Die ewiggestrigen Totholz-Publikationen – oder die Unehrlichkeit der Internet-Szene

Printmedien zu verhöhnen gehört in manchen Kreisen ja schon zum guten Stil. Verlogen klingt dies freilich zumindest bei all jenen, die mit der Branche immer noch gutes Geld verdienen.

Als Journalist für eine klassische Print-Publikation ist man es ja schon seit langem gewohnt, von Vertretern der Internet-Szene oder Blogsphäre gedisst zu werden, wie es heute Neudeutsch so schön heißt: Sei es als „Vertreter eines sterbenden Dinosauriers“ wegen der weitgehend vergeblichen Bemühungen der Verlage, endlich auch Geschäftsmodelle fürs Online-Zeitalter aufzubauen.

Oder als Totholz-Vollschreiber, gewissermaßen ein papierner Reaktionär als Kontrast zum ach so hippen Befüller eines Blogs. Bis hin zum Spott als „sogenannter Qualitätsjournalist“, weil unser Berufsstand ja abgrundtief eingebildet und von der eigenen Bedeutung überzeugt ist, obwohl er ständig Fehler produziert.

Normalerweise kratzen mich derlei Frotzeleien nicht, Stichwort „Viel Feind, viel Ehr“. Anders sieht das freilich aus, wenn die Generalschelte von jemandem kommt, der geschäftlich nicht unwesentlich auf die Branche angewiesen ist. In der vergangenen Woche etwa hat PR-Berater Björn Eichstädt via Kurznachrichtendienst Twitter seinem Frust über den angeblichen Saustall Deutsche Bahn folgendermaßen Luft gemacht:

Eichstädt ist Geschäftsführer der PR-Agentur Storymaker mit Sitz in Tübingen. Unabhängig davon, ob er mit seiner Klage nun auf achtlos weggeworfene Tageszeitungen der Reisenden oder die in ICEs regelmäßig ausgelegte Bahn-Kundenzeitschrift „mobil“ abzielt: Ich wage mal die gar nicht kühne These, dass sich das Gros der Storymaker-Kunden, vorrangig Unternehmen aus der IT-Welt, angesichts der schieren Verbreitung alle Finger danach ablecken würde, um mit einer Geschichte in „mobil“ zu erscheinen.

Und damit meine ich die gedruckte Version. Nicht aus Arroganz gegenüber Blogs oder sonstigen Online-Medien (sonst betriebe ich ja kaum selber einen). Sondern weil für viele Menschen – auch aus der sogenannten Generation Internet – Printpublikationen noch immer etwas Besonderes darstellen. Und zwar zum einen aufgrund der Haptik eines gedruckten Heftes im Gegensatz zu einem Artikel im Internet. Und vermutlich auch wegen der längeren Aufmerksamkeitsspanne von Print- im Vergleich zu Online-Geschichten.

Etwas in der Art scheint kürzlich jedenfalls auch Romy Mlinzk verspürt zu haben. Mlinzk war bis Ende August bei der Hamburger PR-Agentur Achtung für Social Media und digitale Kommunikation verantwortlich. Man kann sie daher wohl guten Gewissens als online-affin bezeichnen. Ende August hat Mlinzk kurz vor einem Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“ getwittert:

Eine vergleichbare Ehrlichkeit würde ich mir bei mehr Vertretern der Internetszene wünschen – zumindest bei jenen, die im weitesten Sinne auch mit klassischen Zeitungen und Magazinen Geld verdienen. Ich behaupte nämlich mal, dass etwa die Kunden von PR-Agenturen, also Unternehmen und Organisationen, nicht gerade begeistert wären, gäbe es ausschließlich Blogs oder Internet-Portale für ihre Botschaften.

Noch mal zur Klarstellung: Mir geht es nicht darum, Blogs als schlechter oder minderwertiger darzustellen. Aber vielleicht sollte sich jeder mal selbst kritisch fragen, ob die Welt wirklich besser wäre, würden morgen alle ach-so-altmodischen Medien verschwinden.

