Blackberry-Hersteller RIM: Eine tickende Zeitbombe – die jetzt explodiert ist

Ende vergangener Woche hat der kanadische Smartphone-Pionier geradezu desaströse Zahlen vorgelegt. Dabei kommt der Niedergang des Blackberry-Erfinders eigentlich nicht wirklich überraschend. 

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hat der Blackberry-Hersteller Research in Motion (RIM) sogar Pessimisten überrascht – allerdings auf der Sollseite: Denn die jüngsten Quartalszahlen des Smartphone-Pioniers sind sogar noch schlechter als von Anaylsten erwartet: So fuhren die Kanadier im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2012/2013 ein Minus von fast 520 Millionen Dollar ein; im gleichen Vorjahreszeitraum stand noch ein Plus von gut 700 Millionen Dollar in den Büchern.

Gegensteuern will der deutsche RIM-Chef Thorsten Heins jetzt, indem er mit einem drastischen Schritt das Steuer rumzureißen versucht: Fast ein Drittel der Belegschaft, 5000 von zuletzt 16.500 RIM-Mitarbeitern, sollen jetzt gehen, damit das Unternehmen aus den roten Zahlen kommt. Dass damit tatsächlich eine Kehrtwende gelingen kann, scheint aus mehreren Gründen fraglich: Zum einen befinden sich die Kanadier aktuell in einer Abwärtsspirale, die bei Lichte betrachtet seit langem kommen  zu sehen ist.

Niedergang lange durch vermeintliche Erfolge in Drittmärkten überdeckt

Nimmt man Umsatzwachstum, Umsatz und Gewinn in einem Zehn-Jahres-Vergleich, erkennt man, dass das Wachstum des Blackberry-Erfinders bereits seit Mitte 2008 kontinuierlich abnimmt – und das Unternehmen im Finanzjahr 2012 erstmals um sieben Prozent geschrumpft ist, wie Dan Frommer vom Technologieblog „ReadWriteWeb“ in einer anschaulichen Grafik deutlich macht.

Frommers Argumentation geht so: Mitte 2007, also vor genau fünf Jahren, ist das iPhone auf den Markt gekommen; ein Jahr darauf, Mitte 2008, hat Apple den App Store für Fremd-Applikationen geöffnet. Damit habe der Niedergang von RIM begonnen, sei aber lange Zeit durch vermeintliche Erfolge beim Verkauf von Blackberrys in Europa, Lateinamerika oder Asien überdeckt worden. Die ersten eigenen Touch-Geräte seien ein Witz gewesen. „So war RIM eine tickende Zeitbombe“, so Frommer – die inzwischen explodiert ist.

Quelle: ReadWriteWeb

Damit freilich nicht genug: Denn kurzfristig gibt es keinerlei Hinweis auf eine Trendwende, Stellenabbau hin oder her. Ganz im Gegenteil, es scheint, als könne sich der Niedergang der einstigen High-Tech-Ikone sogar noch beschleunigen. Denn zu allem Überfluss hat der RIM-CEO Heins vergangene Woche auch noch eingestehen müssen, dass das lange Zeit als wichtiger Hoffnungsträger propagierte neue Smartphone-Betriebssystem Blackberry 10 nicht Ende 2012, sondern erst 2013 auf den Markt kommen. Bis dahin könnte es für die Kanadier freilich zu spät sein.

Wenig verwunderlich also, dass die Aktie nachbörslich um 18 Prozent eingebrochen ist, und zeitgleich wilde Spekulationen über mögliche Partner oder Käufer aufgekommen sind: Eine lautet, RIM könne ähnlich wie der ebenfalls angeschlagene Handy-Pionier Nokia sein Heil in einer Partnerschaft mit Microsoft suchen und auf deren demnächst neu erscheinendes Smartphone-Betriebssystem Windows Phone 8 wechseln.

Kommt der Smartphone-Dreisprung Microsoft-Nokia-RIM?

Auf den ersten Blick wäre solch ein Schritt in der Tat attraktiv: Immerhin könnte Microsoft dank seiner finanziellen Potenz als eine Art Rettungsanker für RIM fungieren, die Kanadier umgekehrt verfügen immer noch über 80 Millionen Abonnenten und sind weiterhin stark bei Unternehmenskunden. Eventuell könnte Microsoft ja sogar zum ganz großen Wurf ansetzen und sich neben RIM die im Endkundengeschäft immer noch starke Marke Nokia einverleiben. Pro und Kontra dieses Smartphone-Dreisprungs hat mein Kollege Matthias Hohensee am Wochenende analysiert.

