Vorwärts im Rückwärtsgang – Insourcen ist profitabler als Outsourcen, meint IT-Organisationsprofi Robin Prothmann

Jahrelang priesen Konzerne, IT-Dienstleister und Analysten das Outsoucen der IT. Mittlerweile gibt es jedoch prominente Fälle, in denen sich IT-Verantwortliche dagegen stemmen. Zu Recht, findet IT-Organisationsexperte Robin Prothmann, Partner der Strategieberatung SMP AG in Düsseldorf.

 

Ronim Prothmann, SMP AG

Robin Prothmann, IT-Organisationsexeprte und Partner der Strategieberatung SMP AG

Es war ausgerechnet einer der Pioniere, der zum Rückzug blies: Im Juni 2012 beschloss der US-Autobauer General Motors (GM), seine ausgelagerten IT-Dienste fast vollständig zurückzuholen. Etwa 90 Prozent der Konzern-IT liegt bei GM in den Händen von Outsourcing-Dienstleistern wie HP oder Capgemini, nur zehn Prozent regelt der Autobauer im eigenen Haus. Spätestens in fünf Jahren soll das Verhältnis genau umgekehrt sein: Zehn Prozent der IT soll mit Hilfe von Outsourcing, 90 Prozent hausintern abgearbeitet werden. So will es Randy Mott, GM’s oberster IT-Mitarbeiter und Chief Information Officer.

 

Der Plan klingt radikal und eher ungewöhnlich. Denn seit Jahrzehnten wird IT-Outsourcing als Wundermittel zur Kostenreduktion und Effizienzsteigerung angesehen – auch von GM-Vertretern. Motts Vorgehen mag daher einiges an Aufsehen verursachen. Verkehrt ist es aber nicht.

 

Das zeigen auch die Ergebnisse des Bensberger Kreises – eine IT-Benchmarking-Veranstaltung von SMP, ermöglicht IT-Verantwortlichen von Unternehmen, ihre Leistungen miteinander zu vergleichen. Da der Vergleich vertraulich und anonymisiert geschieht, gibt er ungewohnt tiefe Einblicke in konzerneigene IT-Strukturen.

 

Trend: Ausgelagerte IT zurückholen

Ein wesentliches, wie überraschendes Resultat: Etwa die Hälfte der befragten Unternehmen hat ausgelagerte IT-Bereiche in den vergangenen fünf Jahren wieder in die eigenen Unternehmen zurückgeholt. Sogar fast 60 Prozent der Unternehmen geben an, Teilbereiche der IT-Infrastruktur wieder in Eigenregie zu betreiben. Eine Auslagerung in der Anwendungsentwicklung machten 43 Prozent der Unternehmen rückgängig.

Warum? Weil die Unternehmen mit der Reintegration  vor allem die Qualität ihrer IT-Organisation wieder steigern wollen.  Weitere Gründe für die Rückkehr zum Do-It-Yourself: reduzierte Reisekosten, flexiblerer Arbeitszeiten sowie Sprachbarrieren und kulturelle Unstimmigkeiten mit den Outsourcing-Partnern.

 

Dies wird häufig nicht gesehen, wenn es um Outsourcing geht. Nach wie vor wird das Auslagern von IT-Diensten vor allem mit geringeren Kosten für Konzerne gleichgesetzt. Daher honoriert es die Börse immer wieder, wenn ein Unternehmen Outsourcing ankündigt: Sinkt die Zahl der eigenen Mitarbeiter, steigt ganz oft Aktienkurs.

 

Kostensenkungspotenziale des Outsourcings meist schon gehoben

Früher mögen Konzerne mit Outsourcing tatsächlich effizienter geworden sein. Doch heute sind die Potenziale zur Kostensenkung weitgehend gehoben. Erforderlich ist keine Gesamtkostenbetrachtung (Total Cost of Ownership, TCO), um sich für oder gegen Outsourcing zu entscheiden. Vielmehr ist es sinnvoll, ein Unternehmen in Teilbereichen zu analysieren. Dementsprechend tendieren bereits einige IT-Verantwortliche zu einer hohen internen Fertigungstiefe – bei gleichzeitiger gezielter Auslagerung einzelner Leistungsbereiche wie etwa der der Arbeitsplatzbetreuung.

 

Die Ergebnisse des Bensberger Kreises bestätigen dies. Zumal das Benchmarking-Netzwerk in den neun Jahren seit seinem Start so viele Daten von IT-Organisationen gesammelt hat, dass sich auf der Grundlage sehr gehaltvolle Aussagen machen lassen: Beispielsweise zeigen die Ergebnisse speziell für national ausgerichtete IT-Organisationen eine kontinuierlich geringe Outsourcing-Quote von unter zehn Prozent. Zum Vergleich: Unternehmen, die im großen Stil IT-Outsourcing betreiben, lassen in Deutschland teilweise mehr als 50 Prozent der Arbeit von Fremdanbietern erledigen. International dürfte die Quote ähnlich, zum Teil noch deutlich höher ausfallen wie das Beispiel GM zeigt.