Apropos: Heute gibt’s die neue Ausgabe der deutschen „Wired“ am Kiosk – gedruckt, auf Papier. DAS KultBLATT der weltweiten Internet- und Tech-Szene. Ich sag‘ ja bloß…

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Alle Kommentare [28]

  1. Interessante Interpretation meines Tweets. Faktisch war es aber eher so, dass sie nicht stimmt. Also GAR NICHT. Es ging nicht um die „Mobil“. Es ging auch nicht um die Ächtung von Print – ich selbst habe mit 7 privaten Print-Abos sicherlich mehr, als die meisten klassischen Printleser. Sondern es ging darum, dass Zugfahrer riesige Berge von zerknüllten, mit Kaffee betropften Zeitungen auf ihren Plätzen resp. den Zugtischen liegenlassen. Tageszeitungen. Nicht Wochenmagazine wie die Wiwo, um hier auch gleich mal zu beruhigen. Also: alles halb so schlimm 🙂

  2. Danke für Deine Klarstellung. Wie dem auch sei: Fakt ist dennoch die These des Print-Dissens in (Teilen) der Internet-Szene, wenn gleichzeitig doch noch viele von profitieren und/oder sich gerne da drin sähen. Nix für ungut persönlich… 😉

  3. Auch diese Interpretation ist nicht ganz richtig. Das eine ist eine EIGENE Haltung zu etwas (ich etwa finde, dass wir TAGESzeitungen langsam nicht mehr brauchen). Das andere ist der Wunsch eines Kunden. Das dritte ist eine Reichweite. Ich persönlich kann WETTEN DASS blöd finden, aber ich würde trotzdem kein Problem darin sehen, wenn jemand gerne in WETTEN DASS auftauchen wollen würde, um Reichweite zu erzielen. Das ist ein bisschen ein Vermischen von Dingen.

  4. Lieber Herr Kroker, dann sollten Sie vielleicht Ihre Mutmaßungen oben korrigieren – oder? Sonst bleibt nämlich diese Unterstellung doch so stehen.

  5. @dingPong: Da gibt’s nichts zu korrigieren, weil es hier um eine grundsätzliche Haltung in Teilen der Szene geht. Oder soll ich jetzt noch 37 andere Tweets raussuchen. Es geht mir um die grundsätzliche Sicht.

    @Björn Eichstädt: Dennoch sei die Frage erlaubt, warum Du dann von „Totholzpublikationen“ sprichst.

  6. Es ist fast sowas wie ein Generationenkonflikt, bei dem beide „Seiten“ sich gegenseitig Arroganz vorwerfen. Print (und andere offline)medien z.B. nehmen onlinemedien immernoch nicht für voll, und bedienen sich weitenteils dort nach Belieben. Ohne Hinweis auf Quellen, ohne Respekt vor dem Urheberrecht – versuchen aber andersherum eine Sonderbehandlung zu bekommen, siehe Leistungsschutzrecht (LSR).

    Die ironische Bezeichnung „Qualitätsmedien“ bzw. „Qualitätsjournalist“ hat sich die Printbranche aber selbst zuzuordnen, da sie immer darauf besteht sie würden Qualität liefern, die es online nicht gäbe. Um dazu nur einen aktuellen Fall aufzuzeigen: https://www.stefan-niggemeier.de/blog/luegen-wie-nicht-gedruckt/

    Das ist kein Einzelfall, und daher nicht verwunderlich wenn die Presse die immer auf ihre vermeindliche Qualität pocht, und ihre eigenen Qualitätsmaßstäbe nicht erfüllen kann, ironisch als Qualitätsirgendwas bezeichnet wird. Viele aktuelle Printartikel in Tageszeitungen bestehen zum großen Teil aus DPA-Meldungen, das hat nichts mit Qualität zu tun.

