Google & Facebook als Retter des Journalismus – oder den Bock zum Gärtner machen

Welche Alternativen bleiben Verlagen, da Online-Anzeigen nicht funktionieren? Sollen sie auf die Lockangebote von Google und Facebook eingehen?

In jüngster Zeit habe ich mich hier im Blog ja öfters auch mit der Zukunft des Journalismus beschäftigt. Schließlich hat die vielbeschworene digitale Transformation gerade auf Medien und Verlage besonders weitreichende Konsequenzen auf die Geschäfts- und Erlösmodelle.

Nicht zuletzt auch aus diesem Grund hat sich die „WirtschaftsWoche“ selbst in den vergangenen Wochen einer weitreichenden Radikalkur unterzogen, die das Heftdesign, die Ressortstruktur, den Erscheinungstermin bis hin zum Logo betrifft (die Details gibt’s unter www.wiwo.de/dasneueheft/). Alles mit dem Ziel, das Heft zu modernisieren und damit letztlich auch neue Leser anzusprechen.

Denn wie ich hier vor einer Woche unter dem Titel „erste und zweite Apokalypse der Medien“ bereits dargelegt habe: Eine nur auf Reichweiten und Internet-Anzeigen basierte Finanzierung funktioniert beim Übergang von Print zu online und vor allem mobil nicht: Denn aus 1000 Dollar Anzeigenerlöse im Print-Magazin werden 10 Dollar auf Smartphones & Tablets – das kann kein Geschäftsmodell der Welt kompensieren.

Welche Alternativen bleiben den Verlagen dann? Erst kürzlich hat etwa der amerikanische Internet-Riese Google seine Köder in Richtung Verlagshäuser ausgeworfen. Mit der überraschenden Ankündigung, 150 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren in Europa in digitalen Journalismus investieren zu wollen, hat Google Freund und Feind überrascht.

Was genau die Amerikaner vorhaben, ist noch unklar. Manche Medien, wie etwa die „FAZ“ und die „Zeit“ haben bereits angekündigt, bei der „Digital News Initiative“ dabei sein zu wollen und sehen das Projekt verhalten optimistisch als Hoffnungsschimmer. Andere wie etwa Christoph Lauer, früher Chef der Piratenpartei in Berlin und seit kurzem bei Axel Springer für strategische Innovationen zuständig, sehen darin vor allem eine Nebelkerze von Google im Streit um das Leistungsschutzrecht. Vom EU-Kartellverfahren gegen den US-Riesen ganz zu schweigen.

Google-Rivale Facebook hat die Verlage ebenfalls erst kürzlich ins Visier genommen. Der Plan von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg: Medien wie etwa die „New York Times“ oder „Buzzfeed“ sollen einen Teil ihrer Inhalte direkt in dem weltgrößten sozialen Netzwork publizieren – Zuck, der kommende Presse-Baron, sozusagen.

Mark Zuckerberg, der kommende Presse-Baron? (Quelle: The Atlantic)

Ködern will Zuckerberg die von der Digitalisierung angeschlagenen und nach neuen Erlösen lechzenden Verlage mit einem Angebot, das diese auf den ersten Blick gar nicht ablehnen können: Facebook will den Medienhäuser bei der Funktion namens „Instant Articles“ einen Teil der dortigen Werbe-Einnahmen überlassen – und das sogar komplett, sofern die Verlage jene selbst heranschaffen.

Bei Lichte betrachtet sind es aber vor allem die Verlage, die bei den Angeboten von Google wie Facebook verlieren: Schließlich würden sie dadurch noch deutlich stärker von den US-Riesen abhängig als bisher bereits. Was passiert, wenn Google nach drei Jahren den Geldhahn für die Verlage wieder zudreht? Und was, wenn Facebook mal wieder an seinen Algorithmen schraubt und so die Reichweite dort publizierter Beiträge und damit auch der Werberlöse sinkt? Keine attraktiven Aussichten also – beides wäre ein Stück weit so, als würde man den Bock zum Gärtner machen.

