Wenn der Zollbeamte Cash will – Gastbeitrag Tobias Teicke, CMS

 

Gastbeitrag von Tobias Teicke, Compliance-Experte von CMS Hasche Sigle darüber, wie riskant Zahlungen an ausländische Beamte sind, die für etwas Tempo sorgen sollen  

Tobias Teicke von CMS Hasche Sigle

Tobias Teicke von CMS Hasche Sigle

 

 

Der mittelständischer Entsorgungstechnik-Hersteller aus dem Schwabenland zahlte. Aus Angst, sonst ein ganzes Projekt zu gefährden. Er hatte eine größere Filteranlage an ein Unternehmen in Südasien geliefert. Doch noch vor der Inbetriebnahme der komplexen Apparatur versagt ein Spezialteil, so dass schnell Ersatz aus Deutschland beschafft werden musste. Als das Ersatzteil dann im Hafen eintraf, verlangt der Zollbeamte 100 Dollar cash – für die Freigabe des Ersatzteils. Um nicht die pünktliche Inbetriebnahme der ganzen Anlage zu gefährden, zahlt der Mann.

Ähnlich wie in diesem Fall: Ein vollbesetzer Ferienflieger aus Düsseldorf – er gehörte einer deutschen Charterfluggesellschaft – landete auf dem Flughafen eines beliebten Urlaubsorts in Nordafrika. Die Passagiere mussten auf ihr Gepäck im mäßig klimatisierten Flughafengebäude warten, während ein Mitarbeiter des Bodenpersonals die Airline-Angestellten informierte: Das Ausladen des Gepäcks könne nur gegen Zahlung einer Extra-Gebühr erfolgen. Damit die Passagiere von dannen ziehen konnten und sich der Flugplan nicht weiter verzögerte, zahlten sie.

 

In beiden Fällen liessen sich die deutschen Unternehmen darauf ein, sogenannte Beschleunigungszahlungen zu akzeptieren. Was sich so harmlos anhört, sind tatsächlich Schmiergeldzahlungen an Beamte, mit denen – rechtmäßige – Diensthandlung beschleunigen oder überhaupt erst möglich werden. Um langatmige oder ins Stocken geratene Verwaltungsverfahren voranzutreiben.

Dabei gehen die Manager und Unternehmen ein beträchtliches Haftungsrisiko ein, wenn sie glauben, nur ein notwendiges Übel für ein erfolgreiches Exportgeschäft in Kauf zu nehmen: Beschleunigungszahlungen – meist handelt es sich um kleinere Beträge – sind eine unzulässige Vergütung für Verwaltungshandeln ausländischer Beamte, auf das die zahlenden Firmen ohnehin einen Anspruch haben wie Zollfreigabe oder Stromanschluss. Anders als bei der klassischen Bestechung, geht es dabei nicht ums Schmieren eines Beamten, damit der dem Unternehmen – pflichtwidrig – lukrative Aufträge zuschanzt. Vielmehr dient diese Zahlung allein dem Beschleunigen einer rechtmäßigen Amtshandlung, die das Unternehmen grundsätzlich beanspruchen darf.

 

Finger weg von Beschleunigungszahlungen

Deutsche Unternehmensleitungen sollten dringend dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter und Vermittler keine Zahlungen an ausländische Beamte leisten, um bei der zügigen Bearbeitung ein wenig nachzuhelfen.

Anderenfalls können hohe Haftungsrisiken drohen. Selbst wenn einzelne Mitarbeiter nur niedrige Beschleunigungszahlungen leisten und das ohne Wissen der Geschäftsführung.

Denn: Bußgelder drohen in diesen Fällen nicht dem Unternehmen, sondern auch den Mitglieder der Geschäftsleitung persönlich. Unternehmensverantwortliche sollten daher auch im eigenen Interesse sicherstellen, dass Mitarbeiter wie Vertriebsmittler Zollbeamten, Mitarbeiter von Genehmigungsbehörden oder Angestellten staatlicher Unternehmen etwa im Bereich Energieversorgung oder Verkehr keine inoffiziellen Extra-Zahlungen zuschustern.

 

Risiken nicht unterschätzen

 

  • Innerhalb Deutschlands sind Beschleunigungszahlungen immer strafbar und sind Vorteilsgewährungen (Paragraf 333 Strafgesetzbuch).Auf dem Spiel stehen immerhin bis zu drei Jahren Gefängnis. Obendrein riskiert das Management und das Unternehmen ein Bußgeld (Pargrafen 130, 30 Ordnungswidrigkeitengesetz). 
  • Im Ausland ist nach deutschem Recht zunächst nur die klassische Auslandsbestechung strafbar, die auf eine pflichtwidrige Amtshandlung abzielt (Paragraf 334 Strafgesetzbuch, Paragraf 1 des Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung – IntBestG) – also keine     Beschleunigungszahlungen. Ausnahme: Wenn wenn durch diese zügige Bearbeitung Dritte wie zum Beispiel andere Antragsteller pflichtwidrig benachteiligt werden. In diesen Fällen blüht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren – zusätzlich zum Risiko eines Bußgelds für Management      und Unternehmen.