 

IT-Organisationen fokussieren sich auf ihre wertschöpfenden und differenzierenden Leistungen wie die Entwicklung von Anwendungen, die für Organisation und Prozesse der Kunden maßgeschneidert werden. Lediglich Bereiche, die nicht zum Kerngeschäft gehören, werden an externe Dienstleister vergeben. Der wichtigste Grund: Konzentration auf die eigenen Kernkompetenzen. Damit verbunden ist die Reduktion der internen Komplexität – ein weiterer wichtiger Faktor für Entscheider. Doch mögliche Kosteneinsparungspotenziale werden erst an dritter Stelle genannt.

Kommt es zum Outsourcing, so konzentrieren sich die Auftraggeber gerne auf wenige IT-Partner. 60 Prozent der Befragten haben maximal ein bis zwei Service-Provider. So werden eine aufwändige interne Providersteuerung sowie unüberschaubare Service-Level-Vereinbarungen vermieden.

 

Kurze Vertragslaufzeiten um Abhängigkeiten zu vermeiden

Zudem bevorzugen IT-Organisationen kurzfristige Vertragslaufzeiten mit ihren Partnern. Etwa 80 Prozent der Verträge laufen weniger als fünf Jahre. Ein Drittel erstreckt sich sogar nur auf maximal zwei Jahre. So wollen die IT-Verantwortlichen in der Vergangenheit getroffene Entscheidungen der regelmäßigen Kontrolle unterziehen und gegebenenfalls auch wieder rückgängig machen können. Dadurch reagieren IT-Organisationen flexibel auf Anforderungen ihrer Kunden, die sich schnell verändern und wirken Abhängigkeiten zu externen Unternehmen entgegen.

 

Selbst das Argument, ohne Outsourcing seien die Personalkosten zu hoch, entkräften dieses Benchmarking Bensberger Kreis. Viele Unternehmen mit einer hohen internen Fertigungstiefe haben sehr wettbewerbsfähige Personalkosten. Im Durchschnitt liegen die Personalkosten dieser Organisationen bei rund 60.000 Euro für eine Vollzeitstelle im Jahr. Sie produzieren dabei ebenso effizient wie IT-Organisationen, die sich für so genanntes Near-  (Nahverlagerung) oder Offshoring entscheiden. Wer in Nearshore- oder Offshore-Center auslagert, hat zwar durchschnittliche Personalkosten zwischen 53.000 und 46.000 Euro – erfahrungsgemäß ist dafür aber eine sehr große Organisation notwendig, die insgesamt mehr als 70.000 externe Personenarbeitstage pro Jahr  zukauft. Dies ist in der Regel erst bei IT-Organisationen mit mehr als 1000 Mitarbeitern der Fall. Organisationen mit deutlich weniger Personalbedarf bleiben jedoch weit von solch geringen Personalkosten entfernt. Zudem wird der Kostenvorteil durch deutlich höheren Aufwand für die notwendige Steuerung und Koordination der Dienstleister relativiert.

 

Alternativen: Eifel und Allgäu

Alternativen zum Ausland gibt es zum Beispiel im nahe gelegenen Umfeld von Ballungszentren; in Frage kommen etwa die Eifel oder das Allgäu. Die dort ansässigen regionalen IT-Dienstleister bieten bei deutlich geringeren Tagessätzen ein sehr hohes Qualifikationsniveau und starke Dienstleistungsbereitschaft. Gleichzeitig sind die Reisezeiten etwa im Vergleich zu Osteuropa deutlich kürzer, die Sprachbarriere entfällt ebenfalls. Auf diese Weise gewinnen alle Beteiligten: Der regionale IT-Dienstleister schafft es, sein Personal auf lange Sicht gut auszulasten. Das auslagernde Unternehmen konzentriert sich auf seine Kernkompetenzen.

 

Den Königsweg beim Outsourcing gibt es also nicht. Es wäre aber schon viel gewonnen, wenn man das Outsourcing nicht per se positiv sieht und interne IT-Organisationen negativ – oder umgekehrt. Denn weder komplett in noch out ist generell richtig. In Zukunft kommt es vor allem auf den Mix an aus hoher eigener Leistung, strategischen Partnerschaften mit ausgewählten Dienstleistern und klassischem Outsourcing.

 

Der richtige Mix hängt schließlich vom Einzelfall ab. Generell sollte man sich aber immer fragen, wer neben den Analysten und den IT-Dienstleistern (die davon profitieren) das Outsourcing eigentlich in den Himmel lobt – und vor allem auch warum.

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