Der Halbleitergigant Intel – bereits ein Tech-Dinosaurier?

Trotz jüngst guter Quartalszahlen ist es relativ ruhig geworden um den weltgrößten Chiphersteller – ein mögliches Indiz dafür, wie sehr Intel in wichtigen Zukunftsmärkten ins Hintertreffen geraten ist.

Vor gut einem Jahr gab es einen lesenswerten Artikel auf der Webseite des US-Wirtschaftsmagazins „Forbes“. Dessen Tenor: Trotz möglicherweise anderer Anmutung sei der Halbleitergigant Intel – wiewohl fast 44 Jahre alt – noch längst kein Vertreter einsmals führender, aber inzwischen hinterhinkender „Old-Tech“-Konzerne, also noch kein Tech-Dinosaurier. Zur Begründung führt der Autor die Liste von Innovationen in Bereichen wie etwa Cloud Computing oder Mobilität an, welche die Silicon-Valley-Ikone immer noch hervorbringe.

Auf den ersten Blick scheint das zu stimmen. Bei den jüngsten, Mitte April veröffentlichten Geschäftszahlen hat Intel einen Umsatz im ersten Quartal 2012 von knapp 13 Milliarden Dollar sowie einen Nettogewinn von 2,7 Milliarden Dollar vermeldet. Dennoch beschleicht mich schon länger das Gefühl, dass der weltgrößte Chiphersteller zuletzt irgendwie unsexy geworden ist. Ein subjektives, aber nicht komplett zu leugnendes Indiz: In den zweieinhalb Jahren, in denen ich hier im Blog die IT-Branche beleuchte, habe ich genau sieben Geschichten verfasst, die sich im weitesten Sinne mit Intel befassen. Nur zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum habe ich 60 Beiträge über Google und 52 über Apple verfasst.

Das freilich kommt nicht von ungefähr, sondern hat seine Entsprechung in den jüngsten Entwicklungen der IT-Welt. Zwar stattet Intel immer noch rund 70 Prozent aller weltweit verkauften Computer mit seinen Prozessoren aus. Allerdings hat sich das Machtgefüge allein im vergangenen Jahr gegenüber 2010 dramatisch verschoben – die lange Zeit nur beschworene Nach-PC-Ära hat begonnen: Doch genau jener Tablet- und Smartphone-Boom geht bisher weitgehend an Intel vorbei, wie wir bereits im April in der WirtschaftsWoche beschrieben haben. Es gibt erst ein einziges Smartphone weltweit, das mit Intel-Chips läuft, und das auch erst seit Ende April – in Indien wohlgemerkt.

Bis Jahresende könnte Apple daher nach Schätzung des US-Marktforschungshauses In-Stat zum weltgrößten Anbieter von Mobilprozessoren aufsteigen – noch vor Intel. Und damit nicht genug: Zuletzt gab es sogar Gerüchte, Apple könnte auch bei seinen Macintosh-Computern weg von Intel hin in Richtung ARM gehen – also genau jenem Unternehmen, der Intel das Leben bei Smartphones so schwer macht. Das Gros der intelligenten Mobiltelefone und Tablets nutzt, abgesehen von Apple selber, die Chips aus dem Hause des britischen Chipdesigners.

Wie sehr sich dadurch bereits die Gewichte im PC-Markt verschoben haben, hat erst gestern der auf mobile Themen spezialisierte Blogger Horace Dediu in seinem Blog „Asymco“ deutlich gemacht.  Dediu nennt es das „disruptive“ – also unterbrechende oder auch zerstörende – Potenzial eines Produkts, gemeint sind Tablet-Rechner. Denn der Großteil des Wachstums im Gesamtmarkt findet aktuell dort, also jenseits der Intel-Welt statt:

Quelle: Asymco

Bis heute hat Intel auf diese Gezeitenwende trotz allerlei Bemühungen – etwa mit Prozessoren für so genannten Ultrabooks oder dem Kauf der Handy-Chip-Sparte von Infineon Mitte 2010 – keine wirklich erfolgversprechende Antwort gefunden. Zumindest aktuell wirkt der Gigant auf mich genau wie das, was „Forbes“ noch vor einem Jahr verneint hat: Wie ein Old-Tech-Konzern. Oder sind Sie da anderer Meinung?