  7. ah, mein letzter Kommentar wurde geschluckt… dann nochmal: Weil „Totholzpublikationen“ ein in der Internetszene (es handelte sich um einen Tweet) akzeptiertes und bekanntes Synonym für „Printpublikationen“ (da fallen auch Bücher drunter) ist. In diesem schwingt ein wenig mit, dass möglicherweise weniger gedruckt werden müsste und dass das Ressourcen (also Holz) sparen würde. Es geht der PR auch nicht darum in Print zu erscheinen. Sondern Reichweite für ein Thema zu erreichen. Das kann auch mal via Spiegel online passieren. Da freuen wir uns genauso drüber wie über eine Publikation in der Mobil. Aber ich persönlich würde mich freuen, wenn insgesamt weniger gedruckt würde. Das gilt auch für ausgedruckte Fahrkarten im Zug, für Flugtickets/Bordkarten etc. etc.

  8. Björn Eichstädt redet von „Totholzpublikation“ weil Print genau das ist. Papier ist totes Holz. Viele Zeitungsartikel erscheinen auch online, und da muss man eben differenzieren. Ich rede übrigens auch von „Totholzbüchern“, und ich besitze keinen eBook-Reader (zumindest keinen dedizierten), und ich liebe meine Bücher, und es kommen jeden Monat viele Neue hinzu.

    Totholz… ist einfach eine Art „Slang“.

    Ach, nochwas: Im Nachnamen von snoopsmaus ist ein „k“ durchgerutscht, im letzten Auftauchen vor dem Tweet.

  9. @SunTsu: Na ja, Generationskonflikt, ich weiß nicht. Zum einen bin ich trotz langjähriger Zugehörigkeit zur Print-Redaktion auch noch nicht sooo alt, als dass ich vom „so genannten Internet“ sprechen würde 😉 Zum anderen macht auch das ständige Wiederholen der These, ALLE Alt-Publikationen würden Blogs etc. nicht ernst nehmen, einfach nicht korrekter. Ich arbeite für Print UND Online, und wer hier in meinem Blog oder meine Artikel auf WiWo.de regelmäßig liest, merkt schnell, dass ich IMMER auf die Quellen verlinke, egal ob direkte Konkurrenz (FAZ.net, WSJ.de… ) oder Tech-Blogs. Und danke für den Fehler-Hinweis.

    @Björn: Genau auf diese negative Konnotation zielte ich ja ab. Das schwingt halt immer mit bei der gesamten Diskussion Print vs. Online. Wobei ich ebenjene Trennung auch als immer überflüssiger betrachte. Aber das ist vielleicht ein Thema für den nächsten Rant. Nebenbei: Natürlich sollten weniger Tickets etc. gedruckt werden, wer wollte das schon leugnen.

  10. Ich habe keine Ahnung warum, aber ich glaube, die ganze Print-ist-mehr-Qualität-als-Online- vs. Totholz-ist-so-total-gestrig/-borniert/-unfähig-Diskussion hat auf beiden Seiten mit einem Bündel von Mega-Missverständnissen zu tun.
    Auf der einen, papierenen Seite ist da bei vielen sicher Angst um die eigene Zukunft im Spiel, aber eben auch das Erleben, dass online tatsächlich ganz viel die Runde macht, was nicht verifiziert ist. Und da verfließen die Grenzen zwischen Qualitäts-Blogs und zweifelhaftem Online-Grundrauschen allzu leicht.
    Und auf der anderen Seite sitzen eben leider auch in vielen (beileibe nicht allen) Fällen Leute, die sich in Ihrer Wertigkeit nicht ausreichend geschätzt fühlen und – sei es aus gekränktem Ego, sei es aus eigener Überheblichkeit oder eben auch, dem Gefühl, dass ihnen die strauchelnden Medien am Herzen liegen – umso vehementer für die eigene Sache trommeln. Und ganz nebenbei schmeißt so mancher Online-Propagandist in Sachen „Qualität“ die Hölzlein-Gilde nicht minder gerne in einen Topf.
    Weil einzelne (Schreiber oder Zeitungen) es mit Wahrheit und Fakten – versehentlich oder als Geschäftsmodell – nicht allzu ernst nehmen, gleich der ganzen Branche ein Qualitätsproblem vorzuwerfen, greift genauso zu kurz, wie „alle Blogger“ als oberflächliche Nerds abzutun.

    Disclaimer: Ich fülle im Auftrag eines schwäbischen Verlegers – seit 16 Jahren – sowohl leere Seiten aus Papier als auch aus HTML-Code.

