Buchauszug: „Marketing für Kanzleien und Wirtschaftsprüfer“ – Corinna Budras über die Tücken der Pressearbeit

Buchauszug Claudia Schieblons „Marketing für Kanzleien und Wirtschaftsprüfer“. 

 

Die Tücken der Pressearbeit.
Von Corinna Budras von der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“

 

Corinna Budras (F.A.Z.-Foto/Wolfgang Eilmes“.

 

Anwälte und Journalisten könnten sich wunderbar verstehen: Beide sind schon von berufs wegen neugierig, stellen die richtigen Fragen und sind darauf angewiesen, ihre Erkenntnisse einem komplett unwissenden Publikum verständlich zu machen: Anwälte ihren Mandanten, Journalisten ihren Lesern. Deshalb ist es erstaunlich, wie viel Reibereien, Enttäuschungen und Frustrationen es noch immer auf beiden Seiten gibt. Höchste Zeit, dass sich das ändert.

 

Der Gegensatz: Diskrete Anwälte – Journalisten, die alles Indiskrete lieben

Jeder gute Erkenntnisprozess sollte allerdings nicht nur die Gemeinsamkeiten, sondern auch die Unterschiede in den Blick nehmen. Diese mögen trivial klingen, wenn man sie offen ausspricht, nur kommt das viel zu selten vor. Deshalb wird gerne vergessen, dass beide Berufsgruppen völlig unterschiedliche Interessen verfolgen. Anwälte nämlich sind schon von Natur aus diskret, um Interessenkonflikte besorgt und daran gewöhnt, in Grundsätzen und Ausnahmen zu denken: einerseits, andererseits.

Journalisten dagegen lieben alles Indiskrete, schon weil die Leser Indiskretionen lieben. Allein mit diskreten Inhalten lassen sich keine Zeitung füllen. Das hat seine Grenzen, aber die liegen im Presserecht. Und Journalisten denken schon zwangsläufig in Schwarz-Weiß-Kategorien. Nicht etwa, weil sie nicht anders könnten, wie böse Zungen es immer wieder über die „Universaldilettanten“ behaupten. Sondern schon allein deshalb, weil allzu viel Differenzierung dem eiligen Publikum auf 80 Zeilen nicht zu vermitteln ist.

 

Von der Kunst des „Zeitungsmachens“: Handwerk, Gespühr und Erfahrung

Das alles ist leicht zu benennen, aber in der Praxis erstaunlich schwer zu beherzigen. Viele Leser, auch Juristen, haben eine allzu simple Vorstellung vom „Zeitungsmachen“: Wer Zeitung lesen kann, so scheinen viele zu denken, kann sie auch genauso gut machen. Solche Naturtalente mag es geben, ich allerdings habe noch keinen persönlich kennen gelernt. Journalismus ist eine Mischung aus Handwerk, Gespür, Erfahrung und sicherlich auch Talent.

Schon die Gewichtung der Themen ist eine Wissenschaft an sich, an der selbst erfahrene Journalisten noch scheitern. Wer in einem Bereich einmal Expertise aufgebaut hat, hält schnell alles für relevant, was dem unbedarften Leser nur ein müdes Lächeln abgewinnen kann. Das zu sortieren gehört zu den schwierigsten Aufgaben des Journalisten und ist eine, bei der man immer wieder Kollegen und Kooperationspartner vor den Kopf stößt.

Die neuen Medien haben dazu geführt, dass im Handumdrehen nachvollzogen werden kann, wie beliebt Artikel bei den Lesern sind. Die Zahl der Klicks werden erbarmungslos gemessen und die Redaktionen reagieren darauf: zunächst im Internet, aber diese neue Art der Qualitätskontrolle setzt sich zunehmend auch in der Printausgabe durch. Erklärung ist essentiell, nur wenig darf vorausgesetzt werden. Das hat nichts mit Ignoranz oder Dummheit des Lesers zu tun. Es ist vielmehr der Kern der Arbeit eines jeden Journalisten – und all jene, die in die Zeitung drängen.

