Sammeln sich Ratten oder leiden Mitarbeiter gemeinsam und still?

Viele Angestellte haben eine schwache Position oder sehen sich so – tyrannische Chefs fliegen dann erst sehr spät auf.

„Es gibt gute und schlechte Plätze zum Arbeiten“, sagt meine Freundin Juliana immer. Und dass man die schlechten eben verlassen müsse, so einfach sei das.

Sicher, allzu oft ist eben genau das Verlassen nicht so einfach: wenn jemand schon über 40 Jahre alt ist und wegen des Alterdiskriminierungswahns der allermeisten Unternehmen nicht mal in die Endrunde eines Auswahlverfahrens kommt. Oder weil man eben nicht von heute auf morgen in einer anderen Stadt anfangen kann. Oder weil man in einer Krisenbranche arbeitet, wo konkrete Stellenangebote praktisch sowieso nicht vorkommen. Oder. Oder. Oder.

 

Ein Stammtisch der Geschädigten

Wie mies manchmal Chefs ihre Leute behandeln, jahrelang und von der Öffentlichkeit oder im eigenen Unternehmen sogar unentdeckt, ist erstaunlich: Zum Beispiel: Mehrere Ex-Mitarbeiter der Politikerin Petra Hinz, Bundestagsabgeordneten, brauchten deshalb eine Psychotherapie, schrieb „Zeit.de“:

„Dort gab sich noch eine weitere Petra Hinz zu erkennen, die herrische Chefin. Es konnte passieren, dass sich ihre Mitarbeiter, wollten sie zur Toilette, bei Hinz ab- und danach wieder anmelden mussten. Von Telefonaten musste für sie oft ein Wortlaut-Protokoll angefertigt und ihr vorgelegt werden. An einen „Gulag“ erinnern sich ehemalige Mitarbeiter aus dem Büro Petra Hinz. Überdurchschnittlich viele Mitarbeiter soll Hinz in ihrer Zeit als Abgeordnete verschlissen haben. Einige von ihnen gingen danach zur Psychotherapie, andere treffen sich noch heute an einem Stammtisch der Geschädigten. Aus diesen Reihen wurde Ende Juni, kurz bevor Hinz’ Hochstapelei aufflog, ein offener Brief lanciert, der alle Beschwerden präzise auflistete. Die Führung der SPD-Fraktion schlug Hinz daraufhin vor, ein Seminar zum Thema Mitarbeiterführung zu besuchen.“

http://www.zeit.de/2016/32/petra-hinz-spd-essen-jusos

 

So weit, so übel. Wer Mitarbeiter hat, hat ihnen gegenüber auch Fürsorgepflichten qua Gesetz. Das wissen die meisten aber nicht einmal, ihr eigenes Unternehmen hat es ihnen nicht gesagt und sie erfüllen ihre Pflichten demzufolge auch nicht. Erstens.

Zweitens muss ein Vorgesetzter – aus Gründen des Vorbilds und weil er als Vorgesetzter den verlängerten Arm der Unternehmensleitung darstellt- Erziehung und gute Kinderstube an den Tag legen, anderen Menschen mit Respekt begegnen undsoweiter.

 

Benimmkurs statt Coaching

Wäre es daher nicht cleverer, so herrischen Chefs kein Coaching zu empfehlen, sondern erst einmal das Basiswissen zu verordnen: einen Benimmkurs. Damit sie lernen, „Danke“ und „Bitte“ zu sagen, auf dem Gang immer zu grüßen und derlei mehr. Damit sie kapieren, dass sie am ersten Arbeitstag nach dem Urlaub fragen müssen, wie es denn so war. Damit sie lernen, am letzten Arbeitstag „schöne Ferien“ zu wünschen, kranken Mitarbeiter umgehend „Gute Besserung“ zu sagen undsoweiter. Eine Frendin in einem Konzern, der durchaus keinen schlechten Ruf hat, muss sich als 50-jährige von Ihrem Chef ins Gesicht sagen lassen: „Sie interessieren mich nicht“ oder „Sie sehen aus wie das Leiden Christi“, aber verächtlich, nicht mitleidig. So, wie die anderen Ü50 in der Abteilung auch behandelt werden. Wetten, dass die Vorgesetzten dieses Chefs davon nichts wissen?

Und selbst wenn, was soll so ein Mensch mit einem Coaching, wenn er die Mindestregeln des Anstands nicht drauf hat? Das wäre wie Eingeschult-Werden in der Quarta statt in der ersten Klasse. Dann fehlt das Kleine und Große 1×1 total.

 

Oder sind die gequälte Mitarbeiter einfach Ratten? Manche Entscheider sie so. 

Doch was mich echt überrascht hat, war dann die so sehr unterschiedliche Lesart desselben Falls sein kann: Die Sicht auf Petra Hinz von dem Manager, den ich vor ein paar Tagen zum Hintergrundgespräch traf, ging so:

„Diese Ratten! Da haben sich die Mitarbeiter versammelt und gewartet, bis sie umso wirkungsvoller zuschlagen konnten: Diese Leute hätten doch längst aufbegehren können,“ empörte er sich. Hinz´ Umgangsformen und Führungsmethoden waren für ihn gar kein Thema. Aber die Reaktion der Tyrannisierten, die war ekelhaft.

Ob die Gequälten nämlich im konkreten Fall wirklich die Position hatten, sich zu wehren oder ob sie vielleicht wirtschaftliche Zwänge oder gar Existenzängste hatten, war für ihn einfach keine Option. Das kam in seinem Weltbild einfach nicht vor.

Kein Wunder, wenn man selbst seit vielen Jahren nicht mehr gemaßregelt wird und vergessen hat, wie sich so was anfühlt.

 

Nur die ganz drastischen Fälle werden irgendwann ruchbar oder öffentlich

Dass nur die allerhärtesten Arbeitsplätze irgendwann in der Presse landen, ist klar. Normalerweise liest man tatsächlich meist nur nach dem Abgang von Managern, dass sie „cholerisch“ waren – aber nie Details.

So wie hier beim amerikanischen Hedgefonds Bridgewater, der laut „Süddeutscher Zeitung“ anscheinend „ein finsteres Reich aus `Sex, Angst, Einschüchterung und Videoüberwachung´“ sei: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bridgewater-reich-der-finsternis-1.3096734

 

 

K%c3%b6nige%20der%20Blogosph%c3%a4re

 

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