  11. @Michael genau. Es sollte grundlegend weniger gedruckt werden, was man elektronisch genauso gut verbreiten kann. Deshalb eben klar „Totholzpublikationen“. Totholzpublikation ist übrigens NICHT das Gegenteil von Blog. Es ist auch kein Synonym für „Qualitätsjournalismus“ oder „klassisches Medium“, sondern eine Bezeichnung für gedrucktes Material. Die Süddeutsche Print ist eine Totholzpublikation. Die gleiche Süddeutsche als iPad App NICHT.

  12. @Thomas Kuhn – ja, sehe ich genauso. Undifferenziertheit ist aber leider natürlich eine Grundregel des Journalismus und der PR (on- und offline). Denn: Differenziertheit macht keine schmissige Headline und keine schmissige Message. Hätte Michael geschrieben: „Manchmal ist die sich teilweise dem „Internet“ zugehörige Szene etwas undifferenziert in ihren Aussagen“ dann würde hier ja keiner diskutieren. Aber „Die Unehrlichkeit der Internet-Szene“ – das hat ja schon was. 🙂

  13. Gestern am späten Abend im Eurocity auf dem Rückweg aus Köln war ich froh, noch eine gelesene „Süddeutsche“ zu finden. Abwechslung!

    Was den Ressourcenverbrauch durch Druck angeht, weiß ich übrigens nicht, ob das Internet so gut dasteht, Stichwort Google-Suchen…

  14. @FrankBehrens zumindest gibt es inzwischen Studien, die belegen, dass das Aufladen eines iPads in einem Jahr weniger Strom braucht als der Betrieb eines Kühlschranks an einem Tag. Und Googeln ist ja was anderes als Lesen. Die Vergleichsgröße ist: Ressourcenverbrauch für das Lesen einer Publikation als Printprodukt und als E-Paper. Müll macht die Printversion garantiert mehr :-)))

  15. Kein Grund, sich zu beklagen.

    Der Begriff ‚Totholz‘ entstand als Reaktion auf ‚Internettagebuch‘. So habt ihr aus dem Printbereich noch bis vor kurzem die Blogs bezeichnet. Darin enthalten war der Vorwurf, diese Tagebücher würden nur kommentieren, was der ‚richtige‘ Journalismus hervorbringt.

    Ähnlichen Spott haben Buchverlage über eBooks verbreitet – und dann kam der Kindle.

    Es ist überaus amüsant, Meinungen von etablierten Journalisten aus den Jahren vor 2008 über das elektronische Publizieren zu lesen. Das gegenseitige Verspotten hat jedenfalls auf der Print-Seite seinen Anfang genommen.

    Aber keine Sorge – Print wird bleiben. Ich darf auf einen Artikel von mir hinweisen?

    https://gerhardbaumann.wordpress.com/2012/07/05/wird-die-traditionelle-buchbranche-untergehen/

    Da geht es zwar um gedruckte Bücher, der Beitrag bezieht sich aber auch auf Magazine usw. Print und Netz sind nicht nur zwei Medien, sondern haben auch zwei Märkte!

    MfG GB

  16. Noch viel witziger finde ich, dass der oben stehende Beitrag mit dem Instrument „Rant“ (klassische Onliner-Kiste im Gegensatz zu den „etablierten“ Medien) versucht, gegen die „Onliner“ zu schießen. Aber das ist nochmal ein anderes Thema 😉

  17. @Björn: Du unterstellst mir etwas, das ich mitnichten beabsichtige: Gegen „Onliner“ zu schießen. Grund: Bin selber einer, und zwar mit Begeisterung und Leidenschaft. Ich wehre mich nur gegen einseitige Anti-Print-Propaganda – eine gewisse Zuspitzung meinerseits ist dabei indes durchaus beabsichtigt… 😉

  18. @Michael so langsam muss ich aber auch auf einer Richtigstellung im oben stehenden Beitrag bestehen. Denn da werden mit meinem Tweet weiterhin Dinge bei Dir assoziiert, die mit mir nix zu tun haben. „Ich mache keine „Anti-Print-Propaganda“ sondern eine „Anti-Wegschmeiss-Propaganda“… und ich müsste das nicht eigentlich besser wissen. Ich bin gegen wegwerfen und Müll in großem Stil. Das lasse ich mir auch nicht ausreden.

