Ein Teller Rindersteak-Onglet mit Jürgen Ehrlichmann: „Darf ich vorstellen, unsere Geschirrspülmaschine.“

Alle Geschirrspülmaschinen beißen Männer

 

„Meine Geschirrspülmaschine beißt Männer – die stellen ihr benutztes Geschirr immer nur oben drauf“, hatte ich vor zwei Jahren im Juli morgens früh kurz vor neun getwittert. Nur wenige Minuten später kam Jürgen Ehrlichmanns Antwort: „Alle Geschirrspülmaschinen beißen alle Männer überall auf der Welt!“

Ich amüsierte mich wie Bolle und habe den Tweet des Kölner Anwalts – er ist Immobilienrechtler bei Osborne Clarke und betreut Mandanten wie Rewe oder die Deutsche Bank – oft zitiert. Der Tweet nötigte mir Respekt ab. Wer hat schon den Sensus für so eine – zugegebenermaßen – vermeintlich abseitige Alltagsbeobachtung? Wenn 136.000 Mails warten und Top-Anwälte doch lieber die Welt retten, oder wenigstens ihren Mandanten, statt sich mit den Banalitäten des Alltags zu befassen.

 

Jürgen Ehrlichmann

Jürgen Ehrlichmann von Osborne Clarke

Auch wenn die gar nicht so banal sind, wie es scheint und ganze Weltanschauungen dahinter stecken. Ehrlichmann jedenfalls, so erzählt er mir beim Lunch im „Basils“ in Düsseldorf, beginnt den Kanzlei-Rundgang mit jedem Neuankömmling in seinem Team an der Geschirrspülmaschine in der Teeküche. Ausgerechnet. „Darf ich vorstellen, das ist unsere Geschirrspülmaschine“, sagt er dann. Und macht auch gleich klar, dass jeder seine Tassen hier selbst einräumen muss. Egal wer, jeder.

Danach geht´s durch jedes Büro zum Bekannt-Machen, Vorstellen, Namen-Lernen. Allein, dass Ehrlichmann mit jedem Jungjuristen und allen anderen neuen Mitarbeitern so einen Rundgang durch jedes der 20 Büros auf seiner Etage der Kanzlei Osborne Clarke an der Inneren Kanalstraße in Köln, nahe dem Fernsehturm und der A57 macht, zeigt: Es ist dem Mann ernst mit dem Kampf um den Respekt vor anderen Menschen.

 

„Guten Tag“ und „Auf Widersehen“ ist Pflicht

Denn dann folgt die Spielregel: Jeder Bewohner muss in jedem Büro „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“ sagen. Jeden Tag. Da ist er eisern. Einen jungen Kollegen, der auffiel, weil er grußlos kam und ging, den griff sich Ehrlichmann. Doch es gab keine Moralpredigt. Stattdessen führte er ihn einfach ein zweites Mal durch jedes einzelne Büro und stellte ihn noch einmal allen – und auch alle anderen ihm – noch ein zweites Mal vor. Gegenwehr zwecklos, der Befehl lautete „Mitkommen“.

Monate später stellte sich heraus, dass der junge Mann tatsächlich nur zu schüchtern gewesen war, um die neuen Kollegen zu begrüßen. Aber das legte sich und er wurde einer der beliebtesten Anwälte, erinnert sich Ehrlichmann. Ohnehin habe seine Etage den Ruf, das beste Klima bei der internationalen Law Firm Osborne Clarke zu haben, erzählt er stolz.

Warum das alles Ehrlichmann so wichtig ist: Wie sieht das denn aus, wenn die Kollegen Anrufern nicht einmal beantworten können, ob ein anderer Teamkollege anwesend ist? fragt er. Das Betriebsklima ist ihm heilig, weil man so oder so unendlich viele Stunden im selben Büro verbringt. Und dann doch lieber mit gutem Ton und respektvollem Umgang. Diese Maxime täte vielen Unternehmen gut.

 

Einmal im Monat im geschützten Raum ganz offen kritisieren

Damit die Angestellten – auch die Anwälte – auch kritisieren können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, hat Ehrlichmann eine monatliche Quatschrunde eingeführt. Die eiserne Regel: Kein Wort verlässt den Raum. Jeder darf über alles meckern und sich Luft machen. „Auch ich bekomme dann Prügel“, erzählt er freimütig. Am Ende wird festgelegt, ob und was passiert.

