Managerhaftung: Ex-IVG-Vorstände brauchen keinen Schadenersatz zahlen – Urteil

Managerhaftungsklagen kommen nur sehr selten vor die Gerichte, weil keiner der Beteiligten die Öffentlichkeit dabei haben will: weder das geschädigte Unternehmen, das um sein Image bangt, noch die Manager, die um ihre weitere Karriere fürchten, noch die D&O-Versicherer. Denn die wollen keine Präzedenzfälle schaffen, auf die sich andere Geschädigte in anderen Fällen später gegen sie berufen können.

Doch ein Fall landete jetzt doch mal vor dem Gericht, der sich schon 2007 ereignet hatte – was in diesen Fällen aber normal ist, dass es so lange dauert: Kläger war der Immobilienkonzern IVG und zwar gegen seine früheren Vorstände, die sich jetzt freuen können: Sie haben nicht gegen ihre Pflicht verstossen, sich eine Genehmigung des Aufsichtsrats einzuholen, so das Fazit des Landgerichts Bonn. Die IVG war später in die Schieflage gerutscht, es folgte ein Insolvenzplanverfahren und die Entschuldung.

Möglicherweise geht der Fall weiter und in die Berufung. Insider meinen, ein Prozessfinanzierer ist mit im Boot der IVG, so dass es auch auf den ankommt. Zunächst mal haben die angeklagten Ex-Vorstände jedoch einen „Freispruch erster Klasse errungen“ meint Anwalt Jochen Berninghaus.

Anwalt Jochen Berninghaus (Foto: Guido Leifhelm)

Anwalt Jochen Berninghaus (Foto: Guido Leifhelm)

 

Die vier Ex-Vorstände des Bonner Immobilienkonzerns IVG, Bernd Kottmann, Andreas Barth, Wolfhard Leichnitz und Georg Reul,  brauchen ihrem früheren Arbeitgeber keine 13,5 Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Auf diese Summe waren die Manager verklagt worden und zwar gesamtschuldnerisch. Das heisst: Jeder einzelne von ihnen haftet für die ganze Summe – selbst wenn die Fehlentscheidung nicht mal in seinem Zuständigkeitsbereich geschehen ist, erläutert Jochen Berninghaus, Anwalt der Kanzlei Spieker & Jaeger aus Dortmund. Er hat den Ex-IVG-Manager Bernd Kottmann – den früheren Finanzvorstand – siegreich vertreten.

Die Schriftsätze, die beide Parteien dem Gericht eingereicht haben, waren oft  bis zu 100 Seiten dick. Die Gerichtsakte dürfte inklusive der Anlagen rund 2.000 Seiten umfassen. erinnert sich Anwalt Berninghaus.

 

Der Kernvorwurf gegen die Manager: Durfte der Ex-Vorstand die Strategie ändern und hätte er sie sich vom Aufsichtsrat nochmal genehmigen lassen müssen?

Er erklärt, worum es genau ging: Der Kauf des Gherkin-Towers – dem Londoner Hochhaus – war vom Aufsichtsrat genehmigt worden. Allerdings hatte der Vorstand später die Struktur der Finanzierung geändert.

Die IVG wollte die Immobilie wegen des hohen Preises – es ging immerhin um rund 945 Millionen Euro Gesamtinvestition – nicht als eigene Immobilie für ihren Bestand erwerben. Vielmehr sollte eine eigene Projektgesellschaft gegründet werden, die Eigentümerin der Immobilie werden sollte. An dieser Gesellschaft sollten beteiligt sein

– ein von der IVG ausgelegter Fonds mit 60 Prozent, dessen Anteile bei privaten Investoren platziert werden sollten,

– ein Joint-Venture-Partner mit etwa 40 Prozent.

