Wenn Schäuble seinen Sprecher öffentlich rund macht – ist das normales Benehmen aus Ministerien

Wenn  Finanzminister Wolfgang Schäuble öffentlich vor -zig Journalisten seinen Pressesprecher zusammenstaucht – ist das ein Ausrutscher? http://www.youtube.com/watch?v=uLluh0kPAXo

Ist das normaler Umgangston aus Ministerien – oder am Ende nur politisches Kalkül? Ein Ablenkungsmanöver von Inhalten? Gabriele Schlegel, Expertin für das Thema Business Behave mit langjähriger internationaler Erfahrung meint: „Nein, Schäuble hat einfach seine Verärgerung nicht in der Kontext mit der Aussenwirkung gebracht. Der Pressesprecher hat nun etwas gut.“ Und weiter: Die Ursache für diese Panne dürfte Schäubles schlechter gesundheitlicher Zustand gewesen sein – ansonsten war der ganze Vorfall höchst unprofessionell. Er war beleidigend, geringschätzend und missachtend.

Jedoch: „Ich kenne solche Verhalten von Ministern innerhalb der Ministerien. Die Entschuldigung des Ministers ist dann eine Beförderung nach drei bis vier Jahren. Das war mein absolutes Aha-Erlebnis: Akademiker mit viel Erfahrung und besten Examina lassen sich wie Schuljungs behandeln.“

Gabriele Schlegel erzählt über schlechtes Benehmen im Polit-Zirkus:

foto_frau_schlegel2„Unternehmen schreiben sich zunehmend die Einhaltung eines Wertekodex auf die Fahne, für Ministerien scheint dies aber nicht zu gelten. Häufig sind Beförderungen von persönlichen Referenten und Pressesprechern eine Belohnung für wenig respektvollen Umgang, über Jahre 24-stündiger Bereitschaft bis zur Servilität. Einer der höchsten Beamten eines wichtigen Ministeriums lief auf Dienstreisen vor dem Frühstück des Ministers an den anderen Tischen vorbei, um Honigtöpfchen einzusammeln – da der Minister gerne Honig wollte. Dabei wäre das Hotel sicher gerne bereit gewesen, einen Honigtopf auf den Frühstückstisch zu stellen. Die bienenfleißige Aktion wäre dann nicht aufgefallen

Wie häufig beobachtete ich bei großen Empfängen, dass der persönliche Referent sich anstellte, um für seinen Minister etwas von Buffet zu holen. Die Wünsche wurden häufig ohne Augenkontakt zum Fragenden in die Luft gesprochen.

Ein weiterer skurriler Fall: Einer der Spitzenbeamten lud zu seinem 50. Geburtstag den Minister ein und ausschließlich für den Minister gab es einen Teller mit Sonderspeisen wie Garnelen und anderen Delikatessen – die auf dem Buffet der „normalen“ Gäste nicht zu finden waren.

Oder: Der Abteilungsleiter einer großen Botschaft beendete die meisten Telefonate mit seinen Mitarbeitern, indem er wortlos auflegte. Auch war er bekannt dafür, Mitarbeitern Fragen zu stellen – doch die Antworten gar nicht abzuwarten. Derselbe Herr bat mich um Begleitung zum Flughafen – seine Ehefrau war in Deutschland – , um einen Staatssekretär abzuholen. Auf dem Weg zum Flughafen überschüttete er mich mit Anweisungen: Wer, wie, wen begrüßt, ich solle nach den Wünschen des Staatssekretärs fragen und dergleichen mehr. Er maßregelte mich in einer mir unbekannten Form und in höchster Anspannung (vielleicht die Erklärung für das Verhalten).  Nach einiger Zeit antwortete ich, dass ich nicht beurteilen könne, ob diese Form der Kommunikation üblich sei in der Abteilung, für mich sei sie nicht üblich.

Merkwürdigerweise – oder vielleicht logischerweise? – haben wir uns danach sehr gut unterhalten und auch bei späteren Treffen einen auffallend guten Austausch gepflegt.

Und gleich noch ein Fall: Die Handschrift eines Ministers war unlesbar. Auf Reisen wurde aber nicht bei ihm  nachgefragt, sondern der Text wurde per Fax in das Ministerbüro geschickt, da dort eine Mitarbeiterin den Text dechiffrieren konnte. Und weil die anschliessenden Termine häufig eng waren, gab es häufig nervenaufreibenden Zeitdruck, dem Minister den richtigen Text vorzulegen.

Selbst die Pausen im Bundestag eröffnen vereinzelt überraschende Einblicke: Manche der „hohen Herren“ nehmen sich einen Imbiss , ohne Anstalten zur Bezahlung zu machen. Man weiß ja, dass der persönliche Referent das ohne Aufforderung erledigt. Meine anfängliche Irritation hat sich gelegt, als ich realisierte, dass dieser respektlose Umgang nicht einmal despektierlich gemeint war, sondern einfach häufig üblich war.

Ich bin überzeugt, dass Menschen, die nicht in Hab-Acht-Stellung arbeiten müssen, sondern in konstruktiv-professioneller Weise kommunizieren, bessere Ergebnisse erreichen.  In Unternehmen setzt sich diese Erkenntnis immer mehr durch. In Behörden und vielleicht noch in Krankenhäusern ist unkritische Gefolgschaft dagegen karrierefördernd.“

Lesetipp, was sich auch andere auf dem Berliner Parkett leisten:

http://www.ftd.de/politik/deutschland/:sprecher-und-ihre-chefs-mecker-schaeuble-ist-kein-einzelfall/50193035.html#link_position=politik_8&utm_source=newsletter&utm_medium=wochenrueckblick_html&utm_campaign=2010_11_12_fr_19:55

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