Flexible Arbeitszeitmodelle: Spitzenkräfte mißtrauen ihren Arbeitgebern – weltweit

Da entwickeln die Unternehmen Modelle für flexible Arbeitszeiten – und die Spitzenkräfte nehmen sie nicht an. Oder nur wenige, fand die Unternehmensberatung Bain & Company heraus. 94 Prozent der weiblichen und 78 der männlichen Topleute interessieren sich zwar dafür, aber nur 46 Prozent der Frauen und 25 Prozent der Männer  nehmen die Angebote auch an. Befragt wurden bei der Untersuchung weltweit über 3 300 Spitzenkräfte in USA, Europa und Asien, ein Drittel davon waren Frauen. Allesamt arbeiten in „herausfordernden Positionen, tragen hohe Verantwortung bei unberechenbaren Arbeitsabläufen und unter Termindruck“.

 

Selbst vorübergehendes Kürzer-Treten kann das Aus für die gesamte Karriere bedeuten

Insgesamt boten 60 Prozent der entsprechenden Unternehmen flexible Arbeitszeitmodelle an, aber nur bei 18 Prozent werden sie „breit genutzt“.

Warum? Weil selbst die Spitzenkräfte Angst haben, dass auch nur das vorübergehende Kürzer-Treten das Aus für die Karriere bedeutet.  Blamabel für die Unternehmen, aber so ist es wohl. Entgegen aller Beteuerungen von Geschäftsführung und Personalabteilung.

Die scheinen die Angestellten jedoch für Lippenbekenntnisse zu halten. Mit anderen Worten: Sie trauen ihren Arbeitgebern – zumindest in diesem Punkt – nicht.

 

Wenn Unternehmen die Angebote für flexible Arbeitszeit ernst meinen, müssen auch die Unternehmenslenker sie nutzen – der Signalwirkung zuliebe

Gunther Schwarz, Personalstratege von Bain & Company empfiehlt den Unternehmen im Umgang mit den Top-Talenten Folgendes: Das Management muss die flexiblen Arbeitszeitmodelle nicht nur „sichtbar unterstützten“, sondern „am besten selbst nutzen“. Im Klartext: Hannemann, geh´ Du voran. Nur das Vorbild zählt. Die Vorstände/Geschäftsführer selbst oder die Ebene darunter müsse die Modelle selbst nutzen – und ebenfalls mal eine Zeitlang kürzer treten.  Um entsprechende Signale an die Belegschaft auszusenden. Und vor allem: Weil die Arbeitnehmerzufriedenheit mit und Loyalität gegenüber ihrer Company dann deutlich steigt. Für 86 Prozent der Spitzenkräfte wäre das  gute Vorbild an der Unternehmensspitze ein entscheidendes Kriterium.

Zumal: In solchen Fällen empfehlen die Mitarbeiter dann diese Arbeitgeber weiter. Bei Männern sind es 25 Prozent mehr und bei Frauen sogar 40 Prozent, die eine höhere Bindung an ihr Unternehmen verspüren.

Ungeklärt bleibt aber dennoch die Frage, warum die Menschen bislang erst mal Vorbilder ganz oben in der Hierarchie brauchen, um den Angeboten ihrer eigenen Company übern Weg zu trauen.

 

Die Entlassungen der vergangenen Jahre hatten Signalwirkung auch für die Spitzenkräfte

Leute, die Spitzenpositionen bekleiden und denen klar sein müsste, wie wichtig sie für ihr Unternehmen sind.

Da kann man nur mutmaßen: Dass die Entlassungen der vergangenen Jahre und die Management-Strategie, knappe Kassen sofort und in erster Linie mit Personalabbau zu beantworten, als abschreckendes Beispiel tiefe Spuren hinterlassen hat. Spuren und Lerneffekte, die sich auf lange Sicht rächen könnten, wenn die Demographie bei den Unternehmen ankommt und der Facharbeitermangel dazu kommt. Wenn Aufträge nicht mehr erfüllt oder gar abgelehnt werden müssen, weil sie zu wenig Personal haben. Oder wenn gesetzlich vorgeschriebene Leistungen unterbleiben, weil niemand mehr da ist, der sie erfüllen könnte – und die Öffentlichkeitswirkung im Fall der Fälle entsprechend ist.

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Alle Kommentare [3]

  1. Wen wundert´s ? Gerade bei internationalen Großkonzernen, in denen angestellte Manager das Sagen haben, ist sich jeder selbst der Nächste. Jeden kann ein plötzlicher Hinauswurf treffen, für den man nicht einmal Gründe genannt bekommen muß. Ein schlichtes Nennen des Wortes „restructuring“ samt sofortiger Freistellung und sofortiger Abfindungsvorschlag zeigt, wie wackelig auch die Arbeitsverträge des sog. mittleren Managements sind. Und da reden wir noch lange nicht von den „Großkopferten“ und Millionen von Euros. Ich kann es aus persönl. Erfahrungen jedenfalls keinem ambitionierten Mitarbeiter empfehlen, das Thema Teilzeit ins Gespräch zu bringen. Denn wer das tut, gilt als Wackelkandidat, auf den kein Verlaß ist. Und leider – auch das eine Erfahrung als Leitender Angestellter – gilt dies oftmals zu recht. Habe selbst Mitarbeiter in den eigenen Reihen, die Ihre ursprünglichen Aufgaben nicht mehr wahrnehmen (können), weil sie schlichtweg nicht anwesend sind. Andere Mitarbeiter aushelfen zu lassen funktioniert aus Sicht der erfdl. Qualifizierung leider nicht und würde diese auch überlasten. Und Neueinstellungen können wir uns nicht leisten…. .

  2. Ob Arbeitnehmer sich tatsächlich nicht trauen, Teilzeit einzufordern oder ob vielleicht die angebotenen Teilzeitmöglichkeiten nicht attraktiv genug sind bleibt die Frage. Tatsache ist aber, dass die Frage nach flexiblen und familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen selbst im Bewerbungsgespräch längst kein Tabu mehr ist – gerade bei den High Potentials unter den Berufsanfängern. Wenn Arbeitgeber meinen, im „War for Talents“ reiche immer noch das Drehen an der Gehaltsschraube – bitte. Das sind aber oft auch dieselben Leute, die den angeblichen Fachkräftemangel lauthals beklagen.

  3. „Der Mitarbeiter, bei dem am Abend am längsten das Licht brennt, ist nicht der Fleißigste, sondern der Faulste“, sagt der Management-Guru Rupert Lay. Wenn Anwesenheitszeit mit Arbeitszeit verwechselt wird, dann wird es abends schon mal später. Da wird durch die längere Verweildauer im Büro vermeintliche Unentbehrlichkeit demonstriert. (Dabei sind die Friedhöfe der Welt voller unentbehrlicher Menschen.) Und wenn der Arbeitseifer aus Angst vor Kündigung einsetzt, dann wird man an diesem Arbeitsplatz ohnehin nicht bis zum Renteneintritt verbleiben. Der Mut zum eigenen Arbeitsstil und Arbeitsrhythmus – für viele eine Mutprobe, die sie nicht bestehen.