Management-Klassiker für Eilige (3) – Die Top-Ten der Managementliteratur auf den Punkt gebracht: Peter Senge „Die fünfte Disziplin“

Serie: Die Top-Ten der Modernen Klassiker der Management-Literatur als Zusammenfassung in zehn Minuten von getAbstract, einem Online-Anbieter von komprimiertem Wissen. Hier kommt Folge 3:

Peter Senge: „Die fünfte Disziplin“ – Abstract

 

 

Peter Senge „Die fünfte Disziplin“: Schäffer Pöschel Verlag, 39,95 Euro

Rezension

Der Amerikaner Peter Senge gilt als einer der einflussreichsten Management-Vordenker, er ist Experte für das Thema Lernende Organisation. Er ist Professor in Cambridge am Massachusetts Institute of Technology.

 

Angesichts der Globalisierung der Märkte, der zunehmenden Spezialisierung und Komplexität aller Strukturen der Wirtschaftswelt, der steigenden Innovationsgeschwindigkeit und des Strukturwandels der Arbeit greifen viele der traditionellen wirtschaftswissenschaftlichen Analyse- und Gestaltungsmittel zu kurz. Die Nachfrage nach neuen Konzepten, insbesondere zur Organisations- und Managementlehre, hat eine ganze Reihe von Ansätzen hervorgebracht. Einer der prominentesten ist Peter M. Senges 1990 in den USA veröffentlichtes und inzwischen in 26 Sprachen übersetztes Buch über die „Lernende Organisation“.

Dass Senge einen theoretischen Ansatz entwickelt, vergisst man leicht über den illustrativen Beispielen und dem lebendigen, anschaulichen Stil, der das Buch zu einem Lesevergnügen macht – aber Vorsicht! Ganz einfach erschließen sich Senges Ideen nicht, etwas Mitdenken ist zwingend nötig. Man sollte im Auge behalten, dass Senges Gestaltungsempfehlungen, die so genannten Disziplinen, den Status von leitenden Ideen haben; sie sind keineswegs als eine Art „Einmaleins“, als Handbuch zu verstehen, das dem Manager zeigen könnte, wie sein Unternehmen schneller lernt als die Konkurrenz. getAbstract empfiehlt diesen modernen Klassiker allen Führungskräften im Management und in der Organisationsentwicklung sowie allen, die sich für die wirtschaftswissenschaftliche Grundlagendiskussion interessieren.

Nach der Lektüre dieser Zusammenfassung kennen Sie:
• den Klassiker von Peter M. Senge zum Thema Lernende Organisation

 

Take-aways

• Die überlieferten Begriffe der Arbeit und des Lernens haben die Industriegesellschaft in eine Sackgasse manövriert.

• Gefordert ist eine grundlegende Neuorientierung hin zu einem ganzheitlichen Welt- und Selbstverständnis.

• Die Rede von der Lernenden Organisation meint ein solches Ideal zugleich der Lebensführung und der Orientierung in der Welt.

• Das systemische Denken ist die Grundlage der Lernenden Organisation.

• Es orientiert sich an Wechselbeziehungen und fasst Einzelelemente relational, das heißt, es setzt sie stets in Beziehung zu allen anderen Elementen des Systems.

• Das systemische Denken wird als fünfte Disziplin bezeichnet, weil es vier andere Kernfunktionen voraussetzt.

• Die Bezeichnung „Disziplin“ soll herausstellen, dass es sich bei diesen fünf Haltungen oder Fähigkeiten um praktische Vermögen, um etwas Einzuübendes handelt.

• Noch gibt es kein reales Beispiel einer Lernenden Organisation, allererst Realisierungen bestimmter Züge.

• Die Orientierung an Ursache-Wirkungs-Ketten und die Konzentration auf unverbundene Einzelelemente greift gegenüber der Komplexität unserer Welt zu kurz.

• Der herkömmliche instrumentelle Begriff des Lernens und auch der Arbeit widerspricht dem höheren Bedürfnis des Menschen nach Arbeit und Lernen als Selbstzweck.

 

Zusammenfassung

Wir erzeugen unsere Wirklichkeit selbst … und können sie deshalb verändern
Die tradierten Begriffe der Arbeit und des Lernens haben die Industriegesellschaft in eine Sackgasse manövriert. Gefordert ist eine neue Sicht der Dinge, ein Umdenken, eine Hinwendung zur Ganzheits-Anschauung, eine grundlegende Wandlung unseres begreifenden und herstellenden Umgangs mit der Welt.
Die meisten Menschen fühlen sich bei ihrer Arbeit nur für jeweils „ihren Teil“ zuständig. Außerdem neigen sie dazu, bei Misserfolgen die Konsequenzen ihrer Handlungen auf äußere Ursachen abzuwälzen. Und sie meinen, ihren Einflussbereich aktiv kontrollieren zu müssen. Vor allem aber sind sie der Möglichkeit beraubt, aus direkten Erfahrungen zu lernen, denn die Folgen ihres Handelns liegen jenseits ihres räumlichen und zeitlichen Wahrnehmungshorizontes.


