WirtschaftsWoche-Top-Kanzleien Arbeitsrecht
– erschienen in WirtschaftsWoche 7/2017
Auf nimmer Wiedersehen: Arbeitsrechtler-Ranking: Dank immer neuer Gesetze benötigen Unternehmen Arbeitsrechtler mehr denn je. Die WirtschaftsWoche zeigt die renommiertesten Köpfe.
Ein Klient fordert seine Wirtschaftsprüfer (WP) auf, ein Angebot für einen neuen Prüfungsauftrag abzugeben – ein normaler Vorgang. Nicht normal aber, was als Angebot dann beim Unternehmen herein flatterte: Ein Angebot eines Konkurrenten, einer Prüfungsgesellschaft aus Süddeutschland, die der Unternehmenschef gar nicht gefragt hatte. Nur durch diesen Zufall kam heraus, was da eine ganze Truppe einer der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gerade trieb, nämlich heimlich einen großen Teamwechsel vorzubereiten.
Einer der Köpfe des untreuen Teams hatte die Aufforderung für das neue Angebot aufgehalten und schnurstracks an die neue berufliche Heimat geschickt. Und nicht nur das: Die Abtrünnigen hatten auch Kundenlisten und Betriebsgeheimnisse über den dienstlichen Mail-Account herausgeschleust – vor allem Gehaltslisten. Damit konnte der neue Arbeitgeber schon mal gezielt Abwerbeangebote an weitere Kollegen machen.
Doch der vermeintliche Coup flog auf. Kurz darauf traf sich ein großes Aufgebot an Anwälten mit der Maßgabe, den brisanten und peinlichen Fall unter der Decke zu halten. Am Ende der Verhandlungen musste die abwerbende WP-Gesellschaft 700 000 Euro Schadenersatz berappen für mitgenommene Kunden, verlorenen Umsatz und Anwaltskosten. „Solche Fälle nehmen zu, die Wechselbereitschaft ist insgesamt gestiegen“, beobachtet Arbeitsrechtler Michael Kliemt. Er ist Gründer von Kliemt & Vollstaedt, einer der renommiertesten Spezialkanzleien mit rund 60 Anwälten, die sich unter den Top-27 im WirtschaftsWoche-Top-Kanzleien-Ranking befindet.

Michael Kliemt von Kliemt & Vollstädt
Für das Ranking hat das Handelsblatt Research Institute (HRI) im ersten Schritt mehr als 500 Arbeitsrecht-Experten identifiziert, denen im zweiten Schritt alle Arbeitsrecht-Anwälte zur Bewertung vorgelegt wurden. Eigenbewertungen waren ausgeschlossen. Die Rücklaufquote betrug am Ende stolze 42 Prozent.
Die daraus entstandene Liste von 38 Kanzleien begutachteten wiederum die Jury mit Unternehmens-Chefjuristen Martin Schlag von Thyssenkrupp, Alexander Werner von Merck Group und Alexander Zumkeller von ABB. Für die wissenschaftliche Seite votierten als Juror Achim Schunder, Leiter Zeitschriften des Verlags C.H.Beck, und für die Verbände-Seite Silvio Fricke vom Bundesverband der Arbeitsrechtler in Unternehmen sowie Ulrich Goldschmidt vom Berufsverband Die Führungskräfte. Das Ergebnis: 27 Kanzleien mit 45 hervorgehobenen Experten gelang die Aufnahme im Arbeitsrechtler-Ranking der WirtschaftsWoche.
Arbeitsrechtler führen kein Nischendasein mehr. „Der Beratungsbedarf ist extrem gestiegen“, sagt Stefan Röhrborn, Partner bei Vangard. Compliance, Scheinselbständigkeit, Lohngleichheitsgesetz, Arbeitsstättenschutzverordnung, Regulierung der Leiharbeit, Frauenförderung, Rückkehr in Vollzeit sind nur einige der Themen, die Unternehmen aktuell viel Detail-Arbeit bescheren und für die sie Juristen-Hilfe brauchen.

Stefan Röhrborn von Vangard
Zudem: Schon seit gut 15 Jahren bescheren die nie enden wollenden Restrukturierungswellen der Unternehmen mit immer neuen Entlassungsrunden wie zuletzt bei der Commerzbank Arbeitsrechtlern viel Arbeit mit Sozialplänen und Abfindungsverhandlungen. Ebenso wie Firmenübernahmen, die im vergangenen Jahr einen neuen Höhepunkt erreichten.
Partner für 700 Euro pro Stunde
300 bis 700 Euro kosten Partner renommierter Adressen an Stundenhonorar. Angestellte Anwälte – je nach Erfahrung – 200 bis 400 Euro die Stunde. Der Faustregel: Law Firms schreiben höhere Rechnungen als Spezialistenkanzleien und sie verlegen sich immer mehr auf das Geschäft mit Transaktionen und insbesondere auf die Schnittstellen zu Steuerrecht oder Datenschutzrecht.
„War Datenschutz früher nur etwas für abgedrehte Spinner, so ist es heute ein großes Thema“, sagt Kliemt. Ein großes Thema, weil zu viel auf dem Spiel steht, seit der Gesetzgeber ernst macht: Firmen drohen bei Mängeln erhebliche Strafenzahlungen und Manager haben sogar strafrechtliche Risiken – von Reputationsschäden der Unternehmen ganz zu schweigen.
Lukrativ sind für Kanzleien auch hoch dotierte Managerverträge bis hin zum Dax-Vorstandsvertrag. Die haben im Durchschnitt 15 bis 30 Seiten, aber vor allem deren Anlagen mit Aktienoptionen, Altersversorgung, nachvertraglichen Wettbewerbsverboten und Vertragsstrafen füllen schnell einen ganzen Aktenordner, erzählt Stefan Seitz von Seitz Partner aus Köln, eine von vier Kanzleien, mit dem die Leverkusener Bayer als sogenannte Panel-Kanzlei bevorzugt zusammen arbeitet.

