WEF 2016: BBC-Moderatorin Tanya Bekett über Davos als Weichensteller und Männer-Event

Das Erlebnis Davos und was Sie darüber wissen sollten

Gastbeitrag von Tanya Beckett, Moderatorin „World Business Report“ auf BBC World News

 

BBC-Moderatorin Tanya Bekett

BBC-Moderatorin Tanya Bekett

Davos war für viele, die darüber in der Zeitung lesen, immer schon ein Mysterium. Für BBC World News war ich bestimmt schon ein Dutzend Mal dort und ganz ehrlich – für mich ist Davos auch immer noch ein kleines Mysterium.

 

Hinter den meisten hochkarätigen Gesprächen mit Premierministern und Top-Managern steckt eine strikte Agenda für Verträge und Übereinkünfte, die getroffen werden müssen, aber das fast schon Schöne an Davos ist, dass das hier nicht der Fall ist.

 

Eigentlich ein sehr ungewöhnlicher Gedanke. Tausende wichtiger Leute verbringen ein paar Tage in einem Skiresort, wo die Straßen gefährlich vereist sind, und durchlaufen einen Security Check nach dem anderen, fast wie am Flughafen. Doch jedes Mal hat man den Eindruck, dass die Größen aus Politik und Wirtschaft gar nicht genug davon bekommen können, denn sie kommen immer wieder. Jedes Jahr im Januar wird der kleine Ort in den Alpen zum exklusiven Treffpunkt teuer gekleideter Geschäftsleute, die in Hubschraubern anreisen oder vom Chauffeur gebracht werden.

 

 

Davos – ein Männer-Event

Ich stelle immer wieder fest, dass Davos ein Event von Männern für Männer ist. Frauen sind entweder Begleitung oder weisen den Männern den Weg. In den zwanzig Jahren, die ich nun von dort berichte, ist die Frauenquote zwar gestiegen, liegt aber immer noch bei nur 18 Prozent. Tatsächlich ist das Forum ein Spiegel dessen, wie die Wirtschaftsspitze wirklich aussieht.

 

Aber worüber wird dort eigentlich den ganzen Tag geredet? Nun, zum einen gibt es eine Art Hauptthema, um die grauen Zellen in Gang zu bringen. Dieses Jahr lautet es „die vierte industrielle Revolution“. Es geht um eine Steigerung der Produktivität, hervorgebracht durch das Internet der Dinge; die Vorstellung, dass in Zukunft alles eine IP-Adresse haben wird, damit Firmen freie Wirtschaftskapazitäten ausmachen und nutzen können, insbesondere in den Bereichen Transport und Energie.

 

Die „vierte industrielle Revolution“

Als Moderatorin einer BBC-Wirtschaftssendung habe ich in den letzten zwei Jahren schon viel darüber gehört. Wie bald diese Revolution kommt und ob sie so bedeutsam sein wird wie die Erfindung der Dampfmaschine, weiß keiner. Aber ich schätze, das werden wir alle in Kürze herausfinden. In Davos wird zumindest klar, dass die Kluft zwischen gelernten und ungelernten Arbeitskräften durch die technologische Entwicklung noch größer werden wird. Vermutlich werde ich mich nach dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum bei einer Reihe von Abendkursen anmelden müssen. Es gibt jedoch eine Sache, die man (noch) nicht lernen kann: Emotionale Intelligenz. Doch die wird für Arbeitgeber zunehmend wichtiger, weil sie etwas ist, was Roboter nicht erzeugen können. Wer jetzt einen Kurs dafür anbieten würde, könnte sich schnell eine richtig goldene Nase verdienen.

 

Neben dem Hauptthema wird es sicher noch viele andere hitzige Debatten über die großen Wirtschaftsthemen unserer Zeit geben: Der Nachfragerückgang nach Rohstoffen, die Sicherheit von Lebensmitteln, die  Zukunft Europas, Migration und die Flaute in China. Über aktuelle Themen wie das wirtschaftliche Comeback des Iran, die Bedrohung IS und natürlich über das Vermächtnis von David Bowie wird man auf Fluren und beim Mittagessen plaudern… naja, über letzteres vielleicht weniger, aber auf alle Fälle ist es wichtig, immer auf dem Laufenden zu sein und zu allem eine Meinung zu haben. Andernfalls  sollte man ganz schnell das Smartphone zücken und so tun, als hätte man etwas extrem Dringendes und Wichtiges zu erledigen, um sich so vor der Diskussion zu drücken.

 

Und das bringt mich zum letzten Punkt: Den Partys. Früher waren das rauschende Feste, doch seit wirtschaftliche Ungerechtigkeit und Umweltkatastrophen auch in Davos Einzug gehalten haben, ist die Stimmung etwas gedrückter. Heute geht es vor allem um Gespräche mit alten und neuen Kontakten. Ich habe mich in den vergangenen prächtig mit den unterschiedlichsten Menschen unterhalten, ob Popstars, Politiker, Autoren oder Unternehmer. Die bunte Vielfalt der Gäste wird mit jedem Jahr größer.

 

Davos als Weichensteller

Doch was soll dieses ganze intellektuelle Tun eigentlich bringen? Beim Weltwirtschaftsforum werden keine Friedensschlüsse oder bilaterale Handelsabkommen ausgehandelt. Davos ist ein Weichensteller. Ich komme danach immer völlig geschafft nach Hause, mit einer Flut an Gedanken, die ich niemals verarbeiten werden kann. Doch in der Summe haben mich die vielen Jahre Davos auf jeden Fall ein kleines bisschen schlauer gemacht.

 

Tanya Beckett berichtet für die Wirtschaftsnachrichtensendung World Business Report auf BBC World News vom World Economic Forum in Davos.

Ausstrahlungszeiten:

Donnerstag, den 21. Januar 7.30, 8.30, 9.45, 12.30, 16.30 20.20 Uhr CET.

Freitag, den 22. Januar um 7.30, 8.30, 9.45, 12.30, 17.30 Uhr CET

Die ehemalige Bankerin Tanya Beckett moderiert seit 15 Jahren für die BBC, unter anderem drei Jahre in New York. Sie hat Russland intensiv bereist und berichtete aus ganz Europa über die Krise in der Eurozone. Derzeit präsentiert sie Nachrichten und moderiert Wirtschaftssendungen auf BBC World News, dem internationalen Nachrichtensender der BBC.

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