Unternehmen-Zerschlagen ist nicht mehr vorgesehen

Kartellrechtler Holger Stappert von Top-Wirtschaftskanzlei Luther http://www.luther-lawfirm.com/team-anwalt.php?aid=591 fasst exklusiv für den Management-Blog die wichtigsten Punkte der geplanten Kartellrechtsnovelle zusammen:

1. Künftig werden weniger Unternehmen daraufhin überprüft, ob sie eine marktbeherrschende Stellung missbrauchen: Denn die Schwelle für die Vermutung einer marktbeherrschenden Stellung steigt auf einen Marktanteil von 40 Prozent%. Bisher reichte ein Marktanteil von 33 Prozent. Das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass die niedrigere Schwelle ökonomisch überholt ist.

2. Die vom Ex-Wirtschaftsminister Brüderle geplante Möglichkeit, Unternehmen zu zerschlagen, steht nicht mehr im Entwurf. Bundeswirtschaftsminister Rösler hat sich dieses Reizthemas entledigt. Bei Kartellrechtsverstößen können die Kartellbehörden die Unternehmen in Zukunft aber nicht nur zwingen, ihr Verhalten zu ändern: Auch Eingriffe in die Unternehmensstruktur sollen erlaubt sein, um den verstoß abzustellen – wenn diese weniger einschneidend sind als gleich wirksame Verhaltensvorschriften.

3. Eine schlechte Nachricht für Verbraucher und neue Wettbewerber: Die Sonderregeln für die Missbrauchskontrolle über Strom- und Gaspreise gelten bis Ende 2017 weiter. Ordnen die Kartellbehörden Preissenkungen bei den etablierten Versorgern an, haben neue Wettbewerber keine „Luft“, um die etablierten Wettbewerber zu unterbieten. Die von der Politik, dem Bundeskartellamt und der Bundesnetzagentur beklagte Wechselmüdigkeit ist Folge des Gesetzes. Die Entwicklung zu einem Wettbewerb, der sich selbst trägt wird erschwert. Ob Eingriffe eine Brücke in den Anbieterwettbewerb bauen, wie es in dem Entwurf heißt, ist zweifelhaft. Ich befürchte eine Regulierungsspirale.

4. Das Bundeskartellamt kann weniger Fusionen als bisher untersagen oder Kompensationen verlangen. Die Erhöhung der Marktanteilsschwelle wirkt sich auf die Fusionskontrolle aus.

5. In der Fusionskontrolle prüft das Bundeskartellamt zukünftig nicht mehr, ob durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird. Entscheidend wird sein, ob wirksamer Wettbewerb erheblich beeinträchtigt wird. Die deutsche Praxis gleicht sich in diesem wichtigen Punkt der EU an. Jedoch: Dort hat die Änderung vor ein paar Jahren aber keine einschneidenden Veränderungen für die Freigabe oder Untersagung von Zusammenschlüssen mit sich gebracht.

6. Die Pressefusionskontrolle wird zwar gelockert, bleibt aber im Prinzip rigide. Die Umsatzschwellen für das Eingreifen der Pressefusionskontrolle steigen. Kleinere Unternehmenskäufe im Pressebereich können vom Bundeskartellamt nicht mehr überprüft und untersagt werden. Die Konzentration im Pressesektor wird ansteigen. Insgesamt bleibt es aber bei einer strengen Pressefusionskontrolle. Die weitgehenden Pläne des früheren Wirtschaftsministers Clement sind ad acta gelegt worden.

7. Die Unwirksamkeit eines Zusammenschlusses bei einer zunächst unterlassenen Fusionskontrolle kann nachträglich geheilt werden. Diese Änderung ist für die Unternehmenspraxis sehr wichtig: Die weitreichenden Unsicherheiten für Unternehmen, die aus der letzten Kartellrechtsnovelle 2005 resultieren, werden wieder beseitigt.

8. Die Einsicht in Kronzeugenanträge wird beschränkt. Diese Neuregelung ist die Konsequenz aus dem Pfleiderer-Fall. Der Schutz des Kronzeugen ist für die Kartellbehörden ein Segen. In den vergangenen Jahren wurden den Kartellbehörden die Beweise zur Aufdeckung von Kartellen überwiegend von einem Kartellbeteiligten, der aussteigen wollte, „auf dem Silbertablett serviert“. Für Geschädigte, die Schadensersatz einklagen wollen, ist das eine ungünstige Nachricht. Allerdings: Auch die Geschädigten profitieren von der Aufdeckung des Kartells durch den Aussteiger beziehungsweise Verräter.

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