Microsoft – nur noch eine Kopie von Apple?

Mein Fazit der diesjährigen Partnerkonferenz: Microsoft wandelt immer stärker auf den Spuren von Apple. Ob der Image-Schwenk bei Kunden und Partnern des Software-Konzerns ankommt?

Manchmal sind es ja die kleinen Dinge, die einem im Nachhinein am stärksten in Erinnerung bleiben: Als Konzernboss Steve Ballmer am Montag seine Eröffnungsrede auf der diesjährigen Microsoft-Partnerkonferenz WPC in Toronto hält, ist die Reaktion des Publikums die meiste Zeit eher verhalten. Grund: Ballmer pariert an einem Tisch inmitten des Air Canada Centers sitzend die Fragen eines Journalisten – routiniert zwar, aber auch ohne größere Emotionen.

Dabei hat er zu allem Überfluss auch noch eher Kreide gefressen und ist geradezu handzahm. Von Ballmer jedenfalls, dem Energiebündel, der wie ein Derwisch über die Bühne fegt und so auch das Publikum durch seine leidenschaftliche Ansprache mitreißen kann, ist lange Zeit keine Spur.

Bis ein technischer Ausfall dem 58-Jährigen unverhofft zu Hilfe kommt: Ballmers Ansteckmikrofon fällt aus, und auch drei eilig hergebrachte Handmikros klappen nicht. Da blitzt es kurz auf, das Showtalent, die Rampensau im Manager: Der bullige Microsoft-Boss springt auf und brüllt so laut, dass ihn die 16.000 Zuhörer beinahe auch ohne technische Unterstützung verstehen können. Bezeichnenderweise erhält Ballmer den größten Applaus während seines gesamten Auftritts, als er das vierte Mikro gereicht bekommt – welches dann endlich funktioniert.

Die Rampensau blitzt bei Ballmer dieses Mal nur kurz durch (Foto: Hansel)

Nachher fragen sich etliche Microsoft-Manager und auch Partner des Konzerns, warum man Ballmer überhaupt an einen Tisch gezwängt und ihn dadurch automatisch seiner wichtigsten rhetorischen Waffe beraubt habe, seines Körpers. Aber offenbar ist die veränderte Kommunikationspolitik Teil der Neustarts des Konzerns – des Reboots, wie es die Microsoft-Mannen selber nennen.

Dabei haben sich die Redmonder offenbar mehr als nur eine Anleihe bei ihrem Erzrivalen rund 1400 Kilometer weiter südlich, im kalifornischen Cupertino genommen. Schon der erste Microsoft-eigene Tablet-PC Surface, den Ballmer Ende Juni einer überraschten Öffentlichkeit vorgestellt hat, ist das Ergebnis eines geheimen Entwicklungsprojekts, das der Konzernchef höchstpersönlich vom Gros der Mitarbeiter unbemerkt durchgezogen hat, wie ich kürzlich hier im Blog enthüllt habe.

Vorbild in der Verschwiegenheit

Schon seinerzeit antwortet ein Microsoft-Manager auf meine Frage, ob Steve damit also Steve nachahmen wollte – eben weil der Apple-Gründer Steve Jobs bis zu seinem Tode höchstselbst die Entwicklung der Megaseller iPhone oder iPad vorangetrieben hat – ungewohnt offen: “Und wenn das so wäre? Man kann Jobs ja kaum vorwerfen, dass er mit dieser Strategie irgendwie falsch gelegen hätte.”

Auch sonst erinnert das Vorgehen des Softwaregiganten immer mal wieder an Apple. Zum Beispiel bei der Verschwiegenheit. Zwar hat Ballmer den Veröffentlichungstermin des neuen Windows 8 Ende Oktober verkündet. Weitere Details zu technischen Features, konkreten Geräten oder auch zum Surface-Tablet hat sich der Konzernboss indes verkniffen. Das ist offenbar kein Zufall: Wie mir deutsche Microsoft-Mitarbeiter hinter vorgehaltener berichten, ist auf der ganzen WPC kein einziger PR-Manager für die Windows-Sparte anwesend. Und auch um Interviews rund um Windows 8 bemüht man sich als Journalist vergebens.