Dieses auf Einzelheiten fixierte, kontrollorientierte, lineare Denken, das scharf zwischen sich und der Umwelt unterscheidet, bringt eine starre und unfruchtbare Wirklichkeit hervor, die gegen größere Zusammenhänge isoliert ist.

Zwar gibt es immer wieder Bestrebungen, die Probleme und Einschränkungen dieser Wirklichkeit, dieses Systems, zu bekämpfen, es handelt sich dabei jedoch um nur vordergründige, scheinbare Effekte, die nichts an den grundlegenden Strukturen verändern.

Managementteams zum Beispiel, die die komplexen, funktionsübergreifenden Schwierigkeiten meistern sollen, die heute den meisten Unternehmen und Organisationen zu schaffen machen, verbringen – zynisch formuliert – die Hälfte ihrer Zeit mit Profilierungskämpfen und die andere Hälfte damit, alle individuellen Unterschiede einzuebnen, um Einheit zu demonstrieren.

Es gibt kein richtiges System im falschen, das heißt, nur die Veränderung des ganzen Systems, nur veränderte systemische Strukturen machen neue Verhaltensmuster möglich.

Wie aber erkennt man, welche Systemstrukturen unserem Verhalten zugrunde liegen bzw. welche Systemstrukturen es sind, die wir über die eingewöhnten Formen unseres Denkens und Handelns stabilisieren? Ein wichtiges Analyseinstrument in diesem Zusammenhang sind die so genannten Mikrowelten, Simulationen realer Unternehmen oder typischer Unternehmensfelder wie zum Beispiel eines Produktions-/Verteilungssystems.

Sie erlauben es, die Auswirkungen einzelner Entscheidungen auf Systemprozesse durchzuspielen, die entscheidungsrelevanten Denk- und Verhaltensmuster aufzudecken und schließlich einzusehen, dass ein ereignisorientiertes, lineares Denken komplexen Situationen und Systemen nicht gewachsen ist. In diesem Sinne dienen die Mikrowelten zugleich der Einübung ins systemische Denken, in ein Denken, das Wechselbeziehungen zwischen den Systemgrößen wahrnimmt und sein Augenmerk auf Veränderungsprozesse richtet, statt statische Zustände aneinanderzureihen.

 

Das systemische Denken als Eckpfeiler der Lernenden Organisation

Die traditionelle Form der Rationalität orientiert sich an linearen Ursache-Wirkungs-Ketten, erfasst Einzelelemente absolut, das heißt als voneinander unabhängige Gegebenheiten. Sie unterscheidet auch scharf zwischen sich selbst und der Welt, die es begreifend und handelnd zu beherrschen gilt.

Das systemische Denken orientiert sich an Wechselbeziehungen. Es erfasst Einzelelemente relational, das heißt, die Bedeutung oder der Wert des Einzelelementes hängt von der Beziehung zu allen anderen Elementen ab. Das systemische Denken hebt tendenziell den Unterschied zwischen sich selbst und der Welt auf.

Den hochkomplexen und dynamischen Systemen, die unsere moderne Welt bestimmen, sind lineare Lösungen nicht angemessen und auf Dauer auch nicht zuträglich. Zahlreiche Beispiele bietet die Entwicklungshilfe. Man denke etwa an kostenlose Lebensmittellieferungen, die in Dürregebieten der Dritten Welt zu einem Verschwinden der einheimischen Landwirtschaft führen.

Die fortgesetzten Warnungen vor jenen Problemverschiebungen, die für die linearen Lösungen typisch sind, haben der systemischen Sichtweise inzwischen die Kennzeichnung „neue pessimistische Wissenschaft“ eingebracht. Dieser „Pessimismus“ ist aber gewissermaßen nur die halbe Wahrheit. Es ist nämlich gerade das Systemdenken, das zeigt, wie kleine gezielte Aktionen an den richtigen Stellen nachhaltige Verbesserungen bewirken können. Die Veränderung von Kontexten und ganzen Prozessmustern, die oftmals notwendig ist, wenn nicht nur an den Symptomen herumkuriert werden soll, funktioniert überhaupt nur über dieses Prinzip des Hebels, oder anders gesagt, über das Prinzip von der Sparsamkeit der Mittel.

