Unternehmen müssen mit Ablasszahlungen rechnen

Unternehmen dürfen nicht gezwungen werden, die erstbeste Frau zur Führungskraft zu machen, – aber mit Ablasszahlungen müssen sie womöglich bald rechnen, meint Arbeitsrechtler Georg Mikes von der Top-Kanzlei Jones Day. Und er verrät, dass auch seine eigene Ehefrau eine Führungsposition hat.

Georg Mikes, Arbeitsrechtler bei Jones Day

 

Herr Mikes, was blüht den Unternehmen, wenn der Gesetzgeber eine Frauenquote vorschreiben würde?

Erst mal schränkt eine Frauenquote die Vertragsfreiheit ein, die Freiheit mit dem Bewerber abzuschließen, den man will. Daher wollen die Unternehmen meist keine Eingriffe des Gesetzgebers. Ansonsten wäre eine gesetzliche Frauenquote eine Art Sonderfall der gesetzlichen Regelungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Möglicherweise tauchen auch nach einer Frauenquote Missbrauchsfälle auf: Bewerberinnen, die es nicht ernst meinen, sondern tatsächlich abgelehnt werden wollen. Damit sie bei noch nicht erfüllter Quote vom Unternehmen Schadenersatz fordern können.

Befürchten Sie nur Missbrauchsfälle oder mehr?

Ich frage mich, ob bei so einem besonderen Vertrauensverhältnis wie es zwischen – potentiellem -Mitarbeiter und dem Arbeitgeber herrscht, der Gesetzgeber solche Vorschriften machen darf: Dass der Unternehmensinhaber vorgeschrieben bekommt, dass er dieses Vertrauen gerade Frauen schenken soll. Um eine Quote zu erfüllen. Und: Vielleicht ist ein Unternehmen eventuell sogar bereit, eine gesetzliche Frauenquote zu erfüllen, findet aber gar nicht erst genügend geeignete Bewerberinnen. Eine gesetzliche Regelung muss das berücksichtigen.

Man könnte Übergangsfristen einbauen und in der Zeit könnten die Unternehmen weibliche Führungskräfte aufbauen.

Ja, sicher, aber das ist mit einigen wenigen Jahren eventuell nicht getan, und so viel Geduld hätte der Gesetzgeber vermutlich nicht, wenn er sich zum Handeln entschließt. Es kommt auch darauf an, auf welcher hierarchischen Ebene die gesetzliche Regelung ansetzen würde.

Sicher wäre es unzulässig, wenn der Gesetzgeber anordnen würde, dass eine Frauenquote so strikt zu beachten ist, dass auch eine weniger qualifizierte Frau eingestellt werden muss – nur um die Quote zu bedienen. Dennoch ist denkbar, dass es tatsächlich so kommt. Juristisch zweifelhaft wäre eben dieser Automatismus „bei gleicher Eignung gilt Bevorzugung der Frau. Und der Europäische Gerichtshof hat bereits in einem anderen Fall, in dem ein Mann benachteiligt worden war, gefordert, dass eine Einzelfallprüfung zugunsten des Mannes stattfinden muss. Darüber hinaus wäre es bei einer solchen Regelung auch schwierig, zu beurteilen, ob beide tatsächlich gleich geeignet sind. Und kompliziert ist auch die Frage, ob der Arbeitgeber oder der benachteiligte Mann dies beweisen müsste vor Gericht.

Und wer müsste überhaupt bei Streitfällen vor Gericht die Beweise vorlegen – das Unternehmen oder der Übergangene?  

Wegen der Beweislast sollten sich Arbeitgeber keine Illusionen machen. Davon gehen alle Experten aus, dass der Gesetzgeber den Unternehmen auch noch die Beweislast auferlegen würde – falls es zur Frauenquote kommt und vermeintlich benachteiligte Frauen ein Recht zur Klage erhielten.

Und wie schnell könnte im Ernstfall so eine Frauenquote Gesetz werden?
Wenn der politische Konsens einmal gefunden ist, könnte das Gesetz ja recht schnell verabschiedet werden. Da es aber am Konsens fehlen dürfte, sehe ich die nächsten zwei Jahre noch kein Gesetz. 

Wie sollte eine gesetzliche Frauenquote aussehen?

Generell sollte die Chancengleichheit gefördert werden. Aber aus rechtlicher Sicht sollte eine Maßnahme, die Frauen begünstigt, nicht zur unverhältnismäßigen Benachteiligung von Männern führen. Letztlich geht es darum, bei einer effizienten Quotenregelung abzuwägen: Sollte man im Einzelfall nicht doch wieder einen Mann einstellen, wenn er die geeignetere Person auf dem Posten wäre – auch wenn ansonsten ein Männerüberhang im Unternehmen besteht?