Verwandte Artikel:

Smartphones, Tablets & Co: Die Post-PC-Ära hat längst begonnen

Willkommen im Nach-PC-Zeitalter

Personal Computing von 1975 bis heute: Geht das PC-Zeitalter zu Ende?

Der Apple-Schock im PC-Markt – mit unerwartetem Potenzial für Microsoft

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Alle Kommentare [6]

  1. Aber ich hoffe es nicht…
    Wenn es nur ums „Blech“ ginge, könnte sich Intel durchaus wieder fangen.Der Vorsprung in der Fertigungstechnologie könnte, bei Einbettung in geeignete Plattformen, Intel durchaus zurück in die Gegenwartsmärkte bringen.
    Allerdings ist die Konkurrenz alles andere als schläfrig.
    Ich habe nicht mal eine Vermutung, wie der Markt in fünf Jahren verteilt ist. Um so spannender wird es, das alles zu beobachten.

  2. Sorry Michael, aber ich halte das fuer ziemlichen Quatsch.

    1. Apple ist kein Anbieter von SoCs und wird das auch nie werden.
    2. Wachstum hin oder her… in den naechsten 5 Jahren werden immer noch mehr Desktops und Notebooks, als Tablets verkauft werden.
    3. Cloudservices fuer Smartphones und Tablets benoetigen eine Infrastruktur und die laeuft auf x86 Prozessoren, welche den aktuellen ARM-Architekturen um min. 3 Generationen voraus sind.

    Wer hier prophezeit, dass Intel Old-Tech ist, sollte sich naeher mit der Nachfrage auf den verschiedenen Maerkten auseinandersetzen.

    P.S. Lenovo launcht gerade ein Intel Smartphone in China, Motorola zieht im 2. Halbjahr nach und Intel hat bereits Sub $150 Smartphones zum Jahresende angekuendigt. Wenn ich mir dann noch anschaue, wie sich der Singlecore Medfield gegenueber aktuellen ARM-Plattformen schlaegt….

    P.P.S Indien und Mainland-China sind mal ganz am Rande die weltweit groessten Maerkte fuer Smartphones!

  3. Lieber Sascha,

    danke für Dein Feedback, das ich – wenig verwunderlich – ein bisserl anders sehe.

    1. Seit der Akquisition von P.A. Semi im Jahr 2008 sowie Intrinsity im Jahr 2010 verfügt Apple zumindest über ein eigenes Team in Sachen Chipentwicklung. Das wiederum hat – wie Du weißt – u.a. die A4- und A5-Chips für iPhone & iPad konzipiert (und ja, hergestellt werden die von Samsung).

    2. Die Zahl, die ich kenne und auf die ich mich bezogen habe: Im Jahr 2016 werden drei Mal so viele Tablets UND Smartphones wie PCs und Laptops verkauft – siehe unterer Chart hier.

    3. Dass Infrastruktur-Rechner – auf gut Deutsch – Server nicht auf ARM, sondern auf x86 laufen ist klar – und das habe ich auch nirgendwo behauptet.

    Intel wird weiterhin gute Geschäfte machen – habe ich ebenfalls nicht bestritten. Aber Intel KÖNNTE, ich sage ausdrücklich KÖNNTE einen Weg beschreiten wie etwa IBM: Sprich, man ist gut in B2B- und Infrastruktur-Märkten, spielt aber nicht mehr unbedingt an vorderster Front in jenen Märkten, in denen die Musik abgeht – wie derzeit eben bei Smartphones und Tablets. Ich bin jedenfalls gespannt, ob Intel mit Lenovo, Motorola & Co. nicht schon zu spät dran ist… ich verweise da nur mal auf die Probleme von Nokia & Microsoft mit Lumia & Windows Phone.