Bleiben also nur öffentlich-rechtlicher Journalismus und Mäzen-finanzierte Medien – beides in meinen Augen keine wirklich erstrebenswerten Alternativen: Die Akzeptanz eines von Zwangsgebühren finanzierten Journalismus dürfte im Zeitalter von Lügenpresse & Co. nicht eben weiter steigen – von Staatsferne ganz zu schweigen: Man erinnere sich bloß an die Affäre um die Absetzung von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender im Jahr 2010, vor allem betrieben vom damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch.

Aus demselben Grund muss man im Prinzip auch einen reichen Mäzen als Geldgeber ablehnen: So positiv etwa Amazon-Gründer Jeff Bezos als Besitzer der „Washington Post“ für die Mitarbeiter des Verlags ist – aus journalistischer Sicht kommt dies der Preisgabe der redaktionellen Unabhängigkeit preis: So dürfte man etwa kritische Berichte über die Arbeitsverhältnisse in den Logistikzentren des E-Commerce-Riesen in der altehrwürdigen „Post“ vergeblich suchen. Nix mehr Woodward & Bernstein, also.

All dies zeigt: Einstweilen bleibt den Verlagen keine andere Alternative, als ihre Medieninhalte im Web in irgendeiner Form zum Verkauf anzubieten, sei es in Form von Online-Abo-Modellen, sei es mittels Paywalls oder durch iPad- und Smartphone-Apps.

Zusammengefasst auch hier: Die Suche nach dem heiligen Gral einer erfolgreichen digitalen Transformation in der Medienindustrie geht einstweilen weiter.

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Alle Kommentare [7]

  1. Der „gewerbsmäßige Journalismus“ wird vor allem deshalb in fremde Plattformwelten hineingezwungen, weil ihm eigene und geeignete Consumer-Plattformen fehlen und offenbar die Verlage nicht einmal verstehen, dass sie eine gemeinsame Distributionsplattform brauchen, bei der sie mit am Regiepult sitzen. „Blendle“ ist da eine Möglichkeit, die aber auch noch nicht den Schatz der Verlage im ganzen Umfang hebt und praktisch nutzbar macht. Die verrückte Ironie besteht ja darin, dass ihr immer noch einen riesigen, vielleicht entscheidenden Teil des Netz-Brennstoffs produziert, den ihr aber nicht netzadäqut vertreibt. Auffällig: Facebook braucht euch dringend, denn der mobile Facebook-Konsum ist ohne Hosting als System löchrig, statt ein geschlossener Kreislauf, und ferner minderwertig und daher weniger „klebrig“. Facebook lässt daher sogar mit sich über die Konditionen reden. Es geht also auch für FB um eine heikle Stelle in der langfristigen strategischen Planung. Aber ihr kommt eben solange nicht dran vorbei, euch ins Marmeladenglas pressen zu lassen, solange ihr für die Distribution eurer Inhalte allein auf die eigenen E-Shops (heißt die eigenen Websiten) baut und euch damit „feindlich“ zu dem „Flyby“-Lesen im Netz verhaltet. Man kann nur hoffen, dass sich die Strategie der „Vershoppung“ der Verlagsangebote sich nicht schon in wenigen Jahren als epochales Unglück erweist.

  2. Wie sollte die Lesegewohnheit eines typischen Facebook-„Überfliegers“ mit in die Tiefe gehenden Artikeln eines (hoffentlich) qualitätsvollen Journalismus vereinbar sein? Eine Drei-Zeilen-Analyse vielleicht? Nein, das wird nicht klappen. Für Facebook wird es vielleicht ein optischer Aufputz, für die Verlage aber …?

  3. Tja, ich denke, „wir“ Verlage kommen in irgendeiner Form um Bezahl-Modelle auch für unsere Digital-Inhalte nicht drum herum. Oder wie sehen Sie das?