Nach dem herkömmlichen Rationalitätsverständnis sind das Erkennen und das Lernen lediglich Instrumente, Mittel zu dem Zweck, die Welt besser zu beherrschen. Dieser instrumentellen Funktion entsprechend entbehren sie der Kreativität und Individualität, sind vielmehr für jeden nach einem bestimmten Schema nachvollziehbar. Von der systemischen Warte aus gesehen, stellen das Erkennen und das Lernen hingegen einen Selbstzweck dar. In dem Maße, wie sie der Erforschung und dem Verstehen der Welt dienen, dienen sie auch der Selbstvervollkommnung des Erkennenden und des Lernenden. Die Rede von der Lernenden Organisation meint also ein Ideal praktischer, das heißt handlungsleitender Orientierung.

Das systemische Denken ist die Grundlage dieser Orientierung. Es wird als fünfte Disziplin bezeichnet, weil es vier andere Kerndisziplinen voraussetzt, die ihre Wirksamkeit aber wiederum nur in einer systemischen Perspektive entfalten. Der Ausdruck „Disziplinen“ für die fünf Bestimmungsstücke einer ganzheitlichen Sicht der Welt soll daran erinnern, dass es sich um praktische, einzuübende Haltungen und Fähigkeiten handelt.

 

Die vier Kerndisziplinen

Was das ganzheitliche, kreative Welt- und Selbstverständnis vom herkömmlichen rationalen Weltbild unterscheidet bzw. die Lernende Organisation von der autoritativen, kontrollierenden Organisation, sind vier Merkmale oder Funktionen:

1. Personal Mastery: Das ist die Fähigkeit, sein eigenes Potenzial bestmöglich zu entwickeln. Ein fortwährendes Korrigieren und Orientieren der anvisierten Ziele an der Realität verhindert ein Steckenbleiben durch Überforderung ebenso wie eine Selbstbeschränkung durch Unterforderung, durch zu niedrig gesetzte Ziele.

2. Mentale Modelle: Sie sind (oft unbewusste) Grundannahmen, die unsere Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster beeinflussen. Es gilt, die Grundannahmen, diese Vor-Urteile, offen zu legen und zu überprüfen, ob sie unseren übergeordneten Zielen förderlich oder hinderlich sind.

3. Gemeinsame Visionen: Nichts bringt einen besser voran als eine tief empfundene Vision und nichts fördert echtes Engagement und wirkliche Mitarbeit so sehr wie eine Vision, die alle Mitglieder einer Organisation teilen. Derlei Vorstellungen gemeinsamer Ziele, Werte oder Botschaften lassen sich nicht von oben verordnen. Allenfalls kann man ihnen den Boden bereiten durch Förderung einer lebendigen Gesprächskultur, denn sie entstehen durch die Interaktionen der Visionen, die die Einzelnen vom großen Ganzen haben.

4. Team-Lernen: Die Möglichkeit, dass Teams lernen, ist die Nagelprobe für die Lernende Organisation. Das Team-Lernen ist etwas grundsätzlich anderes als die Summe der Lernleistungen der einzelnen Mitglieder. Nur wenn es gelingt, eine herrschaftsfreie Atmosphäre zu schaffen, in der alle Beteiligten bereit sind, ihre Voraussetzungen und ihre Standpunkte auch einmal in Frage zu stellen, und alle Beteiligten offen sind für unerwartete, zu allen bisherigen Annahmen querliegende Vorstellungen, kann Team-Lernen glücken. Wenn es aber gelingt, dann ist ein Mikrokosmos für das Lernen in der ganzen Organisation geschaffen worden.

 

Prototypen Lernender Organisationen

Es gibt noch kein gelungenes Beispiel der Verwirklichung jenes Ideals der Lernenden Organisation. Aber was es gibt, sind mehr als bloße Gestaltungsempfehlungen. In der Sprache der technischen Entwicklungen gesprochen, befinden wir uns in Sachen der Lernenden Organisation im Stadium des Prototyps. Prototypen zeigen, welche Teile funktionieren und was abgeändert werden muss.

 

Als eine Art Tauglichkeitstest, als Bewährungsprobe für das Modell der Lernenden Organisation sind vor allem folgende Fragen anzusehen:

• Wie überwindet man die internen Machtstrukturen, die traditionelle Unternehmen beherrschen? Der Königsweg ist Offenheit. Die gemeinsame Vision eines Unternehmens, das sich unbedingt der Wahrheit verpflichtet fühlt, gibt dem Streben nach Offenheit großen Auftrieb. Eine Kommunikationskultur, die Offenheit nicht nur in dem Sinne fördert, dass jeder seine Meinung äußern kann, sondern die auch dazu anhält, seine Meinung in Frage zu stellen, tut ein Übriges.