    P.S.: Du musst meine Analyse natürlich mitnichten teilen, aber was Du daran als „haarsträubend“ empfunden hast (wie auf G+ angemerkt), verstehe ich nicht so ganz…

  4. Da hake ich gleich nach.

    1. Du schreibst, dass Apple zum groessten Anbieter von SoCs aufsteigen wird und das ist einfach nicht richtig, denn Apple verkauft weder seine Prozessoren, noch lizenziert es selbige aus. Vielmehr ist Cupertino in der Situation selber lizenzieren zu muessen (ARM und Power VR), wohingegen Intel seine x86 Lizenzen u.a. an AMD und VIA veraeussert. Somit stimmt diese Behauptung einfach nicht.

    Weiterhin… Zitat:
    „Das Gros der intelligenten Mobiltelefone und Tablets nutzt, abgesehen von Apple selber, die Chips aus dem Hause des britischen Chipdesigners.“

    Dies ist ebenso haarstraeubend falsch und das muss man einfach wissen, wenn man einen derartigen Artikel schreibt!

    ARM baut keine Chips, sondern entwickelt Architekturen, die dann lizensiert werden. Diese Lizenzen werden dann u.a. an Samsung, TI, Qualcomm, Freescale, NVIDIA, VIA, Boxchip, Rockchip und… Apple(!) verkauft. Apple nutzt ARM Cortex-A9s in seinen aktuellen iPhones und iPads!

    2. Smartphones und Tablets mit Desktop PCs, Notebooks und Server-Infrastrukturen (ich schmeisse mal saemtliche x86 Oekosysteme in eine Tonne, lasse aber Smartphones bewusst aussen vor)ist einfach unsinning. Genauso uebrigens wie Vorhersagen bis ins Jahr 2016.

    3. Das mache ich ebensowenig, ich versuche aber den Post PC Hype zu relativieren und weise darauf hin, dass serverseitig aufgeruestet wird, je mehr Smartphones udn Tablets auf den Markt kommen:

    https://www.techradar.com/news/computing-components/processors/computing/pc/intel-new-server-needed-for-every-120-tablets-sold-1069021

    https://betanews.com/2012/03/26/intel-rises-to-the-cloud/

    4. Last but but not least ist der Vergleich (der Konjunktiv entlastet dich hier nicht wirklich)mit IBM einfach absurd. Sorry, die beiden trennen Universen bzgl. der von ihnen beackerten Maerkte. Historisch, als auch in der Zukunft.

    Stichwort Probleme Nokia&Microsoft und somit auf Intels Markposition und Perspektive schliessen.
    Wir befinden uns hier nicht beim olympischen 100M Sprint Finale. 70% des weltweiten Marktes wird noch von Feature Phones abgedeckt! Das wird leider zu gerne vergessen. Microsoft und Nokia (WP 8 und Win 8 wird ordentliches Momentum aufbauen)wissen das und ebenso Intel.

    Vergleiche zwischen Tablets/Smartphones und „klassischen“ PCs hinken nicht nur, sie sind faktisch falsch, denn hier befinden wir uns in einem Verdraengungs und Update-Markt bei weltweit mehr als 2 Milliarden installierten PCs. Tablets sind zum groessten Teil noch secondary devices, was sich jedoch mit Win 8 durchaus aendern wird, dann (oh wunder)uebrigens ebenfalls auf x86 Prozessoren, die wieder einmal von Intel kommen.

    Das kann man wissen und deshalb rede ich von haarstraeubend, wenn hier einfach viel Kaffeesatz zusammengemischt wird, Geraeteklassen und Maerkte, die sich nicht untereinander kannibalisieren verglichen und tatsaechliche Entwicklungen einfach nicht beachtet werden.

    P.S. Im Maerz in Peking und im September in San Francisco findet uebrigens das Intel Developer Forum statt. Einfach mal die Wiwo Spesenkasse oeffnen lassen, vor Ort recherchieren und sich eine eigene Meinung bilden!

