Größter Irrtum von Microsoft-Boss Ballmer: „iPhone wird sich nicht sonderlich verkaufen“

Vor fünf Jahren hat Steve Ballmer den Erfolg des seinerzeit kurz vor der Veröffentlichung stehenden iPhone angezweifelt. Heute setzt Apple allein mit seinem Smartphone mehr um als der gesamte Microsoft-Konzern.

Die Überschrift wäre immer noch genauso passend wie damals: Im Juni 2007, also vor ziemlich genau fünf Jahren, hat die WirtschaftsWoche eine große Microsoft-Titelgeschichte samt Interview mit dem heute immer noch amtierenden Vorstandschef Steve Ballmer veröffentlicht (die Heft-Version der Titelgeschichte inklusive Layout gibt’s hier, das Ballmer-Interview da, und den Interview-Text zum Nachlesen des Wortlautes dort).

„Ich ärgere mich fürchterlich“, sagte Ballmer damals angesprochen auf den Erfolg von Apple mit dem Musikspieler iPod, gegen den Microsoft mit seinem viel später veröffentlichten Zune nie anstinken konnte. Heute würde sich der inzwischen 56-Jährige vermutlich noch viel mehr ärgern. Denn der iPod ist inzwischen auch schon fast IT-Geschichte; er war rückblickend nur das Präludium für einen noch viel größeren Coup des Microsoft-Erzrivalen.

WiWo-Interview mit Steve Ballmer (WirtschaftsWoche 23/2007)

Die Rede ist von dem iPhone – jenem Megaseller, von dem Apple bis heute 250 Millionen Geräte unter die Leute gebracht und damit 150 Milliarden Dollar Umsatz eingefahren hat. Das iPhone steht zum Zeitpunkt des Interviews im Juni 2007 kurz vor seinem Marktstart. Ballmer lässt sich in dem Gespräch zu seinem vielleicht größten Fehlurteil seiner gesamten, seit Januar 2000 laufenden Amtszeit an der Spitze von Microsoft hinreißen. Zum Potenzial des Apple-Smartphones sagt Ballmer seinerzeit nämlich wörtlich zu meinem Kollegen Thomas Kuhn und mir – zu finden am Ende der zweiten Heftseite:

Im Gegensatz zu Microsoft bewegt Apple schon mit einer bloßen Produktankündigung die Märkte, wie zuletzt beim iPhone.

Geschenkt, dennoch ist das iPhone nur ein gewöhnliches Telefon…

…sagen Sie. Der Rummel ist gewaltig.

Was ist denn faszinierend an dem Gerät? Das Design? Es gibt viele gut designte Mobiltelefone, die nicht von Apple stammen.

Vielleicht kommen wir hier dem Problem näher: Man muss nicht der Erste in einem Markt sein, benötigt dann aber ein Produkt, das die Menschen begeistert.

Außer der Marke hat Apple nichts in petto, was andere Anbieter nicht auch zu bieten hätten. Daher garantiere ich Ihnen, dass sich das iPhone nicht sonderlich verkaufen wird. Beim iPod war das anders, weil er auf einzigartige Weise mit einer Musikbox-Software und einem Online-Musikshop verknüpft war. Dieses integrierte Modell hat Apple als Erster eingeführt.

Das kann auch bei Handys funktionieren.

Nein, der Handymarkt war niemals derart integriert und kann es auch nicht sein. Es sind verschiedene Unternehmen, welche die Telefone produzieren und die Netze betreiben. Dadurch ist es von Natur aus ein Markt mit verschiedenen Teilnehmern. Apple verlangt 500 Dollar für ein durch einen Vertrag subventioniertes Gerät. Und nehmen wir an, Apple würde davon sogar eine Menge verkaufen – ich sage nicht, sie würden das nicht schaffen. Pro Jahr werden aber derzeit 1,2 Milliarden Handys verkauft. Bei einem derartigen Preis wird es Apple kaum gelingen, davon einen signifikanten Anteil zu erobern. Microsofts Anspruch mit Windows Mobile lautet dagegen, Hunderte Millionen Geräte jährlich zu verkaufen.

Das will Apple auch gar nicht.

Klar, wenn Apple die obersten zwei, drei Prozent der reichen, coolen Menschen als Kunden gewinnt, sind sie zufrieden. Apple geht beim iPhone genauso vor wie beim Mac. Ich sage nicht, dass das schlecht ist. Wir sprechen dann aber von einem Marktteilnehmer mit einem Anteil im einstelligen Bereich.

Heute ist die Situation freilich gerade andersherum: Das iPhone hat den kompletten Handy-Markt auf den Kopf gestellt. Apple ist vom Volumen her der drittgrößte Handyhersteller weltweit und vereint stolze 80 Prozent der gesamten Gewinne der Industrie auf sich.

Umgekehrt spielen die Redmonder im Mobilgeschäft fast keine Rolle mehr und kommen mit ihrem Smartphone-Betriebssystem Windows Phone gerade mal auf einen Anteil im einstelligen Bereich. Aktuell arbeitet Microsoft gemeinsam mit dem angeschlagenen ehemaligen Handy-Weltmarktführer Nokia an einem Turnaround im Mobilfunk – bisher freilich weitgehend erfolglos.

Ähnlich wie gegenüber der WirtschaftsWoche hat sich Ballmer auch anderswo geäußert. Hier ein im September 2007 bei YouTube eingestelltes Video, in dem der Microsoft die Erfolgsaussichten eines trotz Subventionen immer noch 500 Dollar kostenden Apple-Handys regelrecht verlacht.

[via Inneractive]

Das Lachen ist dem Microsoft-Boss inzwischen längst mehr als vergangen: Apples Umsatz mit dem iPhone ist größer als der Gesamtumsatz des weitverzweigten Microsoft-Imperiums mit Windows, Office, Xbox & Co. An der Börse ist Apple mehr als doppelt so wertvoll wie Microsoft.

Damit nicht genug: Kaum verhohlen ist jetzt auch Ballmer auf Apple-Kurs eingeschwenkt: Die Entwicklung des Microsoft-Tablet-Rechners Surface hat Vorstandschef Ballmer gewissermaßen nach Apple-Blaupause durchziehen lassen. Auch auf der jüngsten Partnerkonferenz waren die Anleihen beim großen Rivalen kaum zu leugnen.

Heute nach US-Börsenschluss legt der Softwaregigant übrigens Quartalszahlen vor. Bis sich der Kursschwenk in Richtung Cupertino auszahlt, dürfte indes noch etwas Zeit vergehen.

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Alle Kommentare [5]

  1. Und dann haben sie einen Microsoft Manager zu Nokia geschickt um diesen Fehler zu wiederholen…..

  2. Ja stimmt… vielleicht hab ich das unterbewusst auch als Anlass genommen, den heutigen Blog-Post zu schreiben – zumal das eben mir und meinem Kollegen gegenüber war und ich mich auch noch gut an die Szenerie seinerzeit erinnere.

  3. Ist ja auch kein Problem. 🙂

    Zumindest wird klar, wie häufig Ballmer bereits daneben gelegen hat…

  4. Tja, wie sich Steve Ballmer heute über die Situation und das seinerzeitige Interview äußern würde? Da hatte der eine Steve (Jobbs) einfach bessere + clevere Ideen und Strategien als der andere. 😉