Wenn Chanel-Marketer aus anspruchsvollen Kundinnen Esel machen wollen, die einer 5-Gramm-Tube hinterher rennen

Es gibt Werbemassnahmen, bei denen ich mich frage, ob überhaupt irgendwer sich davon inspirieren lässt und kausal zum beworbenen Produkt greift. Zum Beispiel liegt den Hochglanzmagazinen für Frauen gerne mal von Chanel ein Flyer bei – konversativ ausgedrückt: ein kleiner Hochglanzprospekt – mit einer liebevoll drangehefteten Postkarte als Gutschein. Mit diesem Gutschein nun sollen die Damen – so stellt man es sich als Chanel-Marketingprofi wohl vor – zu Douglas eilen, um eine kostenlose Probe ausgehändigt bekommen mit 5 – in Worten fünf – Gramm Aufbaucreme für trockene Haut in einem schwarzen Säckchen, ebenfalls in Miniaturgröße. Schon die Parkgebühren in der City – und da liegen meist auch die Douglas-Geschäfte – stehen dagegen.

Aber das ist noch nicht alles: Natürlich gilt das Ganze nur „solange der Vorrat reicht“, verrät das Kleingedruckte auf der Postkarte. Fragt sich nur, wie groß dieser Vorrat überhaupt ist. Oder ob er nicht ohnehin binnen Stunden erschöpft ist. Wenn die Chanel-Verwenderin oder Möchtegern-Chanel-Verwenderin dann im Douglas-Laden steht , die übliche Musterung durchs Parfümerie-Fachpersonal von oben nach unten über sich ergehen lassen muss und dann auch noch abgewiesen wird, weil nichts mehr da ist, kommt bei ihr sicher keine Symphathie für die beworbene Marke mehr auf. Die Marke, der sie diese kalte Dusche zu verdanken hat. Abfuhr nach geringschätziger Musterung vom Servicepersonal.

Hat man dann denn noch Lust, alternativ etwas anderes zu kaufen, weil man schon mal da ist? Ich fürchte, die Kauf-Laune ist verdorben.

Ganz abgesehen davon, frage ich mich, welche Chanel-Kundin sich für eine Fünf-Gramm-Probe in Bewegung setzt oder auch nur einen Umweg dafür in Erwägung zieht. Chanel-Cremes liegen schließlich nicht in derselben Preisklasse wie Nivea oder Loreal, sondern dürften kaum unter 50 Euro für 50 Gramm zu haben sein. Wer also einerseits genug Geld hat für hochpreisige Cremes, soll andererseits wie ein Esel hinter der Möhre herrennen, die so klein ist? Für mich passt das nicht zusammen, aber vielleicht können es mir ja die Chanel-Marketingstrategen erklären.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Alle Kommentare [1]

  1. Erst einmal muss ich sagen, dass dieser Fall ein glänzendes Beispiel derartiger Konzepte (?) ist! Verwunderlich, dass man immer noch solche `Strategien` findet. (Oder täusche ich mich und entdecke nur die eigentliche Intention nicht?)

    „Abfuhr nach geringschätziger Musterung vom Servicepersonal.“
    Und das ist genau richtig erkannt! Wir spielen alle Rollen – das dürfte eine Binsenweisheit sein. Und wenn jemand in einen solchen Laden geht, dann zeigt sich das explizit. Die Rolle „Kunde“ in einem Laden mit teuren Luxusartikeln ist mit der Rolle „Bittsteller“ bzw. „Probedöschen-Couponeinlöser“ nur schwerlich vereinbar.

    Vielleicht wäre das schon bekannte Vorgehen des prozentualen (vielleicht 5%) Preiserlasses auf einen Chanel-Kauf nach Vorlage eines Coupons ein besserer Anreiz gewesen. 1) Hätte man als Unternehmen nicht die Fragen nach Herstellung, Lieferung,… der Probedöschen. 2) Bestünde nicht die Gefahr etwaige (Neu-)Kunden durch eine Ablehnung zu brüskieren (wie im Artikel dargestellt). 3) Den Zusatz „Solange Vorrat reicht“ kann man durch ein klares „Gültig bis XXX“ ersetzen und setzt damit sogar eine eindeutige `Exklusivotätsfrist`. 4) Ist m.E. die Höhe des Rabattes eher sekundär (wenn es sich nicht gerade um mehr als 10% handelt…). Primär ist dagegen das Suggerieren einer besonderen Chance; eine Chance, um in den Besitz eines Luxusartikels von Chanel zu kommen und dies auch noch vergünstigt. Und es ist dann v.a. eine Möglichkeit, um die Rolle als „Kunde“ in einem solchen Laden so auszufüllen, wie man es sich selber vorstellt [das Selbst will eben auch ein wenig `gehätschelt` werden] – anstatt von dem Vorrat der Probedöschen-Lieferung abhängig zu sein…