Paris antwortet nicht – weil man beleidigt ist.

 

Warum Deutsche und ihre benachbarten Nationen – trotz der gemeinsamen Business-Sprache Englisch – sich manchmal so gar nicht verstehen und daran vor allem auch gute Projekte scheitern können.

 

Büros sind Österreichern nicht nett genug. Ihre Gesprächspartner treffen sie lieber in netter, ungezwungener Atmosphäre eines Kaffeehauses“, erzählt Jungunternehmer Frank Westermann aus Krefeld, der in den vergangenen Jahren vier Jahre in Wien lebte und jetzt zwischen Berlin und Wien pendelt. „Man plaudert übers Wetter, Politik und Sport und gleitet irgendwann langsam über zum eigentlich Thema des Treffens – der Schmäh rennt heißt es.“ Und wenn man es geschafft hat, die persönliche Atmosphäre zu kreieren, kommt man leichter in der Sache voran. In Wien gründete der 34-Jährige mit seinen beiden Österreichern Partnern Gerald Stangl und Michael Forisch 2011 das E-Health-Statup MySugr: Es hilft Diabetikern, mit einer App und einem Internet-Portal ihre schwere chronische Krankheit in Griff zu bekommen. Kunden sind Patienten, Krankenkassen und Pharmafirmen.

Frank Westermann, Gründer von Mysugr

Frank Westermann, Gründer von Mysugr

Auch Westermann wurde sich im vergangenen November mit dem MySugr-Investor, dem Business-Angel Johann Hansmann, im Cafe´ Biedermeier einig. Nachmittags bei mehreren Tassen Melange, dem österreichischen Capuccino. Man verhandelte die Details und einigte sich per Handschlag, das Schriftliche kam später. Soweit so typisch. Wiener Kaffeehäuser sind tatsächlich tagsüber bevölkert von Herren im Anzug – und nicht nur das legendäre Cafe´ Landtmann, dem Treffpunkt der Politiker.

Westermanns Fazit: „Alles ist hier ein Stück entspannter, der Umgang persönlicher und unverkrampfter – aber deshalb im Endeffekt nicht weniger ernsthaft.“ Nur der Weg dahin ist ein anderer. Das Interessante daran: Es dauert nicht einmal länger, hat der Rheinländer bei seinen Vertragsabschlüssen mit Unternehmen wie Sanofi-Aventis Österreich und A1 Telekom Austria  gelernt.

„Wer im Ausland oder mit Ausländern arbeitet, sollte sich über Befindlichkeiten und Rituale anderer Nationen Rücksicht vorher informieren, um nicht schon im Vorfeld Geschäftschancen zu zerstören,“ rät Business-Behaviour-Expertin Gabriele Schlegel, die etwa die Bundesbank-Mitarbeiter trainiert. Zum Beispiel in Asien: Dort werden kleine Geschenke als wichtiger Bestandteil von Geschäftsbeziehungen regelrecht erwartet. Verzichten Deutsche darauf, um nicht der Bestechung verdächtig zu werden, reagieren Asiaten schon mal irritiert – nicht die beste Voraussetzung für einen Vertragsabschluss.

 

Französische Meetings ist die Privatsphäre keineswegs tabu

Auch Franzosen ist der persönliche Kontakt erst mal wichtiger als der Deal. „Der Deutsche fängt im Thema an, der Franzose hört im Thema auf“, beschreibt es Michael Neumann, Managing Partner für Deutschland bei der französischen Personalberatung Alexander Hughes. Bei französischen Meetings werde die Agenda erst mal zur Seite geschoben und erst mal geplaudert. Zum Beispiel über die Familie, da existiert in den meisten anderen Ländern nicht dieselbe Grenze zur Privatsphäre wie in Deutschland. Dann erst folge ein lockeres Gespräch darüber, was für wen wichtig ist und daraus ergibt sich dann beispielsweise eine Liste mit fünf Punkten. Die sei dann der Hausaufgabenzettel für die Anwälte zum Abarbeiten. Denn die Juristen kommen erst ganz am Ende hinzu, wenn die Vertragspartner schon mal essen gehen, erzählt Neumann.

 

Verträge als Diskussionsgrundlage

Der Personalprofi – er sucht Deutsche für Frankreich-Einsätze und Franzosen für Deutschland – vergleicht: Verträge über einen Headhunter-Auftrag in Deutschland umfassen vier bis fünf Seiten inklusive Kleingedrucktem. Franzosen kommen dagegen mit ein bis zwei Seiten aus. Denen geht´s nur darum: Was ist besprochen, was ist das Ziel, wie geht man vor, wie hoch ist das Honorar und wann ist Deadline. Ob es damit schlechter läuft? Neumann meint nein, es läuft genauso gut wie in Deutschland. Denn Franzosen sehen den Vertrag eher als eine Art Diskussionsgrundlage an. „Franzosen sind viel flexibler. Sie reden mehr miteinander und einigen sich.“ Deutsche dagegen pochen auf Verträge.

Wegen dieser Flexibilität kommt es zwischen Deutschen und Franzosen oft zu Verständnisproblemen: Deutsche, die „nein“ sagen, meinen auch „nein“. Franzosen, die „nein“ sagen, sind weniger rigoros. Neumann: „Franzosen wollen reden und den persönlichen Kontakt von Angesicht zu Angesicht“. Seit er das verstanden hat, fliegt er permanent zu seinen Geschäftspartnern nach Paris oder ruft sie an. „Denn auf Mails reagieren Franzosen nicht so stark“, drückt es Neumann diplomatisch aus.