An diesem Joint-Venture-Partner sollte die IVG ursprünglich selbst beteiligt sein. Dieses Konzept hatte der Aufsichtsrat in vollem Umfang genehmigt.
Bei der Umsetzung hat der Vorstand dann die Finanzierungs-Struktur in der Weise geändert, dass die IVG

– nicht als Gesellschafterin an dem Joint-Venture-Partner beteiligt war, sondern diesem Joint-Venture-Partner ein langfristiges Darlehen gewährte und

– der Betrag, der an den Joint-Venture-Partner zur Verfügung gestellt wurde, um sieben Millionen britische Pfund erhöht wurde.

Diese Änderung der Finanzierungsstruktur hatten die Ex-Vorstände aber nicht noch einmal förmlich dem Aufsichtsrat vorgelegt. Denn: eine erneute Vorlage des Projektes wegen der Änderung der Finanzierungsstruktur sei unnötig gewesen, weil die hierfür nach dem internen Kompetenzsystem erforderliche Wesentlichkeitsgrenze nicht überschritten war. Und: Es habe sachlich gute Gründe für die Änderung der Finanzierungsstruktur gegeben. Im übrigen  sei der Aufsichtsrat über die Änderung durchaus informiert gewesen – nur ohne dass es einen förmlichen Beschluss gegeben habe, so Berninghaus.

 

Die Begründung der Bonner Richter:

  1. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft muss aber auch nur dann die erneute Zustimmung des Aufsichtsrats einholen muss, wenn er nachträglich, also nach der ursprünglichen Genehmigung des Aufsichtsrates, noch erhebliche inhaltliche Veränderungen im Vergleich zu dem Aufsichtsratsbeschluss vornimmt. Und
  2. die von den Ex-Vorständen durchgeführte Veränderung (Darlehen statt Beteiligung und Erhöhung der Summe um sieben Millionen britische Pfund) keine erhebliche Veränderung im Vergleich zu der Aufsichtsratsgenehmigung darstellt.

 

Die weitere Kernfrage: War überhaupt ein Schaden entstanden?

Durch die Finanzkrise kam es im Jahr 2009 vorübergehend zu einem Verfall der Werte für Büroimmobilien in London. Daneben entwickelte sich der Schweizer Franken im Vergleich zum Britischen Pfund so stark, dass das in der Währung des britischen Pfunds aufgenommene Darlehen nicht mehr von dem Wert der Immobilie gedeckt wurde. Deshalb hat das Bankenkonsortium die Kredite gekündigt und die Immobilie unter Zwangsverwaltung gestellt.

Nachdem sich die Immobilienwerte in London anschließend deutlich wieder erholt hatten, wurde der Gherkin-Tower zu einem Preis verkauft, der über dem Kaufpreis der IVG lag.

Die an dem Immobilienprojekt beteiligten Partner, insbesondere der von der IVG angelegte Fonds und der Joint-Venture-Partner Evans Randall haben dann im Herbst 2015 einen „Vertrag zur Überschussverteilung“ geschlossen. Die IVG vertrat die Auffassung, dass bei ihr gleichwohl ein Schaden verblieben sei, allerdings allein aus den Währungsverlusten.

 

Die Vorstände verteidigten sich demgegenüber so: Dieser Schaden sei keinesfalls mehr auf eine – angebliche – Pflichtverletzung von ihnen zurückzuführen, sondern auf eine fehlerhafte spätere Finanzierung und nicht vorhersehbare Währungsrisiken.

Letztlich hat sich das Bonner Landgericht dazu aber nicht mehr geäußert, weil es ja schon an einer Pflichtverletzung gefehlt habe. Ebensowenig gingen die Richter  auf mögliche Verjährungsfragen ein.

 

Die Aufsichtsräte waren damals:

– Aufsichtsratsvorsitzender Detlef Bierbaum
– Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender Peter Rieck
– Matthias Graf von Krockow
– Eckart John von Freyend
– Paul Marcuse
– Friedrich Merz

Und als Arbeitnehmervertreter:

– Franz-Xaver Baumgartner
– Rudolf Lutz
– Claus Schäffauer

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