• Wie kann eine Organisation die Verantwortung verteilen, ohne die Kontrolle zu verlieren? Zur Bewältigung dieses Problemfeldes ist es wichtig, sich von der Vorstellung zu lösen, dass Kontrolle in der Überwachung durch eine zentrale Instanz besteht. Tatsächlich verfügen alle gesunden Organismen über Kontroll- und Steuerungsprozesse, die sich durch die Fähigkeit auszeichnen, das interne Gleichgewicht zu wahren. In diesem Sinne ist eine Förderung der Disziplinen des Team-Lernens und der Personal Mastery die beste Gewährleistung einer „Kontrolle ohne zu kontrollieren“.

• Wie kann die Kluft zwischen Arbeit und Privatleben aufgehoben werden? Die Idee der Lernenden Organisation setzt zwingend voraus, dass es eine Verbindung zwischen der Arbeitswelt eines Menschen und allen anderen Bereichen gibt, denn sie meint den ganzen Menschen. Die Disziplin der Personal Mastery etwa ist nicht aufspaltbar in einen beruflichen und einen privaten Geltungsbereich. Nicht von ungefähr sind die Konflikte zwischen Arbeit und Familienleben eine der Hauptursachen für die eingeschränkte Effektivität und Lernfähigkeit in traditionellen Unternehmen. Statt sich Programme für die Führungsförderung auszudenken, wäre es sinnvoller, die gegebene Familienstruktur zu nutzen, den Leuten zu zeigen, wie sie erfolgreiche Eltern – und damit auch erfolgreiche Führungspersönlichkeiten werden.

• Wie können wir aus Erfahrung lernen, wenn wir nicht direkt erfahren, wie sich unsere Entscheidungen auswirken? Dass uns in einem komplexen System die unmittelbaren Wirkungen unserer Entscheidungen entzogen sind, weil sie räumlich und zeitlich weit von uns entfernt sind, ist eine Tatsache. Abhilfe können hier die Mikrowelten schaffen, die Zeit und Raum gewissermaßen „verdichten“ und Mitarbeitern die Möglichkeit geben, die Folgen ihrer Entscheidungen durchzuspielen.

 

Schlüsselzitate:

„Wir neigen dazu, äußere Umstände für unsere Probleme verantwortlich zu machen. Das Systemdenken zeigt uns, dass es kein ‚draußen‘ gibt, dass wir und die Ursachen unserer Probleme Teile desselben Systems sind.“

„Echtes Lernen berührt den Kern unserer menschlichen Existenz. Lernen heißt, dass wir uns selbst neu erschaffen.“

„Zu den Grundvoraussetzungen des Lernens gehört, dass den Menschen wirklich wichtig ist, was sie tun.“

„Es ist interessant, dass die englischen Worte whole (ganz) und health (Gesundheit) dieselbe Wurzel haben. Es sollte uns also nicht überraschen, dass der heillose Zustand unserer Welt in direktem Verhältnis zu unserer Unfähigkeit steht, sie ganzheitlich wahrzunehmen.“

„Heute ist ein systemisches Denken wichtiger geworden als je zuvor, weil eine wachsende Komplexität uns zu überwältigen droht.“

„Unsere unsystemischen Denkweisen sind vor allem deshalb so zerstörerisch, weil sie unsere Aufmerksamkeit immer wieder auf Veränderungen mit geringer Hebelwirkung lenken: Wir konzentrieren uns auf die Symptome, die den stärksten Druck ausüben.“

„Alles in allem besteht die Kunst des Systemdenkens darin, dass man die Komplexität durchschaut und die grundlegenden Strukturen erkennt, die Veränderungen bewirken.“

„Eine gemeinsame Vision ist lebenswichtig für eine Lernende Organisation, weil sie den Schwerpunkt und die Energie für das Lernen liefert.“

„Zuhören ist häufig schwieriger als Reden, vor allem für energische Manager, die sehr konkrete Vorstellungen davon haben, was getan werden sollte. Es erfordert eine außergewöhnliche Offenheit und die Bereitschaft, eine bunte Vielfalt von Ideen zu fördern.“

„In der Evolution der Lernenden Organisation befinden wir uns heute auf dem Weg von der Erfindung zur Innovation. Wir sind mitten in der Prototyp-Ära.“

 

 

Über den Autor: Peter M. Senge ist Direktor des 1991 gegründeten Center for Organizational Learning an der Sloan School of Management des MIT (Massachusetts Institute of Technology) in Cambridge, USA und Vorsitzender der 1997 gegründeten Society for Organizational Learning (SoL).

https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_M._Senge

 

 

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