Neumann wunderte sich beispielsweise schon mal, warum seine Kollegen an der Seine seine Mails ignorierten. Die Lösung: Er war in ihnen stets direkt zum Thema gekommen und hatte sie damit persönlich verärgert. Denn Sympathie ist Franzosen erst mal wichtigen als ein guter Deal, sagt der Headhunter. Erst wenn diese Ebene stimmt, kann man auf die Fachebene kommen. Deutsche Direktheit mögen Franzosen nicht.

 

Sechsmal das Meeting verschieben ist für Franzosen nichts Ungewöhnliches

Umgekehrt werden Deutsche im Umgang mit den Franzosen auch schon mal ungehalten. „Schließlich ist nicht jeder ist so flexibel und kann gut damit leben, wenn ein Meeting sechsmal verschoben wird“, weiß Sabine von Anhalt, Partnerin der Personalberatung Amrop Delta. „Denn das kommt bei französischen Unternehmen durchaus vor.“ Die Hälfte ihrer „Auswahl-Arbeit bei der Kandidatensuche konzentriert sich darauf, ob jemand geeignet ist für die Firmenkultur des Kunden samt landsmannschaftliche Besonderheiten.“ Die Hälfte ihrer Suchaufgabe besteht aus fachlicher Auswahl, die andere Hälfte dem Abgleich von Firmenkultur mit Kandidaten-Typ.

 

Deutsche sind gewohnt, dass ihnen Fehler um die Ohren gehauen werden – Franzosen nicht

Denn „grundsätzlich stimmen die Klischees über Franzosen, die man im Kopf hat“, ist Neumanns Erfahrung. Der Deutsche ist akkurat, ingenieursgetrieben. Er hat das Image, dass er immer alles besser weiß. Sein Vorteil aber ist: Man kann ihn problemlos auf Fehler hinweisen – ohne dass er es gleich persönlich nimmt. Deutsche sind es aus dem ihrem Unternehmensalltag gewöhnt, dass selbst im Meeting auch Fehler direkt oder indirekt angesprochen und angegangen werden. Das ist ein absolutes No-Go in Frankreich: Dort wird ein Fehler eines anderen nicht erwähnt, – und wenn, dann allenfalls im Nebensatz.

 

Dezente Briten

So wie die Briten. Als eine junge Deutsche in London bei einem Medienunternehmen ihr erstes Feedback-Gespräch hatte, dachte sie danach, sie habe einen wirklich guten Job gemacht. Nur hier und da gäbe es noch die Möglichkeit, sich zu verbessern. Nur weil ihr Bonus dann viel kleiner ausfiel als erwartet, merkte sie, dass man tatsächlich unzufrieden war mit ihr.

Um diese Differenzen zu überbrücken, bietet Michael, Rönitz, Inhaber der Business-Sprachschule Sprachcaffe in Düsseldorf, seinen Firmenkunden für ihre Manager auf dem Sprung ins Ausland Sprachkurse samt interkulturellem Training an. Im Falle seines Kunden Technip Germany, trainierte er gleich vier Deutsche auf einmal – mit umgekehrtem Vorzeichen. Der Konzern hatte eine Firma in Düsseldorf übernommen, die gemeinsame Firmensprache war englisch, doch man verstand nicht, wie der jeweils andere tickte. Und weil die Franzosen die Unternehmenskäufer waren, wurden die deutschen ins Training geschickt – obwohl ihr Einsatzort Düsseldorf war. Rönitz: „Die Deutschen sollten sich auf sie einstellen, nicht umgekehrt.“

 

Wenn´s „im Prinzip genügt“ 

Einen interessanten Unterschied zwischen deutscher und französischer Arbeitshaltung macht Rönitz darüber hinaus aus: „Ist ein Projekt zu 85-90 Prozent abgeschlossen, haben Franzosen keine Energie mehr, es sauber abzuschließen. Die letzten Feinarbeiten bleiben einfach unerledigt, die sind zufrieden, wenn es im Prinzip funktioniert.“

Nur unbeliebt sind Deutsche aber dennoch nicht im Ausland. Simon McDonald, der britischer Botschafter in Deutschland, berichtet, wie beeindruckend das Tempo deutscher Geschäftsleute sein kann. Ein britischer Anbieter feiner Teesorten und Schokoladen besuchte ihn vor kurzem in der Botschaft, nachdem er gerade in einem deutschen Kaufhaus gewesen war. Er hatte ein Paket mit Spezialitäten vorausgeschickt und hoffte nun auf einen Termin mit einem Einkäufer. Stattdessen wurde er ins Büro des Geschäftsführers dirigiert, und 30 Minuten später fand er sich in der Lebensmittelabteilung des Kaufhauses wieder, wo er seine zukünftige Verkaufsfläche absteckte.

 

Deutsche Landmannschaften untereinander

Und manchmal, da sind selbst innerhalb Deutschlands die Mentalitätsunterschiede riesig und sogar unüberbrückbar: Enst Heilgenthal, Partner bei Gemini Executive Search in Köln besetzte schon mal dreimal nacheinander denselben Geschäftsführerposten auf der schwäbischen Alp mit vielversprechenden Kandidaten – die alle nach kurzer Zeit Fersengeld gaben. Sie kamen aus dem Rheinland und Hessen, aber mit den Schwaben wurden sie einfach nicht warm.

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