Dabei kann auch Ehrlichmann durchaus konfrontativ werden: Einem jungen Juristen, der in Jeans und T-Shirt kam, erteilte er eine ganz eine Lektion. Er zog sein Oberhemd aus und sagte: „Ich zeig Ihnen etwas, ich habe auch ein T-Shirt“. Und sagte ihm, dass er ihn nie wieder in T-Shirt und Jeans sehen wolle. Die Frauen dagegen in ihren gut sitzenden Kleidern und Pumps in der richtigen Höhe, die imponieren ihm, denn die signalisieren, dass sie es ernst meinen. Berufliche Befindlichkeiten kann man Ehrlichmann selbst übrigens an seiner Kleidung ablesen, erzählt er. Trägt er eine rote Krawatte, ist er auf dem Kriegspfad.  Trägt er viel rot, ist er schon als Sieger aus einer Schlacht hervor gegangen.

 

Kanzlei-Backwettbewerb: Der Erdbeerkuchen liegt ganz vorne

Ehrlichmanns letzter Coup: Ein Backwettbewerb, der dem Team einmal die Woche Kuchen beschert. In der ersten Runde backen jeweils zwei Kollegen gegeneinander und die anderen stimmen ab, welcher Kuchen der bessere war. Insgesamt sind es 34 Leute auf der Etage und jeder muss mal einen Kuchen backen.

Der Favorit ist bisher ein Erdbeerkuchen mit Bisquit und Profiterolle-Füllung, der war am leckersten und sah auch optisch am besten aus, schwärmt er. Was Ehrlichmann gebacken hat? Einen Rührteig-Kuchen mit frischen Himbeeren und Zitronen-Zuckerguss. Danach backen die Sieger der ersten Runde gegeneinander. Bis Weihnachten ist für Kuchen gesorgt. Danach wird vermutlich die nächste Etage herausgefordert.

Die Menschen sollen sich miteinander unterhalten, wünscht sich der Rheinländer. Es koste die Kanzlei 20 Minuten, wenn die Kollegen einmal in der Woche zusammen Kuchen essen. Aber das dient der Stimmung und gibt allen ein gutes Gefühl, so Feinschmecker Ehrlichmann.

basils-onglet

Überhaupt ist ihm Essen wichtig. Im „Basils“ beginnt er sofort zu schwärmen von seinem letzten Wochenende in Straßburg, der guten Küche in Frankreich. Oder dem Sommerurlaub mit seinen Kindern, als er mit ihnen auf Eseln durch die Sevennen geritten ist. Zielstrebig hat sich Ehrlichmann hier – er ist in Meerbusch-Lank aufgewachsen -, ein Rindersteak Onglet mit Rosmarinkartoffeln und Gemüse bestellt. Das Rindfleisch mit dem französischen Schnitt, das man in Deutschland nur so selten bekommt. Vor lauter Erzählen verpasse ich den Moment, seinen Teller zu fotografieren, so lange er noch unberührt ist und hübsch anzusehen.

 

Es wird zu wenig nachgedacht

„Es ist eine Unsitte heute, zu wenig nachzudenken“, moniert er. Verursacht es denn Abrechnungsprobleme mit den Mandanten, wenn man die Zeit, in der er über einen Fall nachdenkt, auflistet und abrechnet? „Nein, die Mandanten haben ein feines Gespür dafür, wer sich einbringt“, sagt der Immobilienwirtschaftsrechtler. Und dann dürfe der Anwalt auch abrechnen. Es sei doch das wesentliche Ziel, nachzudenken, wie man dahin kommt. Nur dass sich die Leute heute nicht die Zeit nehmen, findet er.

 

Zwei Arten von Junganwälten

Bei den Junganwälten gebe es zwei Arten: die Unstrukturierten, Fantasievollen, die prädestiniert seien, Prozessanwälte zu werden. Und die Langweiligen, Strukturierten, aus denen gute Vertragsanwälte werden. Die Prozessanwälte verkaufen dem Richter die Geschichte, die haben einen Film vor Augen und lassen ihn ablaufen. Die Kunst bestehe dann darin, dass der Richter ihm seine Geschichte glaubt. Und nur seine.

 

 

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