Stefan Seitz von Seitz Partner
Insbesondere Top-Manager von Aktiengesellschaften rücken mit ihren hoch kompliziert gestrickten Bezügen immer stärker ins Licht der Öffentlichkeit: Aufsehen erregte zuletzt die Deutsche Bank als sie ankündigte, von elf Ex-Vorstandschefs – darunter Josef Ackermann, Jürgen Fitschen und Anshu Jain – einen gut zweistelligen Millionenbetrag zurück zu verlangen.
„Schon seit der Bankenkrise nehmen diese Claw-Back-Klauseln zu, insbesondere seit die IKB-Bank unter den Rettungsschirm schlüpfte“, so Stefan Röhrborn von der Spezialkanzlei Vangard. Damals musste die Bank trotz ihrer Schieflage hohe Boni an die Vorstände zahlen, weil diese ihre persönlichen Ziele dennoch erreicht hatten. Weil das aber der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln war, kam es zu einem entsprechenden Gesetz wie der Institutsvergütungsverordnung für die Finanzbranche, das solche Missstände nun verhindern soll.
Neue Rückforderungsklauseln
Inzwischen sorgen aber auch Unternehmen gegen Manager-Fehler vor – quer durch alle Branchen. „In mindestens jedem zweiten Vertrag für Unternehmen mit ihren Vorständen stehen heute Rückforderungsklauseln für gezahlte Boni“, beobachtet Röhrborn.
Claw-Back-Klauseln kommen aus den USA und machen Managern Sorgen. Riskieren sie doch, ihre Boni der Firma zurückzahlen zu müssen, wenn zum Beispiel der Gewinn des Unternehmens unter Vorjahresniveau liegt, das Unternehmen in Schieflage gerät oder andere Kennzahlen nicht erreicht werden. Selbst wenn der Vorstand seine persönlichen Ziele geschafft, die Boni schon kassiert und auch schon versteuert hat. Bei Gratifikationen sind solche vertraglichen Rückzahlungspflichten erlaubt, beim Fixgehalt dagegen nicht. Röhrborn: „Am gehobenen Vorstandsstammtisch findet man das Thema nicht lustig.“ Denn in manchen Verträgen beträgt das Grundgehalt 600 000, aber die Boni bis zu zehn Millionen Euro.
Die Folge war bislang landauf landab: Manager sparten Kosten ein, was das Zeug hält – egal mit welchen Langzeitschäden fürs Unternehmen. Das kommt davon, wenn es zum Beispiel im Vertrag heißt „Boni für Personalreduktion“ statt „Boni für Personalreduktion nur bei vollständiger Aufrechterhaltung des Betriebs“.
Dumm nur, wenn entlassene Mitarbeiter später zurück geholt werden müssen, weil es ohne sie und ihr Know-how doch nicht ging. Und das passiert öfter, sagt Röhrborn. Denn die Unternehmensberater gehen nur nach den Gehaltslisten vor, die Arbeitsrechtler müssen dann bei den Leuten ansetzen, wo die Berater zuvor die Kreuzchen malen – nämlich bei den höchsten Gehältern. Egal wie viel Know-how dem Unternehmen auf Nimmerwiedersehen verloren geht.
Die Top-Kanzleien für Arbeitsrecht
Von AGS Legal bis Vangard | |||||||
AGS Legal | Oliver Zöll | ||||||
Allen & Overy | Thomas Ubber. Tobias Neufeld | ||||||
Altenburg | Anja Mengel. Stephan Altenburg | ||||||
Baker McKenzie | Burkard Göpfert | ||||||
Beiten Burkhardt | Katja Hinz. Wolfgang Lipinski | ||||||
CMS Hasche Sigle | Björn Gaul. Alexander Bissels. Gerlind Wisskirchen | ||||||
Fischer Rechtsanwälte | Burkhard Fischer | ||||||
Freshfields Bruckhaus Deringer | Klaus-Stefan Hohenstatt. Thomas Müller-Bonanni | ||||||
FringsPartners | Arno Frings | ||||||
Gleiss Lutz | Martin Diller. Christan Arnold. Steffen Krieger. Ulrich Baeck | ||||||
Gragert Stamer | Katrin Stamer | ||||||
Greenfort | Mark Lembke | ||||||
Heuking Kühn Lüer Wojtek | Bernd Weller | ||||||
Kliemt & Vollstädt | Michael Kliemt. Barbara Reinhard. Christoph Crisolli | ||||||
Küttner Rechtsanwälte | Tim Wißmann. Thomas Niklas | ||||||
Linklaters | Georg Annuß | ||||||
Naegele | Sebastian Frahm | ||||||
Noerr | Hans-Christoph Schimmelpfennig | ||||||
Pusch Wahlig | Jochen Keilich. Tobias Pusch | ||||||
Raue | Gernod Meinel | ||||||
Schramm Meyer Kuhnke | Nils Schramm | ||||||
Schweibert Leßmann & Partner | Ulrike Schweibert | ||||||
Seitz Partner | Stefan Seitz | ||||||
Staudacher | Peter Staudacher | ||||||
Thür Werner Sontag | Franz Thür | ||||||
T/S/C | Susanne Clemenz. Johannes Schipp | ||||||
Vangard | Sebastian Maiß. Frauke Biester-Junker. Stefan Röhrborn. Peter Hützen. Alexander Bartz | ||||||
Quelle:
WirtschaftsWoche 2017 |
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