 

An Zeitungsleser denken nur wenige Juristen – nur an Mandanten und Kollegen

Wer dies tun möchte, muss sich zwangsläufig in den Leser hineinversetzen, den er mit seinen Ergüssen zu beglücken gedenkt. Auch daran krankt es bei vielen Juristen. Denn beim Schreiben scheinen sie vor allem an die zu denken, mit denen sie sich tagtäglich umgeben: An ihre Kollegen oder an ihre Mandanten, die sie beeindrucken wollen. Aber nur wenige denken an jene, die die Zeitung auch kaufen. Und die Leserschaft ist wesentlich bunter und wesentlich heterogener als die Klientel, die jeden Tag in deutschen und internationalen Wirtschaftskanzleien ein- und ausgeht. Das müssen Sie im Kopf behalten, wenn Sie einem Journalisten als Experte in einer Sachfrage zur Seite stehen oder wenn Sie einen Gastbeitrag schreiben. Sowohl Ihre Kollegen, als auch Ihre Mandanten sind durch Ihre hervorragende Aufklärung schon bestens informiert. Eine zufällige Bekanntschaft auf einer Party ist es nicht. Die müssen Sie für ihr Thema auch noch begeistern.

 

Was die Menschen Interessiert: Themen mitten aus dem Leben

Bei Ihrer Arbeit müssen Sie deshalb ganz zwangsläufig ihren Blick weiten und etwas tun, was Ihnen bisher womöglich stets erspart blieb: dem normalen Mann und der normalen Frau auf der Straße zu erklären, was an Ihrer Arbeit eigentlich so spannend ist. Das Beruhigende zuerst: Anwälte sitzen oft auf einem ganzen Berg von strittigen Fragestellungen und praxisrelevanten Streitigkeiten. Es ist eins der größten Missverständnisse, Jura als „lebensfern“ zu bezeichnen. Das ist allenfalls die Vermittlung in der Öffentlichkeit. Aber die Themen selbst sind mitten aus dem Leben gegriffen und betreffen oft nicht nur einen Mandanten, sondern viele. Und wenn man es genau betrachtet auch deren Mitarbeiter oder deren Kunden, jedenfalls wenn es um Unternehmen geht. Oder viele Nachbarn, Kollegen, Freunde.

 

Was ist eine gute Geschichte?

Interessanterweise ist auch das wieder leichter gesagt als tatsächlich umgesetzt. Was ist schon eine wirklich gute Geschichte? Darauf gibt es eine erstaunlich klare Antwort: Wenn sie in eine von drei Kategorien fällt. Interessant ist sie dann, wenn sie von grundsätzlicher Bedeutung ist: das Streikrecht für Beamte zum Beispiel oder das NPD-Verbotsverfahren gehören zweifelsohne dazu, weil sich diese Themen um die Rechte und Pflichten von Menschen drehen, und sich an ihnen deshalb Prinzipien ableiten lassen.

Wichtig ist ein Thema auch dann, wenn es zwar nicht von grundlegender Bedeutung ist, aber dennoch viele Menschen betrifft, der Diesel-Skandal von Volkswagen fällt in diese Kategorie.

Und drittens: Wenn ein Sachverhalt zwar nicht von grundlegender Bedeutung ist und auch nicht besonders viele Menschen betrifft, aber doch so anders, skurril oder auch erschreckend ist, dass das Thema auf einer Party locker ein Gespräch von zwanzig Minuten füllen könnte. Sollte Ihr Thema in eine dieser Schublade fallen, haben Sie voraussichtlich viel Erfolg, wenn Sie das Thema Zeitungen, Radio oder gar dem Fernsehen anbieten.

 

Die richtige Pressearbeit: Inhouse oder externe Agentur?

Doch schon der richtige Kanal für das Anbieten von Themen ist eine Wissenschaft für sich. Die Pressearbeit in Kanzleien ist kein Neuland mehr, in vielen Sozietäten gibt es schon seit mehr als 15 Jahren Kommunikationsexperten – und trotzdem scheint sich noch immer kein vorherrschendes Modell herausgebildet zu haben.

Dabei ist die Daumenregel so simpel: Je näher die „PR-Abteilungen“ an den Kanzleien dran sind, desto besser sind sie in der Regel auch, weil sie sich ein Standing unter den Partnern und Associates erarbeiten können, das für ihre Arbeit unerlässlich ist. Leider tendieren Kanzleien immer noch dazu, ihre PR-Arbeit als Kostenschlucker und lästiges Anhängsel anzusehen und versuchen, den Aufwand so gering wie möglich zu halten. Doch dann kann man sich diese Aufgaben auch ganz sparen und dorthin zurückkehren, wo Kanzleien jahrzehntelang waren: hinter verschlossenen Türen.