….halt, stopp, genau das ist doch der Missstand, dass in den deutschen Führungsetagen solch ein eklatanter Männerüberhang besteht. Gerade der soll sich doch ändern. Damit Deutschland in Sachen Frauenbenachteiligung nicht ewig europaweit auf den blamablen letzten drei Plätzen steht. Den würde der Gesetzgeber doch so zementieren…. 

Zugegeben, das ist genau das Dilemma, und genau deshalb rechne ich nicht mit schneller Verabschiedung. Doch zurück zu Ihrer Frage. Ungeeignet und wohl juristisch unzulässig wären jedenfalls gesetzliche Vorgaben wie diese: Dass immer dann, wenn ein Mann ausscheidet, so lange Frauen eingestellt werden müssen, bis die Quote stimmt.

Ich meine, eine gesetzliche Frauenquote sollte gewährleisten, dass immer auch eine Einzelfallabwägung und Entscheidung für einen Mann möglich bleibt. Vorausgesetzt sie hat sinnvolle Gründe. Unternehmen sollten berechtigt bleiben, nachzuweisen, dass eine Besetzung mit einer Frau nicht möglich oder unzumutbar war. Ist dies nachweisbar, sollte dem Unternehmen gar keine Sanktion drohen.

Sollte eine Frauenquote per Gesetz auch für kleine und mittlere Betriebe gelten?

Ich meine nein. Bei sehr kleinen Unternehmen mit nicht mehr als zehn Mitarbeitern sollte die Frauenquote keine Anwendung finden. So wie auch das Kündigungsschutzgesetz erst ab einer Betriebsgröße von mehr als zehn Mitarbeitern gilt.  Für schon bestehende bedeutendere Positionen wie etwa Geschäftsführung und Aufsichtsratsmandate in entsprechend größeren Unternehmen sollten zumindest sinnvolle Übergangsfristen vorgesehen werden, um Unternehmen nicht zu zwingen, die erstbeste Frau anstellen zu müssen, zumal um wirklich qualifizierte Frauen dann ein Wettbewerb ausbrechen würde. Abgesehen von den vorgenannten Nachteilen – wie zum Beispiel Missbrauch – stellt die Einführung einer Frauenquote eine Herausforderung für den Gesetzgeber dar.

Na da helfen dem Gesetzgeber die Großkanzleien sicher gerne beim Formulieren – entgeltlich oder unentgeltlich. Wie sollten nach Ihrer Meinung denn die angedrohten Sanktionen eines entsprechenden Gesetzes aussehen?

Sicherlich gehört auch das zu den Leistungen einer Kanzlei. Wir bringen unseren Sachverstand ein, wir beraten Organisationen aus den Bereichen Wirtschaft und Politik – das ist unsere Aufgabe. Nun aber zu Ihrer Frage: Ganz ohne Sanktionen bliebe eine gesetzliche Frauenquote jedenfalls ein Papiertiger. Eine denkbare Sanktion wäre  einerseits eine Bestimmung wie die so genannte Schwerbehindertenabgabe …

….Sie meinen eine Art Ablasszahlung? Die würde doch der Gleichberechtigung von Frauen im 21. Jahrhundert nicht wirklich helfen.

Sie wäre die wahrscheinlichste Variante für Deutschland. Denkbar wäre aber auch, die Frage der Einhaltung oder Nichteinhaltung der Quote eher in den Bereich individueller Klagemöglichkeiten zu stellen. Das würde es den Frauen überlassen, auf Schadenersatz zu klagen, wenn einerseits die Quote nicht erfüllt ist und sie sich andererseits individuell bei einer konkreten Maßnahme benachteiligt sehen. Das können sie heute meist auch schon – nach dem AGG.

Doch in der Zeit, seit das AGG gilt, gab es nur den einen Gema-Fall, wo tatsächlich ein Frau geklagt und auch gewonnen hat.

Abwarten. Drakonische Sanktionen, wie sie offenbar etwa aus Norwegen berichtet werden – Schließung des Unternehmens bei Nichteinhaltung der Quote – dürften in Deutschland politisch jedenfalls nicht durchsetzbar sein. Ich finde sie auch unverhältnismäßig und deshalb nicht sinnvoll.

Eine persönliche Schlussfrage: Ist Ihre Frau berufstätig? Und – falls vorhanden – welchen Beruf würden Sie sich für Ihre Tochter eines Tages wünschen?

Ja, meine Frau ist berufstätig, übrigens in einer Leitungsfunktion und in Teilzeit. Eine Tochter habe ich nicht, aber ich bin sicher, mein jetzt dreijähriger Sohn wird sich künftig gegen weibliche Konkurrenz behaupten müssen. Egal ob der Gesetzgeber zu Gunsten der Frauen nachhilft oder nicht.

Die Fragen stellte Claudia Tödtmann

http://www.jonesday.com/de/_lawyers/bio.aspx?attorneyID=1549

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