Schließlich gibt Ballmer selbst in seiner Eröffnungsrede zu, dass derlei Geheimniskrämerei Methode hat: „Unser Team hat einen guten Job dabei gemacht, das Surface-Projekt geheim zu halten. Und wir werden auch in Zukunft noch einige Dinge geheim halten. Denn es hat sich gezeigt, dass es viele Vorteile hat, bei geringerer öffentlicher Aufmerksamkeit zu arbeiten, als wir es normalerweise gewohnt sind.“ (Ein komplettes Transkript seiner Rede gibt’s übrigens hier).

Noch eine Sache

Bei alledem lässt Apple grüßen, der wohl verschwiegendste IT-Konzern überhaupt. Großartig anders jedenfalls würden das die Mannen um Apple-Boss Tim Cook vermutlich auch nicht ausdrücken. Am Ende seiner Keynote wandelt Ballmer übrigens einmal mehr auf den Spuren des inzwischen mehr als doppelt so wertvollen Rivalen: „There’s one more thing“,  sagt der Microsoft-Chef, als er die Übernahme des Touch-Display-Spezialisten Perceptive Pixel verkündete.

„Da ist noch eine Sache“ – mit ebenjener Phrase, verbunden meist mit einer wohlgesetzten Gedankenpause, hat auch Apple-Gründer Steve Jobs in seinen Reden stets die wichtigsten Ankündigungen eingeleitet. Microsoft – nur noch eine Kopie von Apple? Ich bin gespannt, ob die Redmonder den Imagewechsel durchhalten – und wie der auf lange Sicht bei Kunden und Partnern ankommt. Fehlt eigentlich nur noch, dass sich Ballmer in einen schwarzen Rolli zwängt. Wobei, so weit dürfte es dann doch nicht kommen: Neben aller Taktiererei hat der Microsoft-Boss erst jüngst seine Kampfansage in Richtung Apple erneuert. Es bleibt also spannend.

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Alle Kommentare [7]

  1. Microsoft macht das, was es seit jeher tut und am besten kann: kopieren. Es begann damit, dass Bill Gates das überaus erfolgreiche Betriebsystem CP/M für den Z-80 kopierte und als MS-DOS verkaufte. Die Ideen für Windows klaute er von Jobs, der diese wiederum bei Xerox hatte mitgehen lassen. Microsoft steht unter immer größer werdendem Innovationsdruck, konnte aber noch nie mit eigenen großen Ideen aufwarten. Was liegt also für diesen Konzern näher, als sich auf seine Kernkompentenz zu konzentrieren: erfolgreiche Vorbilder kopieren.

  2. Gibt es beim Surface nur das Adjektiv „Überraschend“?
    Und versuchen Sie doch mal einen Artikel zu schreiben ohne Apple zu erwähnen. Autojournalisten würden gekreuzigt, wenn sie über BMW schreiben und ständig mit Mercedes vergleichen würden.

  3. @Petra: Ist mir egal, was andere wann machen. Ist – wie schon oft anderweitig geschrieben – eine subjektive Beobachtung. Und hey, nicht ich arbeite mich an wem ab, sonndern MSFT an AAPL, dafür habe ich ja wohl mehr als ein Indiz gegeben. Was interessieren micht Mercedes und BMW? Gute Nacht.

  4. @Michael Uuups – war der Frühstückskaffee zu dünn? Sollten ich Ihnen auf die Zehen getreten sein, so bitte ich um Entschuldigung. Schreiben Sie ruhig weiter Ihren subjektive Meinung.

  5. Balmer ist nicht gerade unbekannt, wenn es um krasse Fehleinschätzungen geht.

    Zunächst lachte er über das iPhone…

    Ballmer Laughs at iPhone

    …und verspottete dann Mobiltelefone mit dem Android-OS

    Microsoft’s Ballmer mocks Android phone

    Den Herrn nehme ich schon lange nicht mehr ernst und nun hechelt Microsoft in beiden Bereichen (Smartphones sowie Tablet PCs) hinterher.

    Das sagt mir eigentlich alles und mich überzeugen die letzten Microsoft-Produkte jedenfalls nicht.