 

Wo Erfahrung ausschlaggebend ist – an der PR-Front intern wie extern

Wer dagegen raus in die Welt möchte, muss die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Bereich als Partner auf Augenhöhe betrachten und darf sich nicht nur mit Berufsanfängern aus dem Marketingbereich umgeben. Auch für diese Mitarbeiter ist eine juristische Expertise essentiell (sonst überleben sie auch nicht lange in dieser speziellen Branche).

Denn zu den Aufgaben der PR-Abteilung gehört es auch, „Erwartungsmanagement“ sowohl auf Seiten der Journalisten als auch innerhalb der Kanzlei zu betreiben. Dazu gehört, unrealistische Wünsche abzubiegen und wenn nötig, Forderungen zu stellen. Und dazu gehört auch, unangenehme Wahrheiten auszusprechen, bevor es der Journalist tut – und womöglich die Zusammenarbeit aus Frust gleich wieder einstellt.

Viele Fehler lassen sich vermeiden, wenn man die nötige Erfahrung hat. Die wird aber kein Anwalt, keine Anwältin sammeln können, der sich vollständig auf seinen Job und nur nebenbei auf seine Veröffentlichungen konzentriert. Das möge er und sie doch bitte den Experten überlassen – und diese Expertise kann vor allem innerhalb der Kanzleien entstehen.

 

Massenbeglückung ist unprofessionell

Natürlich gibt es einige PR-Berater, die es auch außerhalb von Kanzleien quasi auf eigenen Beinen zu einem beeindruckenden Standing gebracht haben. Doch diese Exemplare sind noch immer sehr selten. Viel mehr überwiegt die Schar von PR-Agenturen, die sich neben vielen anderen Betätigungsfeldern auch im Themenbereich „Recht“ tummeln, die mehr schlecht als recht Themenvorschläge absondern und diese dann großräumig in den Redaktionen verteilen. Manchmal werden gleichzeitig drei, vier oder fünf Journalisten des gleichen Mediums aber aus unterschiedlichen Redaktionen mit ein- und demselben Thema behelligt. Es dauert meist nicht mehr als fünf Minuten, bis diese Massenbeglückung auffliegt und einen Eindruck der Unprofessionalität hinterlässt: Wenn schon so viele Redakteure eines Mediums damit bombardiert werden – wie viele andere Zeitungen und Radiosender sind dann womöglich auch bedacht worden? Exklusivität ist auch in den Zeiten der Massenmedien wichtig – womöglich wichtiger denn je.

 

Die Zwänge der Medien muss man kennen

Zu der Expertise der PR-Beauftragten gehört es zudem, die Anwälte in ihren Stärken und Schwächen zu kennen und für den Journalisten eine Vorauswahl zu treffen. Nicht immer sind die größten Experten auch die überzeugendsten Gesprächspartner. Einen Sachverhalt kurz und knapp und womöglich sogar geistreich auf den Punkt zu bringen, ist eine Kunst an sich. Wer diese beherrscht, kann es zu den wenigen Stars der Jura-Experten bringen. Umgekehrt wird sich jeder Anhänger von Schachtelsätzen schon nach fünf Minuten entlarven, und schnell ist dann klar: Wer schon im gesprochenen Wort auf Ketten-Relativsätze nicht verzichten mag, wird es auch nicht tun wollen, wenn er seine Worte in geschriebener Form sieht.

Absolut unerlässlich ist es jedoch, dass die PR-Profis mit den Abläufen in einem Medienhaus vertraut sind. Mit den Ablauf der Konferenzen, den Zwängen einer gedruckten Presse (kaum Platz) und von Funk und Fernsehen (keine Zeit). Wer niemals einen Verlag von ihnen gesehen hat, bekommt kaum eine Vorstellung davon, wie Medien entstehen.