  19. Ich meine mich zu erinnern, dass ich von Romy mal einen Rüffel erhalten habe, weil ich sie als PR-Kollegin bezeichnete, sie sich aber vor allem Community Manager versteht 😉

    Aber davon mal abgesehen. Kein Print-Medium der Welt wurde „In der Szene“ (brrrrrr) für so tot erklärt wie es zum Beispiel bei „myspace“ oder „studi vz“ der Fall ist und hej: beide sind noch online…

    Totholz ist nun wirklich ein dermaßen anerkannter Schnack, da braucht man doch kein Wort drüber verlieren. Was ist mit Blöd-Zeitung, was mit Schmuddelmagazin (könnte auch Erotik heißen)?

    Ein wirklich seltsamer Beitrag ist das…

  20. befremdlich für mich diese Diskussion. Was hat das nochmal mit Ehrlichkeit zu tun? Jeder Mensch hat so viele Facetten und vorallem Tweets aus dem Alltag, die belegen doch wunderbar über die Zeit, wie ehrlich jemand kommuniziert.

    Und das gute an Online Publikationen ist ja immer noch, dass man sie ändern kann (mit Nachtrag gekennzeichnet selbstverständlich wir wollen ja alle ehrlich sein)

  21. Allein der Begriff „Totholzpublikation“ für alles Gedruckte ist ziemlich abwertend. Und je öfter der hier in den Kommentaren auftaucht, desto hässlicher wird er…
    Unsere gesamt Zivilisation der letzten 5.000 Jahre (auch das ägyptische Papyrus zählt!) ist auf Papier aufgebaut. Die elektronische Weitergabe von Wissen und Texten gerade mal ein paar Jahrzehnte.
    Ich hätte den ersten Tweet auch falsch verstanden.

  22. Wir lassen unsere Internet World Business auch noch alle zwei Wochen drucken, und das wird auch bis auf weiteres so bleiben. Ich sehe die Bruchlinie zwischen „Journalist“ und „Blogger“ nicht beim Medium, in dem sie publizieren (ich habe schon im Internet publiziert, als viele der heute so selbstbewusst auftretenden Jungblogger noch nicht schreiben konnten), ich sehe sie beim Geschäftsmodell. Wer mich als ewiggestrig bezeichnet, weil mein Medium auch ohne Batterie funktioniert, der soll ruhig weiterblubbern. Allerdings habe ich schon zahllose Pauschalvorwürfe der Sorte gehört, die Journalisten seien ja alle den wirtschaftlichen Zwängen der Anzeigenkunden unterworfen und sowieso gekauft. Und da hört der Spaß dann schlagartig auf. Jemand, der viel arbeitet, ohne sich dafür bezahlen zu lassen, kann es sich entweder leisten, weil er reich ist, oder er verfolgt damit Ziele, die nicht offenbar werden – und deshalb nicht zwingend lauter sein müssen. Ich gehe morgens ins Büro, weil ich von dem Geld, das mir mein Verlag bezahlt, meinen Lebensunterhalt bestreite. Das ist ebenso fair wie transparent. Und die Sorte Journalismus, die wir hier betreiben, wird es nicht geben, wenn sie niemand bezahlt, sei es über Vertriebserlöse oder über Werbeeinnahmen. Ich glaube nicht, dass der Journalismus gewinnt, wenn er auf freiwilliger No-Profit-Basis betrieben wird. Die Geschäftsmodelle, mit denen traditionelle Medien heute Journalismus finanzieren, haben sich in Jahrzehnten entwickelt. So weit ist Onlinejournalismus in den meisten Fällen noch nicht. Und eins ist sicher: Ohne Moos nix los.

  23. Papier gehoert auf die Toilette oder an die Wand. Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt gedruckte Informationen, die am naechsten Tag nicht mehr aktuell sind. Ressourcenverschwendung deluxe.

