Gastbeitrag BBC-Moderatorin Katty Kay über Männer, die sich notorisch überschätzen und Frauen, die sich notorisch unterschätzen

Katty Kay ist US-Anchor der BBC World News America und zählt zu den profiliertesten Journalistinnen Großbritanniens. Exklusiv im Management-Blog erscheint hier ihr Stück über das Phänomen, dass sich Männer notorisch überschätzen und Frauen notorisch unterschätzen – ein Gastbeitrag:

Anlässlich des aktuell ausgestrahlten BBC 100-Women-Programm-Schwerpunktes wird diese Woche eine Gruppe von Frauen im Silicon Valley zusammenkommen, um eine Lösung für ein weithin bekanntes Problem auf den Weg zu bringen: Sie soll die unsichtbare Wand, der sich Frauen in der Wirtschaftswelt ausgesetzt sehen, überwinden. BBC World News America Moderatorin Katty Kay erklärt, warum Frauen, wie diese, allen Grund haben selbstbewusst zu sein, aber sich wahrscheinlich unsicherer fühlen als Männer in der gleichen Situation.

 

Katty Kay, Moderatorin von BBC World News America (Foto: BBC World News America))

 

Das ehrliche Übervertrauen der Männer, die Selbstvertrauenslücke der Frauen

Die Columbia Business School in New York nennt das Phänomen, dass Männer sich in der Regel kompetenter einschätzen als sie tatsächlich sind “ehrliches Übervertrauen”. Nach den Angaben der Columbia Business School überschätzen Männer ihre eigenen Fähigkeiten um circa 30 Prozent. Sie täuschen das Selbstvertrauen dabei nicht vor, sie glauben tatsächlich daran. Wir Frauen dagegen haben die Neigung, unsere Fähigkeiten zu unterschätzen. Unser Talent schätzen wir geringer ein als es tatsächlich ist.  Wir nennen dies „Selbstvertrauenslücke“, im Laufe einer Karriere kann dies zu weniger Beförderungen, begrenzter Chancengleichheit und geringerer Bezahlung führen.

 

Es gibt keinen einzigen Beleg für geringere Frauen-Kompetenz

Der 100-Women-Challenge, den die BBC derzeit ausrichtet, ist Teil einer breiter angelegten Initiative, die dieses Missverhältnis beheben will. Es ist ein Defizit, für das es keine reale Begründung gibt. Es gibt nicht einen Beleg dafür, dass wir Frauen weniger kompetent als unsere männlichen Kollegen sind. In unserer akademischen Ausbildung schneiden wir im Durchschnitt besser als Männer ab, was uns oft fehlt, ist das nötige Selbstvertrauen.

 

Gleiche Leistung von Männern und Frauen – verschiedene Beurteilung

Eine aufschlussreiche Sozialstudie führte mit Männern und Frauen ein wissenschaftliches Argumentations-Quiz durch und zeigte: Frauen sagen fast immer, dass sie schlechter abgeschnitten haben, als sich tatsächlich später herausstellt. Bei Männern ist es umgekehrt. Letztlich zeigen Männer und Frauen in etwa die gleichen Leistungen.

 

Wie oft haben Sie schon eine Frau sagen hören sie „habe Glück gehabt, soweit in ihrer Karriere gekommen zu sein“? Oder sie „war zur richtigen Zeit am richtigen Ort“? Oder in meinem eigenen Fall: Ich sagte und glaubte immer, der einzige Grund für meinen Erfolg in den USA sei mein britischer Akzent. Es konnte nicht sein, dass ich einfach einen guten Job machte oder hart arbeitete? Das wäre ein Unding.

 

Noch immer geringere Bezahlung und fehlende weibliche Vorbilder

Ich bin kein unverbesserlicher Optimist. Ich glaube nicht, dass eine Überwindung dieser Selbstvertrauenslücke an sich schon die Spielregeln zwischen Männern und Frauen ausgleichen würde. Es gibt strukturelle Ungleichheiten, die nicht allein mit Selbstvertrauen ausgemerzt werden können. Es gibt immer noch nicht die gleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit. Der Mangel an Vorbildern auf Top-Ebene zieht nach sich, dass Frauen nicht einfach nach oben schauen können und ein Bild von sich selbst sehen, wie Männer es können. Und es gibt immer noch Diskriminierung.