 

Von Formen und Fristen – wer unzuverlässig ist, muss aussortiert werden

Form und Frist sind dem Juristen geläufig: Nur ein pünktlicher Anwalt ist auch ein guter Anwalt. Das lernt jeder Jurastudent; spätestens im Referendariat wird dieses Thema unumgänglich. Umso erstaunlicher ist es, welche Freiheiten sich Anwälte in der Zusammenarbeit mit Journalisten nehmen, ganz so als gäbe es keinen Redaktionsschluss, als ließe sich zur Not auch Freiraum drucken – als Platz für die eigenen Notizen. Das Gegenteil ist der Fall: Prompte und pünktliche „Lieferung“ ist die Grundvoraussetzung für jede Art der Zusammenarbeit. Wer sich als unzuverlässig erweist, wird schnell aussortiert. Bei mehr als 166.000 Anwälten in Deutschland wahrlich keine schwierige Aufgabe.

 

Die gnadenlose Arbeitstaktung der Journaille

Dazu muss man sich nur einmal kurz gedanklich mit der Arbeitstaktung der Journaille auseinandersetzen: Online-Redaktionen kennen keinen Redaktionsschluss mehr. Hier herrscht die Grundregel 24/7. Im Printjournalismus ist noch immer ein Redaktionsschluss von spätestens 17 Uhr die Regel, danach sind die Druckereien kaum mehr aufzuhalten, nur um ein Zitat noch schnell umzuschreiben. Und nur wenig ist schlimmer, als den Redaktionsschluss wegen eines säumigen Experten zu reißen.

Für die tägliche Berichterstattung bedeutet das konkret: Ein Urteil ist vor allem an dem Tag interessant, an dem es verkündet wird, nicht zwei Tage oder zwei Wochen danach. Das heißt, eine schnelle Einschätzung ist vonnöten. Dass dabei auch Fehler geschehen können, ist nachvollziehbar und leider nicht zu vermeiden. Aber das heißt nicht, dass es man es deshalb nicht versuchen sollte.

Fachjournalisten stehen jeden Tag vor diesem Problem. Das Bundesarbeitsgericht nimmt in seiner Rechtsprechung nur wenig Rücksicht auf den Redaktionsschluss der Zeitung, oft kommt noch gegen 16 Uhr ein Urteil von grundsätzlicher Bedeutung. Mit der nötigen Expertise ist das auch zu bewältigen, die Fachjuristen wissen schließlich ganz genau, auf welchen Halbsatz es in einem Urteil ankommt. Nur auf das Bundesverfassungsgericht ist Verlass: Die großen Urteile, die es verkündet, werden lange angekündigt und stets um 10 Uhr veröffentlicht.

Etwas mehr Zeit kann man sich bei der Bewertung Gesetzesvorhaben nehmen. In der aktuellen Berichterstattung nehmen ohnehin die Reaktionen der Fachpolitiker und der Opposition einen breiten Raum ein. Eine Einordnung der Juristen ist oft erst dann gefordert, wenn es an die Umsetzung geht, also kurz vor Inkrafttreten der Regelungen.

 

Von der Schönheit der einfachen Sprache

Ein ähnliches Missverständnis beherrscht den Schreibprozess selbst: Der leichte, eingängige Text ist keineswegs auch der, der am einfachsten von der Hand geht. Es kommt einer Mammutaufgabe gleich, einen komplizierten Sachverhalt so herunter zu brechen, dass auch Tante Erna ihn versteht. Es bedeutet nämlich, dass der Autor den Sachverhalt und seine juristische Bedeutung komplett versteht, ihn in den Kontext setzen und bewerten kann.

 

Sobald der Leser nicht mehr folgen kann, ist er weg

Umgekehrt ist nichts einfacher, als einen komplizierten Artikel ins Blatt zu heben: Dann nämlich muss man gar nichts selbst verstehen, sondern kann andere sprechen lassen: Richter, Gesetzgeber und die Juristen, die in besonders akkurater Form von der „Feststellungsklage“ schwadronieren oder mit der größten Selbstverständlichkeit die Voraussetzungen eines „Amtshaftsanspruchs“ durchdeklinieren. Dass sich diese Begriffe mitnichten selbst erklären, haben sie nach sechs Jahren Ausbildung und etlichen Jahren Berufserfahrung vergessen.

Der Leser jedoch ist ungeduldig: Stößt er auf Widerstand, stellt er das Lesen ein. Von einer Sekunde auf die nächste, denn inzwischen gibt es genug anderes, mit dem er sich beschäftigen kann.