    Aufgepasst, ich beziehe mich nur auf das Medium und da hat Papier als Informationstraeger ausgedient. Das wird auch hoffentlich mal die Wired feststellen, von der ich genau das erwarte, ja verlange

  24. Oh, einiges passiert hier.

    @Sebastian mei, es gibt so Tage 😉

    @sufranke das ist so ne Sache. Was für andere gilt, gilt noch lange nicht für einen selbst.

    @Petra die Kultur ist mitnichten auf Papier aufgebaut. Im Gegenteil. Papier war immer das, was am Ende einer Ära den Flammen zum Opfer fiel. Über die ägyptische Kultur wissen wir sehr wenig über Papyrus – wir wissen vor allem etwas über Steine (mit eingeritzter Schrift). Die Entzifferung der Hieroglyphen war möglich aufgrund eines Steins mit drei Typen von Schrift, nicht auf Basis von Papier – die Zeugen von vergangener Zeit, war diese nicht auf Seiten der „Sieger“, sind als Papier in der Regel Flammen zum Opfer gefallen. Die Aufbewahrung von Tageszeitungen fand in den meisten Bibliotheken übrigens auf „Microfiche“ statt, nicht auf Papier

    @Sascha ab so lut

  25. Sorry, NEIN, Papier hat nicht ausgedient. So lange digitale Medien nicht in der Lage sind ohne elektrischen Antrieb/Wiederaufladung zu funktionieren, so lange braucht es Material zum Informationstransport oder zur Informationslagerung, das auch stromlos „geht“.

    Wir leben hier in einer vergleichsweise komoden Welt der (nahezu) ständigen Elekritizätsverfügbarkeit, da mag ein iDings oder ein Andersoid die meiste Zeit gute Dienste tun. Aber wir alle wissen, wie schnell der Saft zur Neige geht. Wer meint, er habe beim digitalen Inhalte-Konsum kein Energieproblem, der denke einfach drei Stunden später noch mal über die Aussage nach.

    Und noch ein Punkt gefällt mir an der alles-ist-online-sofort-verfügbar-und-am-nächsten-tag-überholt-Denke überhaupt nicht. Wer nicht arbeitslos ist und ohnehin nichts anderes zu tun hat als sich vom Nachrichtenstrom aus seiner Timeline berieseln zu lassen, der bekommt eben doch nicht alles mit. Ich jedenfalls muss auch mal „abschalten“ und nachdenken und mir die Mühe machen über Dinge zu reflektieren. Sonst kommt nämlich am Ende nichts Durchdachtes ins Blatt oder aufs Display.

    Und da bin ich (und vermutlich noch ein paar andere Menschen) dann doch ganz froh, wenn sich jemand anderes über den Tag hin Gedanken macht, wie Geschehen einzuordnen ist, und welche Folgen bestimmte Entwicklungen haben. Dass ich damit eine Filter- und Vorbewertungsfunktion an andere abtrete, das weiß ich.

    Aber damit kann ich leben, weil ich ja zum Glück die Wahl der Vorbewerter habe. Dabei ist es mir übrigens egal, ob diese Sichtung und Analyse on- oder offline stattfindet. Fakt ist in beiden Fällen, dass sie mehr Zeit braucht als den digitalen Schnellschuss (den ich mit meinen Reporter-Tweets durchaus auch gelegentlich liefere). Und ich habe daher auch kein Problem damit diese Filterung erst am Morgen des Folgetages zu konsumieren.

    Dass ich das (auf Papier) sogar dann noch kann, wenn ich am Abend vergessen habe, mein Smart-Dings über Nacht an die Steckdose zu hängen, macht mir die papierenen Medien dann erst noch sympatisch.

  26. @ThomasKuhn da sind aber jetzt doch ein paar Löcher drin. Warum sollte ich nicht etwas, das ich reflektiert habe, dann digital veröffentlichen? Ich lese total lange Bücher auf meinem Kindle. Die sind digital (Word o.ä.) entstanden, die sind digital publiziert. Und trotzdem total reflektiert. Was hat Reflektiertheit jetzt genau mit Print zu tun?