Lassen Sie doch Denker in Ruhe arbeiten, appelliert Medienwissenschaftler Norbert Bolz

Teamarbeit im Büro – Innovationstreiber oder überschätztes Mittel? Unternehmen setzen immer wieder auf Teamarbeit – auch in der Ideenfindung. Doch wie kreativ können Gruppen sein, fragt Medienwissenschaftler Norbert Bolz, Professor an der TU Berlin? Oder sind Einsamkeit und Ruhe unabdingbar? Der Wissenschaftler meint: Teamarbeit hemmt Innovation (Gastbeitrag*)

 

Norbert Bolz (Foto: Presse), Professor an der TU Berlin für Medienwissenschaften

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
Dass Teams gut darin sind, neue Ideen zu generieren, ist ein Irrglaube
Gruppen können Ideen verbessern, doch auf sie kommen, das tun Einzelne
Erfolgreiche Unternehmen lassen ihre Denker deshalb in Ruhe arbeiten

 

Teams eignen sich nicht zur Ideen-Findung

Unternehmen setzen auf Teamarbeit. Möglichst diverse Menschen kommen zusammen, um sich gegenseitig auf neue Ideen zu bringen. Und schließlich das Unternehmen selbst mit Innovationen zu versorgen. Dabei gibt es nichts, das Kreativität mehr hemmen könnte, als Gruppenarbeit und Interaktion. Natürlich hat das Arbeiten in Gruppen Vorteile: Sie sind hervorragend darin, wenn es darum geht, Kritik zu üben und Schwächen zu finden. Sie können also befördernd darauf wirken, eine Idee weiterzuentwickeln. Aber auf eine Idee zu kommen, dafür eignen sich Teams nicht.

 

Brainstorming kann allenfalls anregen, aber nie Ideen aufbauen

Teams setzen gut um, mit Kreativität hat das wenig zu tun. Historisch ist mir kein Vorgang bekannt. Und auch wenn man die Denker, Literaten und Erfinder der Jetztzeit und der Vergangenheit betrachtet, so sind Ideen doch immer nur in einzelnen Köpfen entsprungen. Natürlich gibt es Forschungsarbeiten, die kollektiv in Laboren durchgeführt werden. Doch hier ist die Suchfrage bereits geklärt und streng vorgegeben. Mit Kreativität hat das sehr wenig zu tun. Und auch das immer wieder eingesetzte Brainstorming verspricht viel mehr, als es leisten kann. Zwar hat die Methode einen gewissen Wettbewerbscharakter, was anregend wirken kann. Doch kommt es nie zu einem Aufbau einer Idee. Es sind immer einzelne Personen, die sich am Ende durchsetzen, nicht die Ideen.

 

Mich persönlich stört die Anwesenheit von Meinesgleichen bei der täglichen Arbeit

Ich selbst mache immer wieder die Erfahrung, dass mich die Anwesenheit von Meinesgleichen bei meiner täglichen Arbeit in der Forschung stört. Es ist wie der obligatorische Blick über die Schultern, den man noch aus Kindheitszeiten von Eltern oder auch Lehrern gewohnt ist. Ausnahmen bestätigen selbstredend die Regel – meine Ausnahme bildete einmal ein Streit, in dem neue Gedanken aufkamen. Es ist jedoch nicht der Fall, dass ich von dem, was andere sagen, profitiere. Im Gegenteil: Ich werde von anderen eher blockiert.

 

Ruhe befördert den Erfindergeist
Nun fragt man sich, was sind die besten Gegebenheiten für Ideen? Wie kann man Kreativität fördern? Meiner Ansicht nach kann man Kreativität gar nicht fördern. Man kann nur darauf achten, sie nicht unmöglich zu machen. Ein guter Garant ist Einsamkeit. Interaktion hemmt den Erfindergeist. Ruhe dagegen befördert ihn. Dabei ist die Definition von Ruhe individuell. Kollegen von mir schließen gern ihre Bürotür und schotten sich ab. Auf andere wirkt das Rauschen des Verkehrs stimulierend. Ich selbst finde meine sogenannten idealen Empfindungsbedingungen zu Hause bei meiner Familie.

 

Wer Ideen fördern will, sichert sich brillante Köpfe – und lässt sie in Ruhe

Nichts ist seltener als Ideen. Das Beste, was man tun kann, um Ideen zu fördern, ist sich brillante Köpfe zu sichern und diese in Ruhe zu lassen. Lasst ihnen freie Hand. Lasst sie tun, was sie tun wollen. Erkannt haben das bereits Unternehmen wie Sony und Bosch. Sony lädt zum Beispiel 14- bis 18-jährige Game-Nerds ein und lässt sie ihre Lieblingsspiele nach ihrem Belieben umprogrammieren. Die Versionen, die ihnen zum Schluss am Besten gefallen, gehen in den Verkauf.

Bosch würfelt in seinem Lab, das aussieht, wie eine Werkstatt, Personen mit verschiedenen Expertisen zusammen und gibt ihnen die Freiräume, alleine zu arbeiten sowie sich in verschiedenen Teams zusammenzufinden.

Natürlich erfordert dieses Vorgehen Mut – von Unternehmen wie auch von Mitarbeitern. Doch welche Innovationen der Geschichte erforderten keinen Mut?

 

*Zuerst veröffentlicht bei Xing

 

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