Wer für Doppelschichten kassiert, kann keine Überstunden bezahlt verlangen

 

 

„Arbeitsrechtler Dr. Arno Frings und Partner bei der internationalen Kanzlei Orrick Hölters & Elsing  über ein aktuelles Urteil zu der Frage, ob höchstbezahlte Akademiker Überstunden abrechnen dürfen:

 

Rund 4000 Jung-Anwälte in größeren Kanzleien bekamen kürzlich höchst ungewöhnliche Post von einer Berliner Arbeitsrechtskanzlei: Darin wurden sie angestachelt, von ihren Arbeitgebern tausende von Euro als Abgeltung abgeleisteter Überstunden zu verlangen. Man solle schon mal penibel Buch führen und die Überstunden auflisten – so könne man am Ende beim Ausscheiden locker 100 000 Euro und mehr herausschlagen.

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Die Partner dieser größeren Kanzleien waren wenig angetan von dem Schreiben – und bekamen jetzt Schützenhilfe vom Bundesarbeitsgericht, das justament solch einen Fall zu entscheiden hatte. Eine Anwaltssozietät ist danach nicht verpflichtet, Überstunden ihrer hoch bezahlten Anwälte im Nachhinein zu vergüten. Zumindest dann nicht, wenn der Arbeitsvertrag eine Klausel enthält, nach der die Überstunden mit dem Bruttogehalt abgegolten sind (BAG-Aktenzeichen 5 AZR 406/10).

 

Die Entscheidung überrascht, hatten die Gerichte doch bislang die Abrechnung von Überstunden unter Umständen zugelassen, die nachweisbar und sauber – samt der genauen Tätigkeit und wofür – erfasst waren und die vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren (zuletzt Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Aktenzeichen 7 Sa 622/10).

 

Vertragsklauseln über pauschale Abgeltungen gelten nur, wenn sie Obergrenzen enthalten

In vielen Arbeitsverträgen steht zwar, dass alle Überstunden mit dem Monatsgehalt abgegolten seien. Doch bislang haben die Gerichte eine solche pauschale Überstundenabgeltung durch das Bruttogehalt für unwirksam erklärt – wegen Verstoßes gegen das AGB-Recht. Der Arbeiter an der Werkbank oder normale Angestellte sollen davor geschützt werden, dass ihr Arbeitgeber ihnen eine beliebige Zahl von Überstunden ohne zusätzliche Vergütung  abverlangen kann. Es sollte lediglich zulässig sein, eine genau bestimmte Überstundenzahl  – zehn bis maximal 25 Prozent der vertraglichen Arbeitszeit – ohne gesonderte Vergütung mit dem Bruttogehalt abzugelten.

 

Wer 80.000 bis 100.000 Euro im Jahr kassiert, ist nicht so schutzbedürftig

Die Begründung des BAG-Urteils steht zwar noch aus, ich halte es aber für praxisnah und richtig. Die bisherige Rechtsprechung wollte den Arbeitnehmer vor einer unangemessenen Benachteiligung schützen. Der Arbeitnehmer soll wissen, welche Leistung er für das vereinbarte Gehalt erbringen muss. Er sollte nicht grenzenlosen Anordnungen von kostenlosen Überstunden ausgesetzt sein. Doch so verhält es sich bei angestellten Junganwälten in Top-Kanzleien nicht, denn sie bekommen meist ein sehr hohes Monatssalär: Oft sogar zwischen 80.000 bis 100.000 Euro im Jahr. http://www.wiwo.de/blogs/management/2011/03/21/wenn-junganwalte-mit-100-000-euro-gehalt-anfangen/

Die Bewerber wissen bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sehr genau, welches zeitliche Arbeitspensum sie erwartet.

Das Urteil könnte wegweisend sein – auch für vergleichbare Branchen, wie beispielsweise die Unternehmensberatung. Hier gilt es allerdings, zunächst die Urteilsbegründung abzuwarten.

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Alle Kommentare [1]

  1. Anwälte in Großkanzleien arbeiten sehr viel aber die Gehälter sind entsprechend. Eine zusätzliche Vergütung von Überstunden hieße aus meiner Sicht ein falsches „Zeichen“ setzen. Nach der ganzen Diskussion über die ‚gierigen‘ Investmentbanker nun noch die Junganwälte, die ein höheres Gehalt fordern? Beide Gruppen gehören bereits zu den Top Verdienern in Deutschland.

    Im Gegenzug habe ich gerade gelesen, dass immer mehr allein erziehende Mütter Zweitjobs annehmen müssen, weil sie sonst nicht über die Runden kommen. Ich gönne jedem, der einen guten Job macht, dass er auch gut verdient. Aber die Kluft zwischen Gering- und Gutverdienern wird immer größer. Und meines Erachtens steigt das Einkommen nicht immer proportional zur Verantwortung. Bei manchen allerdings proportional zur Risikobereitschaft…. aber warum auch nicht, wenn man als Angestellter nicht für Verluste haftet ;-))