Schon der Altmeister des deutschen Journalismus, Wolf Schneider, sagte einmal: „Einer wird viel Arbeit haben – entweder Sie oder der Leser.“ Die Wahl mag es früher einmal gegeben haben, doch inzwischen ist sie längst entschieden: Der Leser weigert sich, die Arbeit zu erledigen, deshalb müssen sie Journalisten leisten, wenn sie wollen, dass sie gelesen werden. Das gleiche gilt für Gastautoren, die Gelegenheit bekommen, sich über 120 Zeilen oder mehr zu einem Thema auszubreiten. Die Zeiten, in denen einfach nur durchgewinkt wurde, sind lange vorbei.

Die Redaktionen, meist bestückt mit vielen und leidenschaftlichen Nicht-Juristen, sind nicht mehr bereit, Fachjargon kommentarlos zu drucken – weil wiederum die Leser nicht mehr bereit sind, diesen widerstandslos zu konsumieren.

 

Wer Passiva nutzt, ist nur faul

Meist macht die Form vielen Juristen noch Schwierigkeiten, dabei sollten gewisse Grundregeln der Ausdrucksweise eigentlich auch in der Kommunikation mit Gerichten und Mandanten selbstverständlich sein: Passivkonstruktionen sind kein Ausweis von Eleganz, sondern von Faulheit. Wer die passive Ausdrucksweise praktiziert, macht sich keine Gedanken über die handelnden Personen. Doch die sind immer wichtig.

Der Nominalstil mag irgendwann einmal seinen Reiz gehabt haben, in der Zeitung hat er genauso wenig zu suchen, wie im Gespräch. Das gleiche gilt für Abkürzungen. Juristen mögen verrückt nach Abkürzungen sein und sie auch so geschickt im eigenen Redefluss einbauen, dass es für Zuhörer mit Zusatzexpertise eine wahre Freude ist, außerhalb von Fachzeitschriften haben sie dagegen nichts zu suchen. Sie stören den Lesefluss und bringen Nichtjuristen zum Grübeln, sie stören mehr als dass sie helfen.

Ob ein Artikel gelungen ist, zeigt ein einfacher Trick: Wer seinen eigenen Text laut vorlesen kann, ohne sich zu verhaspeln oder das Gesicht zu verziehen, kann sicher sein, dass er auch gelesen wird. Wem das nicht gelingt, dem harrt eine harte Redigatur.
Die harrt übrigens auch dem, der sich nicht an Längenvorgaben halten kann.

Unlängst ist ein Jurastudent mit einer Klage gegen die Benotung seiner Hausarbeit gescheitert. Er hatte den Rand der Hausarbeiten absichtlich zu knapp bemessen, um noch möglichst viel Inhalt auf die Seiten zu pressen. Das ist kein Ausweis von besonderer Schlauheit, fand der Professor, sondern ein Hinweis darauf, dass der Student noch nicht in der Lage ist, Schwerpunkte zu setzen und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Der Professor hat ihm deshalb für jede überschüssige Seite einen Punkt von der Gesamtnote abgezogen – mit dem Ergebnis, dass der Student die Hausarbeit nicht bestanden hat.

Ähnliches wünschen sich übrigens auch Journalisten, die mit Gastautoren zu kämpfen haben, die in schöner Regelmäßigkeit die vorgegebenen Seitenzahlen sprengen. 75 Zeilen sind 75 Zeilen und werden selten mehr. Nichts ist schlimmer als der tägliche Kampf mit dem Layout und den möchten Journalisten nicht deshalb führen, weil Anwälte sich nicht kurz halten können.

 

Das taugliche Zitat oder die Kontrollwut der Anwälte

Womit wir bei einem weiteren heiklen Punkt in der Zusammenarbeit zwischen Journalisten und Juristen sind: Das geschriebene Wort kann Entsetzen auslösen – vor allem bei dessen Urheber. Dass Anwälte sich vor Gericht nicht selbst vertreten sollen, hat einen guten Grund. Ebenso zentral ist die Erkenntnis, dass sie auch schlecht dazu geeignet sind, ihre Wirkung in Medien einzuschätzen, besonders übrigens, wenn es um ein Porträt gibt. Zu trivial, zu undifferenziert, zu umgangssprachlich finden viele Anwälte ihre eigenen Zitate, die sie nach einem langen Interview in kurzen Sätzen auf Papier gedruckt sehen.

