Preismanagement: Den meisten Unternehmen fehlt eine Preisstrategie – und verschenken damit Einnahmen

Pricing: Ohne eine Preisstrategie verschenken damit Einnahmen

„Wie im Unternehmen Firmenwagen bestellt werden, das ist in fast überall im Detail genau festgelegt, aber nicht wie ihre Produktpreise zustande kommen. Also wer was wann macht und was genau der richtige Preis ist, den ein Kunde zu zahlen bereit ist“, skizziert Hans-Christian Riekhof, Professor und Experte für Preismanagement an der Privaten Hochschule Göttingen das Dilemma. Erforscht hat er dies in einer empirischen Studie mit einer Umfrage bei 1679 Unternehmen (Antwortquote 13 Prozent) sowie Tiefeninterviews mit Experten in den Unternehmen. Sein ernüchterndes Fazit: „70 Prozent der Unternehmen haben nicht mal eine Preisstrategie.“

 

Uwe Riethof, Professor

Hans-Christian Riekhof

 

Verkannte Disziplin: Preismanagement 

Der Grund: Die Top-Manager haben den Wert eines funktionierenden Preismanagements noch nicht erkannt. Zum einen, weil die Disziplin nur selten an den Universitäten gelehrt wird. Zum anderen, weil die Methode Kosten-Kappen jahrelang die Hauptstrategie war und mit Prämien belohnt wurde. Doch wenn über lange Zeit nur immer und immer wieder nur der Rotstift angesetzt wird, ist irgendwann kein Streichposten mehr da und die Top-Manager am Ende mit ihren alten Methoden.

 

Doch manche haben den Stellenwert von Preismanagement – oder im Beraterjargon: Pricing – durchaus erkannt. Jedes vierte hat bereits einen Pricing-Manager oder eine Pricing-Abteilung. Der Sanitärhersteller Hansgrohe etwa im Schwarzwald in Schiltach, der Otto Versand, L`tur Tourismus oder der Autorproduzent Porsche zählen hierzu. Insbesondere im Handel gibt es Unternehmen mit Zehn-Mann-Teams, die nichts anderes machen, als Preise ihrer Wettbewerber zu sichten, diese dann zu unterbieten oder zumindest die eigenen Preise entsprechend abzusenken auf dieselbe Höhe.

 

 

Paradebeispiel Media-Saturn

Besonders weit vorne ist in dem Thema der Elektronikhändler Media-Saturn, so Wissenschaftler Riekhof und hat „eine Vision für sein internationales Pricing“. Der Händler hat in seiner Zentrale in Ingolstadt ein Experten-Team und einer eigenen Pricing-Abteilung. Sie erreichen so hohe Transparenz nach innen wie außen, führen automatisierte Online-Wettbewerbsrecherchen durch und passen daraufhin lokal die Preise an, berichtet Riekhof. Media-Saturn-Manager Florian Welz begreift Pricing sogar als Mitarbeitermotivation: „Die Verkäufer vor Ort sind stolz, wenn sie dem Kunden sagen können, dass sie ihm den besten Preis im Markt bieten können.“

 

 

Welches Manko Pricing-Profi Riekhof in der Wirtschaft ausmacht: „Die Unternehmen stecken viel zu wenig Energie da hinein, um systematisch zu erforschen, was ein Kunde maximal bereit wäre zu zahlen für ein Produkt“. Würden sie sich mehr mit dem Thema Preisschwellen auseinandersetzen, wären sie überrascht, wie viel mehr Absatzchancen sie hätten. Sein Paradebeispiel für diese sogenannte Preispsychologie ist ein Bäcker, der für seinen Weihnachtsstollen 10,99 Euro als Preis festgesetzt hatte. Als er diesen um nur einen Euro auf 9,99 Euro senkte, vervierfachte sich plötzlich zu seiner eigenen Überraschung seine Verkaufsmenge. „In dem Punkt sind etliche Unternehmen regelrecht naiv und kennen ihre eigenen Preisschwellen nicht, obwohl sie extrem wichtig sind“, ergänzt Anton Ha, ebenfalls vom Lehrstuhl für Internationales Marketing der Privaten Hochschule Göttingen.