 

  • Der UK Bribery Act, der im Juli 2012 in Kraft getreten ist und weltweit als eines der strengsten Anti-Korruptionsgesetze gilt, stellt Beschleunigungszahlungen ausdrücklich unter Strafe. Implementiert das Unternehmen keine Präventionsmaßnahmen, um solche Zahlungen zu verhindern, haftet das Unternehmen. Das Überraschende daran: Dies kann deutsche Unternehmen selbst dann treffen, wenn die Beschleunigungszahlung überhaupt keinen Bezug zu Großbritannien hat. So reicht es schon aus, dass das deutsche Unternehmen – unabhängig von der      jeweiligen Beschleunigungszahlung – Teile seines Geschäfts in Großbritannien betreibt.
  • Auch das US-amerikanische Anti-Korruptionsgesetz, das FCPA, ist ein erhebliches Haftungsrisiko. Zwar sieht es ausdrücklich eine Ausnahmeregelung für Beschleunigungszahlungen vor. Doch in der Realität ermitteln nehmen die beiden zuständigen Behörden, SEC (Securities and Exchange Commission) und DOJ (Department of Justice) – beide zeichnen sich durch besonderen Ermittlungseifer aus -, oft auch bei Beschleunigungszahlungen. Zu Gute kommen den Verfolgungsbehörden dabei die Buchführungsvorschriften: Bei korruptiven Zahlungen kommt es nämlich meist auch zu Verstößen gegen die ordnungsgemäße Buchführung – und die sind meist mit überaus hohen Bußgeldern bedroht.
  • Zudem besteht das Risiko einer vertraglichen Haftung: Viele größere Unternehmen verwenden sogenannte Compliance-Klauseln, die dem Vertragspartner weitreichende Compliance-Vorgaben machen. Häufig verbieten solche Klauseln auch die Leistung von Beschleunigungszahlungen. Verstößt der Vertragspartner hiergegen, muss er womöglich Schadensersatz zahlen.
  • Oft stehen auch Beschleunigungszahlungen in Ländern mit hoher Korruptionsrate direkt unter Strafe. Selbst wenn die Taten nicht immer konsequent verfolgt werden, kann es passieren, dass ausländische Verfolgungsbehörden, etwa um ein Exempel zu statuieren, in einzelnen Fällen willkürlich mit drakonischen Strafen durchgreifen. In diese Abhängigkeit sollte sich kein Unternehmen begeben.

 

Prävention schützt vor Haftung

Es liegt an der Geschäftsführung, Mitarbeitern klar zu machen, welche Geschäftspraktiken sie nicht toleriert. Einige DAX-Unternehmen lehnen neben sonstigen Korruptionshandlungen ausdrücklich auch Beschleunigungszahlungen ab. Eine klare Positionierung der Unternehmensführung gegen diese Art korruptiver Zahlungen ist die wichtigste Voraussetzung für die Vermeidung von Beschleunigungszahlungen. Das allgemeine Verbot sollte jedoch durch flankierende Maßnahmen ergänzt werden:

 

  • So sollten Unternehmen Mitarbeiter in individuell zugeschnittenen Schulungen über die unterschiedlichen Facetten von Korruption aufklären und praktische Verhaltenstipps geben.

 

  • Zudem ist die Integrität von Geschäftspartnern zunächst vorab und dann in wiederkehrenden Abständen regelmäßig zu überprüfen – um die Haftung des Unternehmens und des Managements zu reduzieren. In der Praxis ist die Durchführung einer aufwendigen Prüfung von Geschäftspartnern (Business Partner Screening) nicht immer möglich, aber auch nicht in jedem Fall nötig. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten Unternehmen gleich zu Beginn der Geschäftsbeziehung die Geschäftspartner in persönlichen Gesprächen darüber informierne, dass sie Beschleunigungszahlungen ablehnen. Ferner können sie über potentielle Geschäftspartner Referenzen –  beispielsweise in Außenhandelskammern – einholen und öffentliche Informationen in Datenbanken beschaffen.

 

  • Weiterhin entschärfend: Anti-Korruptions-Klauseln und Fragebögen, die die Geschäftspartnern ausfüllen müssen.
  • Schließlich ist es wichtig, dass sich Mitarbeiter an der Basis nicht von der Geschäftsleitung im Stich gelassen fühlen, wenn sie in die schwierige Zwickmühle geraten, Beschleunigungszahlung leisten oder womöglich Geschäft verlieren. Abhilfe kann eine Notfall-Hotline schaffen, falls ausländische Behörden beim Verlangen der Beschleunigungszahlungen besonderes Erpressungspotential an den Tag legen. Die Erfahrung zeigt, dass eine Intervention der Geschäftsführung bei der Behördenleitung bewirken kann, dass die die korrupte Stelle innerhalb der Behörde umgangen wird.

Fazit: Beschleunigungszahlungen sind unterm Strich zu riskant.

Über Tobias Teicke:  http://www.cms-hs.com/tobias-teicke

 

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