Ein Teller Gemüse-Hähnchen aus dem Wok mit Gabriele Schlegel: „Der Job-Alltag ist brutal geworden“

Business-Behaviour-Expertin Gabriele Schlegel

 

„Man darf andere nie instrumentalisieren für seine egoistischen Interessen oder Karriereziele“, fordert Gabriele Schlegel. Die Expertin für Business-Behaviour aus Bonn meint damit den Vorfall aus London kurz vor Weihnachten, bei dem zwei australische Rundfunk-Moderatoren mit ihrem Gag eine Krankenschwester in den Tod getrieben hatten. Wir sind mitten im Thema, noch bevor sich Gabriele Schlegel ihren Romana-Salat und einen Teller Wok-Gemüse mit Hähnchen auf der Business-Lunch-Karte des Monkeys East aussucht. Und, weil es die internationale Etikette so will, gibt´s auch ein Glas Wein dazu. Darin kennt sich die Rheinländerin bestens aus. Stammen doch aus ihrer Feder die offiziellen Benimm-Richtlinien fürs Auswärtige Amt. Auch begleitete sie als Diplomaten-Ehefrau ihren Mann jahrzehntelang um die Welt, etwa in die USA und nach Singapur.

Doch zurück zu der britischen Tragödie: Es sollte nur ein Scherz sein, den sich die zwei Moderatoren des australischen Radiosenders da erlaubt hatten – doch der ging tödlich aus. Sie hatten bei der Londoner Klinik, in der die schwangere Herzogin Kate lag, angerufen und sich als Queen Elisabeth II. und Prinz Charles ausgegeben. Sie wollten erfahren, wie es um Kates Gesundheit stehe und das gelang ihnen sogar. Nur: Die 46-jährige Krankenschwester, die ihnen so ehrfürchtig Auskunft gab, beging Selbstmord, als sich herausstellte, auf welchen üblen Scherz sie hereingefallen war. Die Nachricht ging um die Welt, inzwischen ermittelt Scotland Yard. Die Moderatoren, die so die Quoten in die Höhe treiben und ihre Karriere befördern wollten, wurden erst mal aus dem Verkehr gezogen.

Natürlich hatten die beiden Moderatoren nicht mit dieser Folge gerechnet, sagt sie. Doch solche Scherze im beruflichem Umfeld seien unkalkulierbar: „Man kann nur volles Risiko fahren und so aggressiv erfolgsorientiert handeln, wenn man selbst den Kopf hinhält.“  Derjenige, der die Lorbeeren erntet, muss auch der einzige sein, der etwas riskiert. Immerhin hätte die Klinik die Krankenschwester mit einer Abmahnung oder ihrer Kündigung abstrafen können. Fremden am Telefon zu verraten, was sie hätte geheimhalten müssen, war ein klarer Pflichtverstoß. Zu dem hatten die Scherzbolde sie verleitet. Und wäre es auch nicht diese Anruferin – vermeintlich die Queen – gewesen, hätte die Krankenschwester sicher auch couragierter reagiert und die Anrufer abgewiesen. Doch indem sich die Moderatorin als Königin ausgab, stellte sie sich in der Hierarchie so viele Stufen über die Krankenschwester, dass diese vor lauter Ehrfurcht kopflos reagierte und gehorchte.

 

Romana-Salat im Monkeys East

Wäre so etwas im privaten Umfreld passiert, wären die Folgen nicht so gravierend. Es würde nicht gleich eine berufliche Existenz gefährdet. Wenn Passanten Schnittmuster vorgelegt bekommen und auf diesem „Stadtplan“ bei der Sendung „Versteckte Kamera“ mal eben den richtigen Weg zeigen sollen. Das waren harmlose Jokes, erinnert sich Schlegel, die aber keine ernsthaften Kränkungen oder Verletzungen nach sich zogen.

Und Verletzungen bringt der Berufsalltag den Menschen schon so bei, so rau wie er geworden ist, beobachtet Schlegel bei ihren Trainings in großen Unternehmen http://www.business-behaviour.de/home.htm . „Der Job-Alltag ist so brutal geworden in den vergangenen zehn Jahren“, entrüstet sich die Business-Behaviour-Autorin*. Sie berichtet von einer Assistentin, deren Chefs sich seit Jahren nicht die geringste Mühe gibt, ihren Geburtstag zur Kenntnis zu nehmen – und sie so erniedrigt. Von der Mitarbeiterin in einem Hamburger Großunternehmen, die nach fünf Jahren dem Vorgesetzen ihre Schwangerschaft kundtut und die als einzigen Kommentar darauf zu hören bekommt: „Dann können Sie ja gleich Ihre Stelle ausschreiben.“ Selbst in ganz normalen Bankfilialen komme es vor, dass viele Angestellte derart unter Druck gesetzt würden, dass sie entweder Beruhigungstabletten, Alkohol oder Psychopharmaka brauchen, um den Tag zu überstehen.

 

 

 

Am Ende erzählt Gabriele Schlegel noch einen Etikette-Gau, der ihr als Patientin widerfuhr. Als sie von ihrem Arzt untersucht wurde und währenddessen ein weiterer Mediziner grusslos hineinkommt, der ihren Arzt in ein Gespräch über eine geplante Verabredung am Wochenende verwickelt. „Nach einer Minute fragte ich dann, `Wer sind Sie denn?´ und bekam – ohne mich anzusehen – lapidar die Antwort ´ich bin auch Arzt´.“ Der hatte nicht mit Schlegel gerechnet, denn die parierte sofort: „Aber nicht meiner – und ich habe nicht die Angewohnheit, mich bei jedem gleich auszuziehen.“ Das sass.

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