 

Für Konsumenten ist der Preisabstand von 199 Euro zu 209 Euro gefühlt viel größer als von 189 Euro zu 199 Euro. Wer 189 Euro für ein Paar Schuhe ausgibt, ist auch bereit, 199 Euro zu zahlen, erforschten die Wissenschaftler am Beispiel eines Schuhproduzenten. Der nämlich wollte unbedingt jede Preislage bedienen und verkaufte sie in einer Fünf-Euro-Preisstaffelung von 99 bis 250 Euro. Ein Fehler, wie sich herausstellte. „Jedes Unternehmen sollte sich seine Kundentypen unter dem Aspekt der individuellen Zahlungsbereitschaft ansehen, sie analysieren und für jeden von ihnen etwas anbieten“, so Anton Ha.

Anton Ha

Anton Ha

 

 

Vier Typen von Konsumenten beim Ausgabeverhalten

 

Lehrstuhlinhaber Riekhof unterteilt die Konsumenten in vier – durchaus wechselnde – Typen:

 

Die Autobahnkunden haben weder Zeit noch die Wahl. Sie zahlen notgedrungen hohe Preise, weil sie es eilig haben, keinen Umweg in Kauf nehmen wollen und die nächsten Länden vielleicht auch geschlossen haben.

Dann die Discount-Shopper: sie wissen genau, was sie suchen und gucken dabei sehr auf den Preis.

Der Smart-Shopper hingegen hat das Produkt gar nicht gesucht. Er greift zu, weil es so günstig ist – obwohl er das zehnte weiße Hemd gar nicht braucht.

Der Spontankäufer schließlich hat keine ohne Preissensibilität: Wer sich mit einem Kauf  belohnen will – wie Frauen oft mit Schuhen oder Handtaschen – startet gar nicht erst Preisvergleiche und will gerade nicht auf den Cent gucken.

 

Unternehmen brauchen Kunden-Mix

Beim Preismanagement geht es deshalb eben nicht um die Botschaft, alles soll billiger werden. Stattdessen soll das richtige Pricing für den richtigen Kundenmix sorgen. Und wer als Unternehmen den Fehler macht, zu viele Discountshopper anzulocken, bekommt ein Ertragsproblem, so Riekhof.

 

 

Dynamisches Preismanagement bei Uber in den USA

In den Vereinigten Staaten ist beispielsweise dynamisches Preismanagement üblich, so Riekhof. Zum Beispiel bei dem Taxiunternehmen Uber in New York wird es so praktiziert: Sind die Taxen knapp, weil es regnet oder Silvester viel mehr Fahrgäste als Autos da sind, erhöht Uber die Preise schon mal bis aufs Zehnfache. Dasselbe geschah in Sidney bei einer Bombendrohung. Dort erhöhte Uber den Taxifahrpreis kurzerhand aufs Dreifache.

 

Riekhofs Fazit: Pricing hat als Managementthema eine große Zukunft – als Chance für Manager, an der Ertragsschraube nach oben zu drehen. Und er wartet auch gleich mit Ideen auf: Kinobetreiber etwa könnten Premierenplätze für Kassenschlager wie James-Bond-Filme teurer verkaufen.

 

Mir fällt da übrigens auch noch etwas ein: Arzt-Labore, die Patienten ihre Untersuchungsergebnisse nicht erst in Wochen, sondern wenigen Stunden liefern, die können mit Sicherheit mit sehr gerne gezahlten Aufpreisen rechnen. Schnelligkeitszuschläge sozusagen, wenn man dadurch langes, ungeduldiges und womöglich banges Warten abkürzen kann.

 

Die Studie zum Herunterladen: https://www.unicconsult.com/kompetenzfelder/strategisches-pricing/

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