PR: Frisierte Interviews

 

Ich stehe nicht zu meinen Worten und mir ist das auch gar nicht peinlich

Wie wenig es manchmal den Interviewten und ihren PR-Profis nutzt, wenn sie Interviews im nachhinein verfälschen, sagt Sport-Bild-Chef Matthias Brügelmann in einem „Meedia“- Interview – nämlich dass es womöglich gar nicht mehr erscheint. Wenn plötzlich Interviewte manches oder sogar vieles nicht gesagt haben wollen und herausstreichen. Oder anders gesagt haben wollen und umformulieren, bis es weichgespült und langweilig klingt – und gar nicht mehr klartetxtig. Oder die so dreist sind, nachträglich eigene Fragen neu zu formulieren – und natürlich auch gleich länglich zu beantworten. http://meedia.de/index.php?id=1997&tx_ttnews[tt_news]=44582

 

Interview ohne Antworten

Dass der Schuss nach hinten losgehen kann, haben schon manche Möchtegern-Trickser erlebt: Unschlagbar war das mehrseitige Interview im „Handelsblatt“ meiner Ex.Kollegen Nicole Bastian und Robert Landgraf mit einem BNP-Parisbas-Chef Badouin Prot in Paris, in dem nur noch die Fragen standen und der Platz, wo vorher die Antworten waren, nur noch Weißraum. Mit dem Hinweis, dass die Bank beim Autorisieren allzu weit gegangen war.    http://av.r.ftdata.co.uk/files/2011/10/Paribas_Handelsblatt_20111011.pdf

Oder in der „Frankfurter Rundschau“ vor Ewigkeiten mal ein Stück über Dieter Bohlen – das eigentlich ein Interview hätte werden sollen. Man kann sich denken, wie das Stück daraufhin ausfiel, denn der Autor sagte klipp und klar, wie die ganze Sache abgelaufen war.

Gut war auch die Gemeinschaftsaktion von neun großen Tageszeitungen samt Adressen wie der „Süddeutschen Zeitung“, die vor zehn Jahren alle dasselbe handschriftlich „autorisierte“ Interview SPD-Generalsekretär Olaf Scholz abdruckten, das bis zur Unkenntlichkeit zensiert worden war. Damit der Leser mal sehen konnte, wie das so aussieht und was sich die Politik so erlaubt. http://www.heise.de/tp/artikel/16/16213/1.html

 

Verlust von Zeit, Nerven und Geld

Und nicht nur die Politik: Selbst Pressestellen großer Konzerne gehen schon mal viel zu weit und streichen Fragen, die der CEO durchaus korrekt beantwortet hat, ganz raus und schreiben stattdessen gleich zwei neue Fragen-Antwort-Komplexe hinein, deren Inhalte im Interview selbst nie zur Sprache gekommen waren. Die Folge? Das fix und fertige Interview flog komplett raus, eine andere Geschichte kam rein. Das hatte sich die Pressestelle so sicher auch nicht vorgestellt, ihr CEO dürfte ebensowenig amused gewesen sein. Verlust von Zeit, Nerven und Geld eben. Ganz abgesehen vom schlechten Benimm.

Zu toppen ist so was nur noch von diesem Vorfall, der meinem Kollegen Rüdiger Kiani-Kress und mir vor etlichen Jahren passierte. Wir waren zu einem Interview nach Hamburg geflogen, begleiteten den CEO in seinem Dienstwagen mit Fahrer 200 Kilometer in die Pampas und führten unter diesen suboptimalen Umständen ein Interview. Wegen Zeidruck musste das Stück noch im Zug auf der Rückfahrt mit mehrermaligem Umsteigen eilends geschrieben werden – als die Technik noch nicht so doll klappte wie heute. Alle waren angetan von dem lebendigen Stück, doch was passierte? Dem CEO fiel ein, das Interview hätte „aus strategischen Gründen“ besser mit seinem Vorstandskollegen xy geführt werden sollen, statt mit ihm – und zog komplett zurück. Einen Tag vor Drucklegung. Die Chefredaktion war bgeistert.

 

Unwürdige Interventionen

Sport-Bild-Chef Brügelmann beschreibt jedenfalls sehr schön, wie gerade die PR-Agenturen der Vereine fleissig genau das wieder herausstreichen, was mancher Sportler länglich erzählt hat und was dann aus (vermeintlicher) Sicht des Vereins irgendwie schädlich sein könnte. Und dass die meinungsfreudigsten die sind, die keine Angst haben müssen – vor Sanktionen oder Geldstrafen: Ex-Sportler beispielsweise.

Ist das nicht eigentlich traurig? Und unwürdig?

 

PS: Wäre es nicht auch eine nette Idee, unter die Interviews mit den Stars und Sternchen zu schreiben, welche Themenkomplexe der Autor – auf Anweisung des Managers oder der Plattenfirma oder wem auch immer – gar nicht erst ansprechen durfte?

 

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