Donnerstagabend war es wieder soweit. Bain & Company kürte zusammen mit der der Hochschule WHU und der „FTD“ zum sechsten Mal die „Strategen des Jahres“ bei einer großen Gala in Frankfurt: Mit Sterne-Koch-Essen von Christian Jürgens vom „Seehotel Überfahrt“ am Tegernsee, dem Auftritt eines A-Capella-Männer-Quartetts sowie kurzen und langen Ansprachen. Dieter Zetsche von Daimler war einer der Redner – der aber leider eher den Eindruck erweckte, statt einer Key-Note nur eine Pro-Mercedes-Produkte-Werbe-Ansprache halten zu wollen.Etwa dass man zwar auch mit einem Werbekuli schreiben kann, aber das Schreiben mit einem Montblanc ein besseres Gefühl gebe. Dass es mit Premium-Autos auch so sei. Und dass es Fakt sei, dass man Rückschlüsse von Autos auf ihre Besitzer zieht. Dass die Absicht, sich beim anderen Geschlecht attraktiver zu machen, die Nachfrage nach Premium befeuert – und dieses Anliegen nun mal zeitlos sei. sein selbstbewusstes Fazit: „Wir machen grüne Autos cooler und coole Autos grüner.“ Sogar die Frauen würdigte er als Autokunden: Dass heute 34 Prozent der Autokäufer Frauen seien und dieseZahl in zehn Jahren bei 43 Prozent liegen werde. Zetsche: „Und die wollen nicht alle Twingo fahren“ – wie wahr.
Er selbst hatte nämlich – so sagte er – ursprünglich geglaubt, er sei es, der geehrt werden solle und habe erst spät festgestellt, dass dies leider gar nicht der Fall sei. Die Rede also als Retourkutsche? Weil er es gerne geworden wäre? Womöglich.
Jedenfalls hatte er die richtige Zielgruppe für die Premium-Autos erwischt.
Die Geehrten – sie wurden laut FTD-Chef Steffen Klusmann knallhart an ihren Unternehmenskennzahlen gemessen – waren dieses mal: Jürgen Hambrecht von BASF, Thomas Bauer von der Bauer Gruppe (Baumaschinehersteller), Thomas Quaas von Beiersdorf, Henning Kreke von Douglas Holding (der bereits zum zweiten Mal schon als Geehrter nicht selbst auftauchte, sondern jemand vom Staff schickte), Albrecht Hornbach von Hornbach Holding und Ben Lipps von Fresenius Medical Care. http://www.ftd.de/karriere-management/management/:stratege-des-jahres-das-sixpack-der-favoriten/50009778.html
Jedoch: Mehrfach wurde erwähnt, dass es ja auch ein Risiko sei, so einen Titel zu bekommen – einer der letzten Strategen des Jahres war immerhin Klaus Zumwinkel. Und der würde den Titel heute sicher nicht mehr bekommen. Stehende Wendung: Was bedeutet so ein Preis, wenn man zwei Jahre später in Vorruhestand geht?
Bauer brachte es auf den Punkt: Künstler haben den Vorteil, das ihr Bild oder ihre CD fertig sei, für die sie geehrt werden. Bei diesem Preis, dem „Strategen des Jahres“, müsse man sich nachher genauso anstrengen wie vorher. Stimmt irgendwie, aber das ist eben der Unterschied zwischen Produkt und Unternehmen.
Und es waren ja auch noch viele Top-Manager da, die ebenfalls angereist waren, obwohl nicht sie selbst gekürt wurden: Simone Bagel-Trah zum Beispiel, die neue Henkel-Aufsichtsrat-Chefin. Sie war ohnehin eine der wenigen anwesenden Frauen – als Spiegelbild der Männer-dominierten Manager-Riege in Deutschland. Je Tisch ungefähr eine Dame.
Wer noch so alles da war, ließ sich hier wie bei all solchen Veranstaltungen leider nicht so leicht auszumachen. Denn mit den kleinen Namenskärtchen ist es fast überall dieselbe Misere. Der erste Nachteil: Die Namen sind viel zu klein geschrieben. Wenn man nicht auf 30 Zentimeter seinem Gegenüber zuleibe rücken will, kann man meist den Namen kaum entziffern. Oder gerade mit Müh und Not den Namen, aber nicht mehr seine Company. Ganz abgesehen davon, dass nicht jeder über 35 Jahren noch Adleraugen hat – das lässt sich gerade hier schön beobachten. Der letzte Augenarzttermin war wohl schon länger her.
Noch schwierieger ist es – der zweite Nachteil -, bei Damen diese Namenskärtchen zu entziffern beziehungsweise sie als Dame irgendwo zu befestigen. Die gebräuchlichen Knipsklammern plus Sicherheitsnadel sind nämlich absolut frauenfeindlich. Wo soll frau sie anbringen? Meist steht sie irgendwieauf dem Kopf, denn Damen-Jacketts haben weniger Möglichkeiten zum Anklammern. Zum Beispiel keine Tasche auf der Brust für ein Einstecktuch. Die Seitentaschen sitzen zu niedrig und am Revers klappts eben nur hochkant.
Und als Frau ohne Jackett will man sich eigentlich ohnehin nicht unbedingt sein gutes Kleid zerstechen.
Die Problematik, nicht zu erkennen, wer da am selben Tisch sitzt oder wer in derselben Runde steht, wurde an diesem Abend auf dem Campus Westend in Frankfurter sogar zum Thema. Wäre es doch so viel netter, man könnte dadurch viel rascher in einen Small Talk einsteigen, fand man. Wann hat man schon mal so viele interessante Wirtschaftsbosse aus den verschiedensten Branchen auf einen Haufen – die man nur leider nicht einordnen kann? Oder rascher einen Anknüpfungspunkt fürs Plaudern und Netzwerken zu haben.
Einer der anwesen Herren berichtet vom Weltwirtschaftsgipfel in Davos, die hätten dieses Problem gut gelöst: Alle Teilnehmer hätten Brustbeutel um den Hals baumeln, auf denen die Namen schön groß gedruckt drauf stünden. So wie früher bei alleinreisenden Kindern im Flugzeug.
Schön, dass die Schweizer bei so einer elitären Veranstaltung offenbar so pragmatisch und entspannt mit dem Thema umgehen – und sich einfach hinwegsetzen über Eitelkeiten.
Die Selbstbeweihräucherung über die tollen Autos von Mercedes von Dieter Zetsche war überflüssig – und dauerte viel zu lange. Für so einen festlichen Rahmen war dieses Eigenlob unangebracht und das kam am ganzen Tisch so an.