Gerne wollen sie dann noch eine kleine Relativierung einbringen oder wenigsten ein bisschen Nominalstil, damit das Zitat mehr wie gedruckt und nicht wie gesprochen daherkommt. Das ist meist der eigentlich Grund hinter dem oft geäußerten Wunsch, die Zitate vor Abdruck noch einmal überprüfen, also „autorisieren“ zu können. Höchst selten kommt es vor, dass wirklich einmal ein Zitat falsch ist oder aus dem Kontext gerissen.

 

Die Angst vor den eigenen Mandanten lässt Zitate kippen

Nichts jedoch marginalisiert ein Zitat mehr als eine Relativierung einer ansonsten klaren Aussage, eine Schachtelkonstruktion in einer ansonsten launigen Formulierung. Sie machen ein Zitat schlicht unbrauchbar. Das muss erkennen, wer in die Zeitung will. Die Regel ist einfach: Wer Angst vor den schiefen Blicken des Kollegen oder einer vermeintlichen Entblößung vor den Mandanten, sollte keine Interviews geben oder Gastbeiträge schreiben. Für den Journalisten zählt nur, ob der interessierte Leser die Ausführungen versteht – und nicht etwa, ob die Geschäftskontakte des Autoren einen günstigen Eindruck bekommen.

Das ist auch der Grund dafür, dass Journalisten Autorisierungen in der Regel ablehnen, Kanzleien jedoch der Meinung sind, sie können ohne gar nicht mehr arbeiten. Diesen grundsätzlichen Widerspruch wird man nicht aus dem Weg räumen können, deshalb ist es umso wichtiger, dass man professionell mit ihnen umgeht. Hier gilt die Regel: Wer Zitate autorisieren möchte, muss dies vorher absprechen. Journalisten werden das nicht von sich aus ansprechen, deshalb müssen es die PR-Beauftragten tun.

 

Die Fehleinschätzung der Relevanz der Zitate für die Welt

Ohnehin schätzen viele falsch ein: Es gibt in der Regel nur einen Menschen, der sich vertieft mit einer konkreten Formulierung auseinandersetzt – der Urheber selbst. Der Rest der Menschheit liest locker über den Text, freut oder ärgert sich, wenn er einen bekannten Namen sieht, aber das hat weniger mit der Formulierung selbst, als mit der langjährigen Zusammenarbeit zuvor zu tun. Die überwiegende Mehrheit der Leser aber verbindet – pardon – rein gar nichts mit dem Gastautoren oder dem zitierten Experten und dann zählt nur, ob das Thema pointiert und verständlich umschrieben ist. Umso besser ist es, wenn man sich dabei als Leser auch noch amüsieren kann.

 

Zu guter Letzt: Anwälte sind Partei, Journalisten müssen unabhängig berichten

Gut recherchierte Nachrichten, Kommentare, Analysen, Reportagen sind heute wichtiger denn je, seit die Kanäle voll sind von Menschen, die „irgendwas mit Medien“ machen wollen und soziale Medien wie Twitter und Facebook die Nachrichtenlage bestimmen. Anwälte können dabei helfen, juristische Themen einzuordnen und zu sortieren. Sie sind dabei aber nur bedingt unabhängig und frei, sondern im besonderen Maße ihren Mandanten verpflichtet. Allzu häufig werden Juristen deshalb auch zur „Partei“ und kommen deshalb im Konflikt mit Journalisten, die gehalten sind, neutral und abgewogen zu berichten. Dazu gehört eben auch, Interessen offen zu legen. Wer das im Hinterkopf behält, kann auf eine fruchtbare Zusammenarbeit hoffen: Juristen und Journalisten haben sich viel zu sagen.

 

 

Zur Autorin: Corinna Budras ist seit April 2014 Redakteurin im Wirtschaftsressort der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Sie berichtet dort über rechtliche Themen und Neuigkeiten aus der Anwaltsbranche. Sie studierte Jura in Berlin und Belgien und absolvierte die Berliner Journalisten-Schule. Ab 2003 arbeitete sie als ‚Legal Reporter‘ für Bloomberg News, bevor sie 2005 als Redakteurin ins Wirtschaftsressort der „FAZ“ wechselte. Dort schrieb sie über Wirtschaftsrecht und betreute „Recht und Steuern“ sowie „Beruf und Chance“.

 

 

 

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