Firmensprache Englisch: Kaskaden von Missverständnissen – Interview mit Claudia Schmidt von Mutaree

Claudia Schmidt von der Wiesbadener Umsetzungsberatung Mutaree entzaubert die Unternehmens-Illusion, mal eben auf Englisch als Firmensprache umzustellen:

 

Claudia Schmidt, Mutaree

Claudia Schmidt, Mutaree

 

„Wie bitte?“ statt „Alles klar“

 

Schmidt, Diversity und Internationalität scheinen neue Mantras neuer, guter Unternehmensführung zu sein. Wie gut läuft es denn, wenn deutsche Unternehmen beschließen, auf Firmensprache Englisch zu wechseln? 

Schmidt: In der Tat erlebe ich das oft als ziemlich verkrampfte Veranstaltung. Nehmen wir mal die Konferenzen und Meetings. Da sitzen 50 Manager zu teils hoch komplexen Change-Themen zusammen, die Kulturen, Prozesse und Strukturen oft deutlich verändern werden. Von den 50 Leuten sind zwei Briten oder Amerikaner, 15 sprechen sehr gutes Englisch, weil Sie vielleicht längere Auslandsaufenthalte hatten und der Rest staunt. Gerade bei komplexen Themen häufen sich dann Missverständnisse, Fragen werden gar nicht erst gestellt, weil man nach der richtigen Formulierung sucht und Antworten nicht en Detail verstanden, was gerade bei Veränderungsprozessen natürlich fatal ist. Letztlich wird die gesamte Diskussion völlig ohne Not unter dem möglichen und notwendigen intellektuellen Niveau geführt.

 

Inhalte wie Verbindlichkeit leiden also und das Niveau sinkt?

Kommunikation ist grundsätzlich kompliziert, gerade wenn es um Veränderungen geht, die anfangs immer von negativen Emotionen, Ängsten und Abwehrhaltungen begleitet werden. Zudem bedient eine fremde Sprache noch ein anderes Phänomen, nämlich das der selektiven Wahrnehmung. Die Menschen haben an Sitzungen oder Gesprächen teilgenommen und meinen am Ende, Klarheit für sich darüber zu haben:  was besprochen und wie entschieden wurde.

Zuweilen interpretiert man die Dinge auch noch bewusst oder unbewusst so, wie es für einen selbst am besten passt. Kommt nun noch die fremde Sprache hinzu, befördert und legitimiert sie das noch und sorgt für falsche Prämissen, Unsicherheiten und kognitive Dissonanzen in der Zielstellung folgender Maßnahmen.

Das ist fatale Kommunikation mit erheblichem Einfluss auf die Unternehmenskultur und Performance, kostet letztlich das Unternehmen viel Geld, weil Dinge umsonst oder doppelt und dreifach gemacht werden.

 

Also Kaskaden von Missverständnissen, die hausgemacht sind wegen der Idee, alles in Englisch abwickeln zu wollen?

Richtig. Kommt dann das Protokoll oder spricht man mit Kollegen darüber, merkt man, dass diese häufig eine ganz andere Auffassung haben und der Konflikt ist da. Von einem gemeinsamen Ziel kann man oft gar nicht mehr sprechen.

Das ist kein Einzelfall und in der Regel auch keine böse Absicht. Das passiert auch wenn man die neue Firmensprache beherrscht. Aber das potenziert sich, wenn in einer fremden Sprache konferiert wird.

Zumal: Eingeschränkte Sprachkompetenz – also bei jedem Nicht-Muttersprachler – führt beim Adressaten dazu, dass die Informationen, die ohnehin schon nicht optimal dargestellten werden, noch weniger verstanden werden können.

Und das Stellen von Nachfragen kostet die Menschen zusätzliche Überwindung. Denn einerseits können Nicht-Muttersprachler Fragen in einer fremden Sprache nicht ideal  ausdrücken. Und andererseits trauen sich viele Leute nicht, in großer Runde Fragen zu stellen – aus der Sorge, sich zu blamieren. Hinzukommt: Viele sind in diesen Zeiten der großen Veränderungen verunsichert und wollen nicht unnötig durch – womöglich selbst empfundenes – Unverständnis auffallen.

 

Und obwohl das so ist, versuchen sich viele deutsche Unternehmen darin Englisch zu ihrer Unternehmenssprache zu machen – erkennen sie die Schwierigkeiten nicht? Genügen ihnen nicht die Kommunikationsprobleme schon auf deutsch?

Die Unternehmen verwechseln einfach etwas: Es ist ja gar kein Zeichen von Internationalität, wenn alle sich mühen, perfekt in einer fremden Sprache zu sprechen. Sondern wenn man in der Lage ist, die Kommunikation verschiedener Muttersprachler so zu managen, dass man sich optimal versteht.

Das gilt insbesondere dann, wenn es darum geht, wichtige und richtungweisende Diskussionen zu führen. Wenn es beispielsweise darum geht, ein neues strategisches Zielbild zu beschreiben, Veränderungsnotwendigkeit und -dringlichkeit zu vermitteln, führt die Fremdsprache oder auch Zweitsprache häufig dazu, dass Inhalte sprachlich nur unzureichend beschrieben, nicht zielgruppenspezifisch formuliert und mit passenden Argumenten unterlegt werden können, von vermittelter Emotionalität ganz zu schweigen.

Und vor allem: Nur weil man die Sprache leidlich beherrscht, versteht man noch lange nicht die andere Kultur, andere Befindlichkeiten, Animosiäten und No-go´s. Geschweige denn Gespräche auf intellektuellerem Niveau mit Ironie und riesigem Wortschatz. Dann scheitern Projekte – aber nicht an der Sprache Englisch. 

 

Trotz dieser Erfahrungen bleibt das Hauptargument in Unternehmen häufig, dass man die Internationalisierung vorantreiben muss.

Ist es das Ziel eine gemeinschaftliche Sprache zu entwickeln, muss ich in Qualifizierung investieren, tagtäglich ausreichend Anwendungsmöglichkeiten bieten und Fehler zulassen und aufklären.

Ist es aber das Ziel, wichtige Botschaften zu vermitteln, Menschen für neues zu begeistern, sie zu mobilisieren und als Multiplikatoren zu gewinnen, was alles schwer genug ist, dann sollte man die Sprache wählen, in der die Masse der Teilnehmer zu Hause ist und für Nicht-Muttersprachler Möglichkeiten wie Simultan-Übersetzung nutzen.

Französische Unternehmen machen es übrigens vor. Bei 48 Franzosen und zwei Briten wird in der Regel französisch gesprochen. In deutschen Unternehmen spricht man bei 48 Deutschen und zwei Briten englisch.

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