Vier Fragen an Wirtschaftsstrafrechtler Jürgen Wessing: Interne Ermittlungen nur noch mit deutschen Kanzleien?

Die Vorgeschichte: Die Braunschweiger Staatsanwälte wollten an die Ergebnisse der internen Ermittlungen der Kanzlei Jones Day heran kommen, die ihnen VW nicht herausrückte. Die Staatsanwälte erhoffen nämlich sich in diesen Akten mit Mitarbeitergesprächen Infos, die ihnen fehlen. In solchen internen Ermittlungsakten steht normalerweise mehr als das, was die Staatsanwälte selbst ermitteln können. Sie durchsuchten daraufhin die VW-Kanzlei Jones Day – was sonst, wenn es bereits Beschuldigte gibt,  nicht erlaubt ist und beschlagnahmten die internen Ermittlungsakten. VW, Audi und Jones Day wehrten sich nun bis zum Bundesverfassungsgericht – doch erfolglos. Denn die höchsten Richter haben jetzt entschieden: Geht es um interne Ermittlungsakten der Unternehmen dürfen die Staatsanwälte die Kanzleiräume durchaus durchsuchen und sich so – vielleicht – neues belastendes Material sichern, an das sie sonst nicht gekommen wären. Wirtschaftsstrafverteidiger Jürgen Wessing erläutert die Folgen des Urteils.

 

Wirtschaftsstrafverteidiger Jürgen Wessing

Herr Wessing, was heißt dieses Urteil für Unternehmen? Werden sie jetzt gar keine internen Ermittlungen mehr in Auftrag geben, so dass den Großkanzleien stattliche Pfründe entgingen?

 

Wessing: Das werden sie sich drei Mal überlegen. Macht das Beispiel Schule und Staatsanwälte beschlagnahmen auch bei Anwälten anderer Unternehmen interne Ermittlungsakten, liefern sie damit selbst den Staatsanwälten Beweise gegen das eigene Unternehmen und die eigenen Manager. Und das auch noch auf Kosten des Unternehmens. Solche internen Ermittlungen mit Dutzenden von Anwälten kosten mehrere Millionen Euro. Das Risiko ist für Unternehmen dabei vor allem: Wie die Staatsanwälte diese Akten bewertet, das kann ganz anders aussehen als die Sichtweise der Unternehmensjuristen. Schlimmstenfalls durchsuchen sie sofort erneut das Unternehmen, wenn sie zusätzliche Anhaltspunkte in den Akten entdecken.

 

Werden die Mitarbeiter künftig den Anwälten interner Ermittlungen nichts mehr sagen? Denn das, was sie internen Ermittlern sagen, gibt ja auch Staatsanwälten womöglich Hinweise, gegen sie vorzugehen?

Wessing: Ja, das erwarte ich. Die Angestellten werden sich in Zukunft hüten, ihrer Firma bei der internen Aufklärung zu helfen, wenn sie riskieren, dass die Niederschrift von jedem Interview direkt beim Staatsanwalt auf dem Tisch landen können. Dann hätte man den strafrechtlich gläsernen Mitarbeiter.

 

Welche Folgen hat das für Unternehmen, denen die eigenen Mitarbeiter dann aus Angst Infos vorenthalten?

Die Entscheider können nicht mehr – was viele ankündigen, um das Bußgeld später klein zu halten – mit der Staatsanwaltschaft kooperieren.

 

Jones Day könne sich als ausländische Kanzlei nicht gegen Durchsuchungen wehren, indem sie sich aufs Grundgesetz berufen, sagten die Bundesverfassungsrichter. Das Urteil wäre also bei einer rein deutschen Kanzlei mit Hauptsitz in Deutschland anders ausgefallen, so dass Unternehmen jetzt also vorsichtshalber nur noch Gleiss, Hengeler oder CMS statt Jones Day, BakerMcKenzie oder Freshfields beauftragen. Nur für den Fall, dass ihre internen Ermittlungsanwälte fündig werden und sie doch lieber etwas verbergen wollen?

Wessing: Das könnte so sein, muss aber nicht. Denn die Verfassungsrichter haben erst mal nur gesagt, dass im Ausland ansässige Kanzleien sich nicht aufs Grundgesetz berufen können. Damit ist aber noch lange nicht gesagt, dass umgekehrt deutsche Kanzleien vor Durchsuchungen nach internen Ermittlungsakten künftig sicher sind. Das Risiko, dass auch bei deutschen Kanzleien Ermittlungsakten beschlagnahmt werden besteht durchaus.

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-057.html

 

 

 

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