So oder so: Viel Zeit zum Handeln bleibt Blackberry-Chef Heins nicht mehr. Denn wie dramatisch der Einbruch beim RIM ist, zeigt sich beim Blick auf die Zahlen der vergangenen drei Jahre. Seit dem vierten Quartal 2011 ist der Gewinn von fast einer Milliarde Dollar in nur fünf Quartalen auf ein Minus von einer halben Milliarde steil herabgesackt. Offenbar hat RIM im Smartphone-Geschäft völlig den Boden unter den Füßen verloren: Laut Marktforscher IDC sank der Marktanteil im ersten Quartal 2012 auf 6,9 Prozent – vor einem Jahr war noch jedes fünfte verkaufte Smartphone ein Blackberry, wie das Datenportal Statista in folgender Infografik aufbereitet hat:

Quelle: Statista/IDC

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Alle Kommentare [3]

  1. Sicherlich muss Research in Motion eingestehen lange die Zeichen der Zeit nicht wahrgenommen zu haben.
    Jedoch sollte man neben all der schlechten Nachrichten auch auf das Gute schauen – blick in die Zukunft.

    Research in Motion hat erfolgreich mehrere strategische Unternehmen eingebunden ueberfluessigen Mitarbeiter kuendigen – dieses ist jedoch arbeitsrechtstechnisch in einem „erfolgreichen“ Unternehmen sehr schwer – vor allem in Kanada.
    In der momentanen Lage wird es leichter.

    Vor allem darf man jedoch eines nicht ausser Acht lassen:

    Den Zukauf von QNX

    Leider findet sich in der momentanen Berichterstattung nicht viel ueber dieses System und was seine Vorteile sind.

    Das QNX system ist durch sein Design aeusserst robust und hierdurch definitiv das System der Zukunft.

    Zum Einsatz kommt es unter anderem in Folgenden

    – The MQ-1 Predator Drone
    – Nuclear Power Plants
    – Audi’s MMI Navigation Unit
    – GE’s Mark Vle Control Plattform
    zusaetzlich in vielen Computer gestuetzten medizinischen Geraeten

    Letztlich kann man sagen es kommt ueber all dort zum Einsatz, wo ein Versagen des Systems verheerende Folgen haben wuerde.

    Vom System her ist Research in Motion also gut aufgestellt.

    Blickt man jedoch mal auf das was gerade ist und warum immer noch gut 80mio Menschen BB’s nutzen dann stellt man sehr schnell fest das diese Menschen oft die gleichen Atribute teilen:

    Ein Blackberry ist ein Werkzeug welche die Kommunikation von Menschen die hyper-connected sind sicherstellt.
    Ich persoenlich kommuniziere taeglich mit per Blackberry (sei es nun E-mail/twitter/facebook und BBM) mit Menschen die auf allen Kontinenten der Erde leben.
    Hierbei geht es um schnelle Informationsweitergabe.

    Ich kann aus Erfahrung sagen, dass Menschen die mit einem Full-Touch- Device chatten und emails schreiben bei weitem nicht so effizient arbeiten wie Blackberry-User.

    Nebenbei ist ein Blackberry halt kein Device der zum Konsum gedacht war. Soll heissen: den Speicher bis zum Zusammenbruch mit Apps die man downloaded weil andere sie auch haben, man sie jedoch nur wenige male nutzt, hierzu war der Blackberry nie gedacht.

    Jeder der also ueber Blackberry’s flucht sollte 1. das neue os7 gegen andere Geraete vergleichen und nicht einen 8530 der auf os4 laeuft mit einem iphone 4s vergleichen.
    Man vergleicht ja auch keine A5 mit nem Ural-Truck um festzustellen das der Ural dem A5 auf der Autobahn nicht gewachsen ist.
    Jedoch schaut der A5 in der russischen Taiga ziemlich alt aus.

  2. Georg Ph E H: Würde mir als überzeugter BB-User auch wünschen, dass die Rettung gelingt. Aber offenbar bleibt sehr wenig Zeit. Und QNX wäre nicht das erste System, das infolge schwachen Marketings untergeht.

  3. Selbst ich als Privatmensch bin begeisterter Blackberry-User. Allein schon das Push-Mail-System ist fantastisch, auch 6.0 läuft bei mir vollkommen stabil. Ich bekomme allle Informationen, die ich benötige. Ich höre Musik damit, schaue Videos usw. einfach alles fantastisch.
    Ich bin auch davon überzeugt, dass das Marketing zu schwach ist. Ich sehe überall nur Werbung für ein einziges bestimmtes Smartphone; RIM wirbt zu wenig oder gar nicht im Privatkundensektor. Ein Blackberry-System und der BIS für Privatkunden ist datensicher – es gibt keinerlei Werbung über die Übermittlungssicherheit der Daten mittels BIS. So kann man keine Privatkunden an Land ziehen.
    Sehr schade.