, Cybergefahren oder anderweitige Managementversäumnisse.

Managerhaftung für Gesundheitsschutz im Büro: wenn drei Mitarbeiter an einem sterben und gegen den CEO ein Strafbefehl ergeht

Wie dünn das Eis für Manager und Vorstände beim Thema Gesundheitsschutz ist, zeigt ein reales Beispiel aus den USA aus dem Jahr 2015: Die Mitarbeiter des US-Lebensmittelhersteller Blue Bell Creameries kehrten nach dem Ausbruch eines Listeriose-Virus in die Büros zurück, kurze Zeit später sind fünf Mitarbeiter und drei Geschäftspartner gestorben. Die Einrichtung wird geschlossen und es kommt zu einer Liquiditätskrise und Rechtsstreitigkeiten. Damals wurde der Vorwurf erhoben, dass die Manager und der Vorstand es versäumt hätten, ein adäquates Berichtssystem einzuführen, und dass es Probleme bei der Einhaltung der Lebensmittelsicherheit gab unter den Tisch gekehrt wurden. Blue Bell musste letztlich einer Geldstrafe von insgesamt 17.25 Millionen Dollar zahlen. Gegen den ehemaligen CEO wurde Strafbefehl erlassen.

Managerhaftung für Cyber-Attacken via Home offices

Und auch wenn man – umgekehrt – in der aktuellen Situation die Mitarbeiter bewusst im Home-Office arbeiten lässt, bringt dies ganz eigene Gefahren mit sich. Laut Studien haben Cyberangriffe Mitte März mit rund einer Million Attacken pro Tag ihren Höhepunkt erreicht. Vor allem Lösegeld-Angriffe, die über Beschäftigte im Home Office in Unternehmensnetzwerke eindringen, sind auf dem Vormarsch. Die Folgen sind teilweise sehr teure Datenpannen oder Lösegeldzahlungen. Daher ist es nicht auszuschließen, dass Manager und Vorstände künftig stärker für die Folgen von Cyberattacken oder Datenpannen in Haftung genommen werden könnten. Denn IT-Sicherheit liegt klar im Verantwortungsbereich eines Vorstands – und wer dies auf die leichte Schulter nimmt, geht ein beachtliches Risiko ein.

Managerhaftung für schlechte Geschäftsergebnisse – wenn der Insolvenzverwalter die Entscheider später haftbar machen will

Bleibt das Risiko von schlechten Geschäftsergebnissen bis hin zur Insolvenz– und das ist durchaus akut. In den vergangenen Jahren hat es in Deutschland hierzu zahlreiche D&O-Schadenfälle gegeben, die in Zeiten eines konjunkturellen Abschwungs noch zunehmen könnten. Gerade für kleinere und mittelgroße Unternehmen hat sich das Insolvenzrisiko – trotz des Schutzschirms bis Jahresende – enorm erhöht. Der Allianz Kreditversicherer Euler Hermes rechnet mit einer baldigen Pleite-Welle und prognostiziert, dass Großteil der Insolvenzen am Jahresende 2020 und im ersten Halbjahr 2021 zu erwarten sei – mit schlimmen Folgen für die Verantwortlichen. Denn Insolvenzverwalter versuchen schon aus eigenem Schutzinteresse, entstandene Verluste von den Geschäftsführern wieder hereinzuholen.

Was können Unternehmen und Führungskräfte tun, können um sich im Minenfeld vor Klagen zu schützen:

Erstens, sollten sich Vorstand und Aufsichtsrat mit den vielfältigen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf einzelne Aspekte eines Unternehmens zu eingehend befassen: Dazu gehört der Gesundheitsschutz von Mitarbeitern und Kunden ebenso wie die Abschätzung der Folgen auf Lieferketten, Vertriebskanäle und Schlüsselmärkte. Das Ausblenden, Bagatellisieren oder Ignorieren möglicher Geschäftsrisiken, noch dazu solcher, die mit einer roten Flagge gekennzeichnet sind, würde nur die eigene Exponierung erhöhen.

 

Zweitens gilt es sich selbst und die Stakeholder gewissenhaft und proaktiv darüber zu informieren, was die Covid-19-Krise für sie bedeutet. Es ist von entscheidender Bedeutung, die getätigten Maßnahmen akribisch zu dokumentieren. Wenn es eine Sammelklage gibt, müssen Organe durch Beweise belegen, dass sie ihre Aufsichtspflichten nicht ignoriert und alles in ihrer Macht Stehende getan haben, um die Risiken bestmöglich einzuschätzen und fundierte Geschäftsentscheidungen zu treffen.

Wer – drittens – übertrieben positive Aussagen über die eigene Geschäftstätigkeit macht, kann ganz schnell in Probleme geraten. Stattdessen ist Vorsicht bei Prognosen das Gebot der Stunde: Ein gutes Beispiel wie’s gehen kann, hat Moderna-Vorstand Juan Andres vor kurzem gegeben, als er – angesprochen auf seinen Covid-19-Impfstoff und die Geschäftschancen – geradezu übertrieben vorsichtig reagierte: Gerade als eher kleines Unternehmen sei es wichtig, keine falschen Versprechungen zu machen, sondern eher konservativ zu planen. Es gebe ja viele Faktoren, sagte er dem „Spiegel“: „Die Rohmaterialien müssen ausreichend vorhanden sein, die Produktion muss einen Rhythmus finden. Im Laufe der Monate werden wir sicher genauere Prognosen abgeben.“

Mein Resümee: Was die Auswirkungen und die Zukunft der Pandemie betrifft, so wird nur ein vorsichtiges und detailliertes Vorgehen sowohl von Vorständen und Aufsichtsräten als auch von Versicherern eine sichere Passage durch die stürmische See gewährleisten. Noch hält sich die Zahl der D&O-Schadenfälle, die auf die Coronavirus-Krise zurückzuführen sind, in Grenzen. Die Insolvenzwelle steht erst noch bevor und Klagen werden zeitverzögert geltend gemacht. Eins ist schon jetzt klar: Wer annimmt, dass wir das Schlimmste der Krise bereits gesehen haben, der hat schon verloren.

 

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