  4. Zahlen werden Kunden nur dann, wenn sie einen Mehrwert gegenüber dem Nicht-Konsum und gegenüber vergleichbaren kostenlosen Angeboten wahrnehmen. Das sind schon zwei Probleme auf einmal: 1) die Qualität muss merkbar besser sein und 2) das Angebot muss als besser wahrgenommen werden. Punkt 2) ist aus meiner Sicht der schwierigere: Wie macht man sich mit guter Qualtät bemerkbar? Jedenfalls nicht, indem man durch elektronische Buchpreisbindung unnötige Barrieren für Einsteiger aufbaut und auch nicht, indem man gute Inhalte hinter proprietären Bezahl-Websites versteckt. und m. E. auch nicht durch ein Leistungsschutzrecht, wo man die Traffic-Bringer zur Kasse bitten will (wäre dasselbe, wenn ein Taxifahrer an angefahrene Gasthäuser Gebühren zahlen müsste, weil er Gäste bringt). Möglich wären vielleicht hochwertige nicht-proprietäre Plattformen, die gemeinsam von mehreren Inhalte-Anbietern betrieben werden. Wenn jeder Verlag sein eigenes Süppchen kocht, sehe ich wenig Chancen. Ein weiteres Argument „Was wäre das Internet ohne die hochwertigen Verlagsinhalte?“ ist leicht entkräftet, denn das Web war auch durchaus attraktiv, bevor die Verlage es entdeckt haben.
    Also: Keine leichte Zeit für Verlage, wenn Digital Natives lieber oberflächlich auf dem Smartphone wischen als ernsthaft zu lesen – geschweige denn, dafür auch noch zu bezahlen :-(

  5. Ich habe auch keine Antworten, Herr Kroker. Nur zwei triviale Anmerkungen: Bezahlangebote im Web halte ich für ein heikles Thema. Ich z.B. lese nur die WiWo-Print und wenn ich im Web dann nicht wirklich mehr substanziellen ergänzenden Inhalt zu den Themen finde, die mich in der Print-Ausgabe angesprochen haben, dann gute Nacht. Da hilft dann auch ein Kombi-Abo print und online nicht, wenn es keinen Mehrwert zur gedruckten Ausgabe bietet. Und dass die WiWo in tiefen Inhalt investiert, denn dann kaum einer im Web liest. Dito die Alternative mit Micropayments für Artikel. Das mache ich einmal und wenn es dann nichts taugt, danke schön.

    Zweiter Punkt: Ihr neues Lay-out mag ansprechender sein, aber es ist bei allem auch Verpackung. Wenn der Inhalt nicht stimmt und ich auch in der WiWo oft genug olle Kamellen goutieren muss, ist mir das schlicht wurscht. Frischer Inhalt, nicht immer vom gleichen, sondern überraschendes, würde helfen. Einschätzungen, kritische Kommentare, nicht immer das gleiche Gejammere um die ach so schlimme Einschränkung der Wirtschaft oder die ewig langen und oft nichtssagenden Rankings zu irgend einem Thema. Aber das ist dann eine Frage, ob ein Verlag wirklich in Journalismus investiert, als Vorleistung, mit zugegeben ungewissem Ausgang.

  6. Als langjährige WiWo-Leserin muss ich an dieser Stelle anmerken, dass ich das neue Layout eher peinlich finde – allein „Der Volkswirt“ in Lila und Creme! – soll das Ambiente einer Frauenzeitschrift wirklich die Rettung im digitalen Zeitalter bringen?
    Vielleicht liegt das Problem auch tiefer: Immer mehr Menschen schaffen es gar nicht, längere Texte zu lesen und deren Inhalt zu erfassen. Qualitätsjournalismus kann aber nicht in Texthäppchen stattfinden – egal, wie hübsch die Verpackung dazu ist …

  7. Meines Erachtens ist es wichtig, die Motive der beiden goßen Player Facebook und Google zu unterscheiden. Denn während Googles Geschäftsmodell auf der Vielseitigkeit und Dynamik des offenen Web basiert, strebt Facebook langfristig die Ablösung desselben an. So gesehen sind die Angebote von Google deutlich weniger gefährlich als die Instant Article-Strategie mit dem Ziel, bislang unabhängige Mediendestinationen perspektivisch vollständig in den eigenen Herrschaftsbereich zu ziehen.