Sie erleben es in ihrer Branche, ich in meiner. Wenn ein Mann Ihr Aussehen kommentiert, dann lenkt das oft von Ihrer professionellen Kompetenz ab. Wenn ein Mann sagt, Ihr Mikrophon sollte abgeschaltet werden, da Sie eine knifflige Fragen gestellt haben, wie dies Trumps Wahlkampfhelfer Ben Carson mir gegenüber in einer Morgenfernsehsendung tat, empfindet man das als einen Versuch „dieses dumme Mädchen zum Schweigen zu bringen“.  Das ironische an diesem Fall war, dass das Thema der Diskussion sich mit der Belästigung von Frauen auseinandersetzte. Carson hatte das wohl nicht gemerkt – er ist inzwischen Minister für Wohnungsbau und Stadtentwicklung in den USA.

 

Verkrustete Verhältnisse – und zu viele Bedenken der Frauen

Diese verkrusteten Verhältnisse lassen sich nicht über Nacht ändern, nur weil wir plötzlich mehr Selbstbewusstsein haben. Wir brauchen politische Veränderungen. Was mir an dem Konzept des Selbstvertrauens gefällt: Frauen können es selbst, individuell und sofort umsetzen.

Für das Buch „The Confidence Code, was Frauen selbstbewusst macht“, das ich zusammen mit der amerikanischen Journalistin Claire Shipman geschrieben habe, befragten wir viele Psychologen, Manager, Sportler, Militärs und Neurowissenschaftler. Wir sprachen mit Forschern, die das Selbstvertrauen von Ratten erforschen. Ich wusste nicht, dass es selbstbewusste und schüchterne Ratten gibt, aber es ist tatsächlich so.

Wir entdeckten ein Muster, das leicht aufgebrochen werden kann. Die Selbstvertrauenslücke entsteht aus einer Mischung aus Perfektionismus, Scheu vor Risiko, Angst vor Versagen, und zu vielen Bedenken.

 

Frauen neigen dazu, sich unter Wert zu verkaufen

Hierfür gebe ich Ihnen ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung:

Vor einigen Jahren war ich ins Weiße Haus zu einem Treffen über die Nahostpolitik eingeladen. Ich ging in den Raum, in dem sich 14 Männer und zwei Frauen aufhielten, und stellte fest, sie waren allesamt ausgewiesene Nahostexperten. Ich war die einzige Generalistin und eine von zwei Frauen. Sofort fühlte ich mich als Täuschung, als jemand, dem es nicht zustand, dabei zu sein.

 

Als die Fragen- und Antworten-Runde eröffnet wurde, führte ich innerlich Selbstgespräche. Ich stellte mir vor, dass, wenn ich eine Frage stellte, jeder merken würde, dass ich nicht so viel Fachwissen hatte wie sie. Ich würde rot werden, stammeln, schwitzen und jeder würde mich anstarren. Dennoch zwang ich mich nach einer Weile, meine Hand zu heben und eine Frage zu stellen. Dann passierte etwas Ungewöhnliches, die Erde tat sich nicht auf und verschlang mich, und der Himmel fiel mir auch nicht auf den Kopf.

Mit dieser einzigen Frage machte ich es jedoch einfacher für mich, das nächste Treffen auf hoher Ebene zu bewältigen. Ich hatte etwas Selbstvertrauen gewonnen.  Die Vertrauenslücke zu schließen heißt, ehrlich mit sich selbst und seinem Können umzugehen und sich nicht andauern unter Wert zu verkaufen.

 

Wir müssen akzeptieren, dass wir nicht perfekt sind – und keine Roboter

Wir müssen akzeptieren, dass Fehler ein Teil der menschlichen Natur sind. Es bedeutet, dass wir Ärger, Kritik und Fehler abschütteln und nicht an ihnen festhalten, wie ein Hund am Knochen. Es bedeutet auch zu akzeptieren, dass wir nicht perfekt sind. Roboter sind perfekt, wir sind es nicht. Jedes Mal wenn Sie sich  einem Wettbewerb stellen, wie dem für die BBC, verlassen Sie Ihre Komfortzone, nehmen ein Risiko auf sich und schließen die Selbstvertrauenslücke. Vielen Dank dafür. Wir brauchen noch mehr davon.

 

Interview im „Handelsblatt“ mit Katty Kay: http://www.handelsblatt.com/politik/international/bbc-moderatorin-katty-kay-ein-truegerisches-gefuehl-der-sicherheit/20363002.html

 

 

 

 

 

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*