  5. Hi Sascha,

    ich kann sehr gut mit Deiner direkten Kritik umgehen. Mir hat sich aus dem hiesigen Dialog aber vor allem eins erschlossen: Wir beide gehen völlig unterschiedlich an solche Themen heran – daher gibt’s hier meines Erachtens vor allem eine semantische Auseinandersetzung. Während Du Dich vor allem auf die Genauigkeit im Detail, auf Geräte- und Chip-Klassen konzentrierst, wollte ich den Blick aufs größere Ganze, auf eine Industrie im Umbruch lenken. Daher – und mir sei’s bitte verziehen – an der einen oder anderen Stelle eine Verallgemeinerung/grobstrichartige Zusammenfassung, die Du als zu ungenau empfindest. Ich gebe Dir ein paar Beispiele:

    1. Ich habe NICHT behauptet, Apple stelle selber SoC her oder lizensiere Chips an andere. Ich habe diese InStat-Studie zitiert:

    https://www.infoworld.com/d/computer-hardware/in-stat-apple-be-top-mobile-processor-company-189079?page=0,0

    Sie besagt nicht mehr und nicht weniger, dass Apple aufgrund des iPhone- und iPad-Booms zum größten Anbieter mobiler Prozessoren wird (eben durch die selbstentwickelten Prozessoren). Dass Apple diese nicht selber herstellt, sie gewissermaßen nur an sich selber liefert und nicht an andere, ist hier aber völlig irrelevant. Die Studie habe ich einzig und allein deshalb herangezogen, weil die entsprechenden Chips eben NICHT von Intel geliefert werden – als EINE Stütze für meine These.

    2. Dito ARM: Natürlich weiß ich, dass ARM keine eigenen Chips baut, sondern Chips/Architekturen lizensiert – und ich habe das auch nicht behauptet, sondern von dem „britischen Chipdesigner“ gesprochen. Vielleicht war die Nutzung von „aus dem Hause“ etwas lax. Aber ähnlich wie im Argument zuvor ist für den Leser hier ja nicht wichtig, wie und auf welche Weise ARM seine Chips unter die Leute oder an seine Kunden liefert. Wichtig ist auch hier einzig und allein, dass da, wo ARM drin ist, EBEN NICHT Intel drin ist – salopp gesprochen – also eine WEITER Stütze meiner These.

    3. Den Vergleich mit IBM kannst Du mir gerne um die Ohren hauen, aber auch den gebrauche ich auf einer übergeordneten Ebene, und nicht direkt in Sachen Halbleiter o.ä. Das Argument lautet: Auch IBM hatte mit seinen PC-, Drucker- und Festplatten-Sparten mal diverse Geschäftsbereiche, die (auch) auf Endkunden-Geschäft ausgerichtet waren und in denen sie vorne weg marschierten. Durch Marktveränderungen, eigene Fehler und Unternehmenumbauten ist IBM heute immer noch ein gigantischer Laden – ist aber noch mehr als früher ein reiner B2B-Anbieter.

    Ich sage nicht, dass Intel es genauso ergehen wird. Ich sage nur, dass – wenn Intel nicht aufpasst und man den Rückstand in den „heißen Consumermärkten“ wie Smartphones und Tablets nicht aufholt, sie sich ganz schnell als reiner – oder sagen wir primärer – Hersteller von x86-Server-Chips wiederfinden können. Damit wären die (ebenso wie seinerzeit IBM) mitnichten pleite oder abgemeldet – es wäre aber eben ein anderes Unternehmen mit einem anderen Zuschnitt.

    Wenn Du solche Vergleiche als haarsträubend empfindest – bitte. Aber wir machen das immer wieder – wir vergleichen Unternehmen aus einer Industrie – hier also der IT – auch wenn deren individueller Zuschnitt nie so ganz passt. Mit denselben Argumenten dürfte man ja beispielsweise auch HP und IBM nicht vergleichen, weil der eine noch ein großes Endkundengeschäft hat und der andere nicht mehr.

    In diesem Sinne – frohes Analysieren noch!

  6. Aber ich hoffe es nicht…
    Wenn es nur ums „Blech“ ginge, könnte sich Intel durchaus wieder fangen.Der Vorsprung in der Fertigungstechnologie könnte, bei Einbettung in geeignete Plattformen, Intel durchaus zurück in die Gegenwartsmärkte bringen.
    Allerdings ist die Konkurrenz alles andere als schläfrig.
    Ich habe nicht mal eine Vermutung, wie der Markt in fünf Jahren verteilt ist. Um so spannender wird es, das alles zu beobachten.