Interview Managerhaftung: Selbstbehalt der Manager

D&O-Experte und Jurist Michael Hendricks über den neuen Selbstbehalt der Manager:

„Unternehmen sollten in die Managerveträge neue Klauseln schreiben, sonst wird der Versicherer der einzige Gewinner.“Herr Hendricks, wen betrifft das Gesetzesvorhaben jetzt genau?

Die Vorstände von Aktiengesellschaften. Die müssen jetzt persönlich haften für ihre Fehler, jedenfalls teilweise. Und eigentlich sollte es auch die Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften treffen, denn die haben als Kontrolleure ebenso eine hohe Verantwortung gegenüber den Aktionären.

Und was ändert sich im Detail?

Früher konnten sie sich versichern – zumindest ihre Position und zwar mit einer D&O-Versicherung über ihre Firma. Das können sie jetzt auch noch, aber eben nur mit einem Selbstbehalt: Der Gesetzgeber schreibt jetzt vor, dass sie bei einem Schaden ein Jahresgehalt opfern und sich am Schaden beteiligen müssen. Wie das Ganze umgesetzt wird ist völlig offen. Zum Beispiel: Steht der Selbstbehalt überhaupt in der Police? Oder wird der Schaden vom Versicherer gezahlt und anschließend der manager zur Kasse gebeten? Der wird sich im Zweifelsfall erst dann zur Zahlung bei einem Schadenseintritt bereit erklären, wenn das Gehalt fällig ist. Das Risiko ist dann für den Geschädigten – also die Aktionäre oder das Unternehmen selbst -, dass die Firma das Gehalt voll ausbezahlt und er sich an den Manager persönlich halten muss – vorher hatte er eine Versicherung als zahlungskräftigen Schuldner zur Verfügung. Das ist wahrscheinlich eine Schlechterstellung der Geschädigten.

Hat das Einfluss auf die Prämienhöhe?

Ja, aber die wird sich nicht ändern. Für den Versicherer wird die Lage im Ergebnis ja günstiger, er muss weniger leisten als vorher und bekommt dieselbe Prämie. Das ist eine eindeutige Besserstellung der Versicherungsgesellschaften und die ist grundlos.

Was wäre im Sinne des Aktionärsschutzes besser?

Wenn im Anstellungsvertrag des Managers ein entsprechender Gehaltsverzicht vereinbart würde. Dann muss der Versicherer voll Schadenersatz leisten und das Unternehmen spart Geld, denn der Vorstand muss dann das nächste Jahr umsonst arbeiten. Oder die Firma holt sich ihr Geld bei anderen Bezügen des Managers wieder, etwa bei der Altersversorgung.

Woran orientiert sich denn der Selbstbehalt: Am Grundgehalt oder dem Gehalt inklusive Boni?

Vermutlich an den Gesamtbezügen, alles andere wäre zum einen stark manipulierbar und zum anderen würde eine andere Berechnungsweise die Realität nicht abbilden. Sprich, die Manager würden ungerechtfertigt begünstigt.

Haben Manager denn vorher im rechtsfreien Raum agiert, Ist diese Haftung denn wirklich so neu?

Nein. Im Corporate Governace Codex ist es ja bereits ähnlich geregelt – wenngleich auf freiwilliger Basis. Auch da müssen sie persönlich mithaften bei Haftungsprozessen, wenn sie selbst wegen Fehlentscheidungen verklagt werden. Der geringste Selbstbehalt ist hier wenige Tausend Euro bis hin zu Millionenbeträgen. Einige Vorstände haben dem neuen Gesetz schon vorgegriffen und eine massive Eigenbeteiligung im Schadensfall akzeptiert.

Ex-Telekom-Chef Klaus Zumwinkel hat also Glück, dass er schon jetzt zur Kasse gebeten wird und die Deutsche Telekom von ihm eine Million Euro Schadenersatz verlangt?

Richtig, dafür kann er seine D&O-Versicherung zur Kasse bitten. Er hat einen Selbstbehalt, aber so hoch wie die geplante Gesetzesvorgabe wird er vermutlich nicht sein.

Im Klartext: Zumwinkel hat Glück und kann den Schaden durchreichen?

Grundsätzlich ja. Aber meist wenden die Versicherer – wenn sie zur Kasse gebeten werden – erst einmal ein, der Betreffende habe vorsätzlich seine Pflicht verletzt oder vorsätzlich gegen Gesetze verstoßen.

Wann soll das Gesetz denn in Kraft treten?

Es soll den Bundestag noch im Mai passieren.

Wird dieser neue Pflicht-Selbstbehalt tatsächlich etwas ändern?

Kaum. Vorher war das Motiv, vorsichtig zu sein, die Angst um den Job. Die bleibt ja auch bestehen. Der Selbstbehalt kommt da nur obendrauf. Ich vermute, die Manager werden vielleicht noch öfter externe Berater wie Anwaltskanzleien oder Unternehmensberatungen befragen und ihre persönliche Karriere schützen.
In der Konsequenz werden sich viele fragen, wie sie sich absichern können und ob es eine Versicherung für diesen Selbstbehalt gibt. Das sorgt schon heute für Diskussionen. Viele Vorstände fragen an, ob sie auf eigene Rechnung eine Versicherung in Höhe ihres Jahresgehalts abschließen können – um eben das persönliche Risiko wieder abzufedern. Dies dürfte letztlich auch nicht verboten sein, denn andere Berufsgruppen und insbesondere die Freiberufler dürfen ja auch Haftpflichtversicherungen ohne gesetzlich vorgeschriebenen Selbstbehalt abschließen. Vielleicht würde ein Pflicht-Selbstbehalt manchen ärztlichen Kunstfehler verhindern.

Die Fragen stellte Claudia Tödtmann

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Alle Kommentare [4]

  1. Ich finde eine Managerhaftung im hier angesprochenen Sinne sehr, sehr gut und längst überfällig. Viel zu lange konnten Management-Dilettanten in den Ledersesseln der großen Konzernzentralen ihr Unwesen treiben. Immer zum Leidwesen der Arbeitnehmer. Das hier ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben wird ist wichtig und richtig. Das das Thema „öffentliche Managerwahrnehmung“ derzeit ein hoch aktuelles ist, zeigt übrigens auch die Lobbyarbeit hochrangiger Lenker aus Politik und Wirtschaft: https://www.debate-club.info/

  2. Ich finde eine Managerhaftung im hier angesprochenen Sinne sehr, sehr gut und längst überfällig. Viel zu lange konnten Management-Dilettanten in den Ledersesseln der großen Konzernzentralen ihr Unwesen treiben. Immer zum Leidwesen der Arbeitnehmer. Das hier ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben wird ist wichtig und richtig. Das das Thema „öffentliche Managerwahrnehmung“ derzeit ein hoch aktuelles ist, zeigt übrigens auch die Lobbyarbeit hochrangiger Lenker aus Politik und Wirtschaft: https://www.debate-club.info/