Zehn Jahre Working Mom – Eine persönliche Bilanz von Managerin Franziska von Lewinski, Vorständin bei fischerAppelt

Franziska von Lewinski (Foto: Privat)
„Mami, Mami, mein Teddy ist weg!”, schreit meine kleine Tochter und rennt stürmisch auf mich zu als ich gerade zur Haustür reinkomme. Ein anstrengender Arbeitstag mit verschiedenen Kundentermine und einem kniffligen Personalgespräch liegt hinter mir. Zuhause dann durchatmen? Denkste! Sofort geht es weiter, auf die Suche nach eben jenem Teddy. Glücklicherweise finden wir ihn schnell. Sonst wäre es ganz besonders heikel geworden.
Manche würden nun stöhnen und sich fragen, wann man denn endlich seine Ruhe haben kann? Ich stelle mir diese Frage ehrlich gesagt nicht, oder zumindest selten. Für mich ist es das größte Glück der Welt, gleichzeitig Mutter und Vorständin zu sein. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich Familie und Beruf unter einen Hut bekomme. So kann ich tagtäglich das tun, was ich liebe: Mich neuen beruflichen Herausforderungen stellen, komplexe Probleme lösen, mit interessanten Persönlichkeiten zusammenarbeiten und mich zugleich um meine beiden Töchter kümmern und Zeit mit der Familie verbringen.

(Foto: Privat)
Zehn Jahre ist es nun her, dass ich Mutter geworden bin. Mit Ausnahme von zwei Mal je drei Monate Mutterschutz war ich durchgehend “Working Mom”. Klar, zieht man an so einem Jubiläum persönliche Bilanz: War es die richtige Entscheidung? Was hätte ich anders machen sollen? Wie will ich weitermachen? Wie war das für alle Beteiligten, also für meine Familie, meine Kinder, meinen Mann, für meine Mitarbeiter, für mich persönlich? Habe ich etwas verpasst? Ich kann nur sagen, dass ich es wieder genauso machen würde. Ich bin sehr dankbar für diese zehn Jahre. Mit allen tollen und auch anstrengenden Momenten. Mit allen Phasen von Zweifeln und Phasen voll positiver Energie.
Nur: Was hat sich in dieser Zeit getan? In den Unternehmen? In unserer Gesellschaft? Leider kann ich unter dieser Frage kein durchweg positives Fazit ziehen. Ich habe das Gefühl, dass wir immer noch nicht da sind, wo wir sein könnten, wo wir sein sollten. Insbesondere die Digitalisierung bietet uns so viele neue Möglichkeiten, Familie und Beruf vereinen zu können. Modelle wie Home Office und digitale Tools machen es erst richtig möglich. Aber das allein hilft nicht, wenn wir unser Denken und unsere Haltung nicht verändern. Dann bleibt “New Work” nur eine nette Worthülse und wir kommen nicht weiter.
Besonders in den Anfangsjahren konnte ich mir den ein oder anderen dummen Spruch anhören: „Karriere als Mutter? Wie kann ich das bloß meinen Kindern antun! Was sagt denn dein Mann dazu?“ Noch immer werden Frauen bewertet, kritisiert und in Schubladen eingeordnet. Bezeichnungen wie Rabenmutter bis Cappucino-Mum sind typisch deutsch. Die Skandinavier sind uns hier um Längen voraus. Im Norden wird ganz anders gedacht und die Struktur des Arbeitsalltags verändert. Wir brauchen in Deutschland mehr Offenheit, Akzeptanz und Unterstützung. Übrigens auch für die Väter, die sich dazu entscheiden, zu Hause zu bleiben. Erst dann wird es zur Normalität und jede Familie kann ihren eigenen Weg gehen – und das betrifft auch Regenbogenfamilien oder Patchwork-Modelle.

(Foto: Privat)
Was fehlt, ist die gesellschaftliche Akzeptanz
Natürlich ist nicht alles schlecht. Bei der Kinderbetreuung hat sich vieles getan, zumindest hier in Hamburg. Auch in den Unternehmen tut sich etwas. Sie richten Kitas ein, bieten Job-Sharing-Modelle an und Teilzeit gibt es in Führungspositionen. Es wird auch langsam normal, dass Väter in Elternzeit gehen. Doch die größte Hürde bleibt: Die gesellschaftliche Akzeptanz.
Die Schwangerschaften mit meinen beiden Töchtern fielen zufällig auf berufliche Wendepunkte in meinem Leben. Am Tag der Geburt meiner ersten Tochter wurde bekannt, dass ich zum CEO bei der Digitalagentur Interone befördert werde. Ein verrücktes Gefühl für mich. Beim zweiten Mal war die Lage noch verzwickter. Nach insgesamt 13 Jahren bei Interone wechselte ich schwanger zu fischerAppelt in den Vorstand. Damals habe ich mich wegen meiner Umstände selbst sehr unter Druck gesetzt und das obwohl ich von Anfang an mit offenen Karten gespielt hatte.

(Foto:Privat)
Die Kindermädchen GbR
In meiner Zeit als Working Mom gab es für mich mich immer wieder organisatorische Herausforderungen. Da mein Mann ebenfalls berufstätig war, suchten wir nach einem passenden Modell, doch keins sagte uns so richtig zu. Also bauten wir unser eigenes – und das kann auch für andere sinnvoll sein: Mit zwei anderen Familien organisierten wir gemeinsam ein Kindermädchen, bei dem unsere Kinder sehr glücklich waren. Zur rechtlichen Absicherung gründeten wir sogar eine GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) und bildeten eine eigene kleine Krabbelgruppe mit drei Kindern. Das war ein prima Modell bis die Kinder mit drei Jahren in den Kindergarten kamen.
Der familiäre Rückhalt war mir enorm wichtig. Es war von Anfang an für mich und meinen Mann klar, dass ich direkt wieder voll arbeite. Da gab es keine Diskussion. Ich habe natürlich viel mit ihm darüber gesprochen und schlussendlich haben wir gemeinsam eine Entscheidung getroffen. Ohne ihn hätte das alles nicht funktioniert. Daher möchte ich an dieser Stelle unbedingt einen großen Dank an meinen Mann aussprechen. Unser Familien- und Arbeitsleben besteht aus Teamarbeit und ich glaube, meinem Mann ist gar nicht klar, wie modern er eigentlich ist. 😉
Mein Resümee ist, dass es unglaublich bereichernd sein kann für die Kinder, die Eltern und auch das Paar, Job und Familie unter einen Hut zu bringen. Wenn man es wirklich möchte und offen für neue Modelle ist, kann man seinen eigenen Weg gehen. Dazu möchte ich alle ermutigen und wünsche mir, dass spätestens unsere Töchter sich nicht mehr rechtfertigen müssen, beides zu wollen.
Lasst uns in 2020 zusammen daran arbeiten, dass die Dinge zusammen gehen und es nicht mehr „entweder oder“, sondern „und“ heißt. Job und Familie. Karriere und Kinder. Frauen und Männer. Väter und Mütter. Wir bekommen es nur zusammen hin. Ich freue mich darauf!

(Foto: Privat)

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Transkription: Interview mit Franziska von Lewinski