Mein CeBIT-Fazit: Real schlägt virtuell

Nach drei Tagen in der niedersächsischen Tiefebene konstatiere ich wieder einmal: Ja, ich fahre gerne nach Hannover, und es lohnt sich!

Dass ich ein glühender Anhänger von Social Networks und digitaler Kommunikation bin, kann ich ja kaum leugnen – und will es auch gar nicht, siehe etwa hier, da oder dort.  Dennoch soll niemand meinen, ich würde persönliche Kontakte dadurch weniger schätzen zu wissen – ganz im Gegenteil. Das hat mir die diesjährige ITK-Messe CeBIT einmal mehr bewiesen, die ich von Montag bis gestern besucht habe; immerhin seit meiner Premiere 1997 zum 16. Mal mal in Folge.

Und trotzdem fahre ich immer noch gerne dort hin – trotz mancher Wetterkapriolen, die im März üblicherweise über das Messegelände im Süden Hannovers fegen. Grund: Es ist eben doch etwas völlig anderes, ob ich mit Geschäftskontakten und Kollegen virtuell via Twitter, Facebook oder E-Mail kommuniziere. Oder man sich von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzt und eine Stunde die neuesten Branchentrends diskutiert. Ich empfinde das immer wieder als Gewinn, auch weil sich gewisse Gespräche im Laufe der Jahre als eine Art Konstante entwickelt haben, ja fast schon gute Messetradition geworden sind. Eben ganz gemäß dem Motto: Real schlägt virtuell.

Auch inhaltlich und von den erwarteten Zahlen muss sich die CeBIT, die immer noch mit Abstand die weltgrößte ITK-Messe ist, eigentlich nicht verstecken. Dennoch ist das Genörgel gerade in Deutschland alljährlich stets hoch. Während die US-Konkurrenz Consumer Electronics Show (CES) im Januar sowie der im Februar in Barcelona stattfindende Mobile World Congress (MWC) als die angesagten Branchenveranstaltungen gelten, muss sich die CeBIT immer stärker des Rufes erwehren, thematisch veraltet und letztlich überflüssig zu sein.

Typisch deutsche Diskussion

Eine sehr deutsche Diskussion, wie ich finde: Gewiss, viele Produkt-News gab’s zuvor bereits auf der CES oder dem MWC. Das lässt sich aber auch kaum vermeiden, findet etwa die im Mai 2011 zur IBM-Deutschland-Chefin berufene Martina Koederitz: „Die Industrie ist so schnell geworden, dass man als Anbieter schlicht nicht mehr zwölf Monate für eine CeBIT-Ankündigung als ‚Big Bang‘ warten kann.“ Dennoch bewerten viele Anbieter die Messe weiterhin sehr positiv. So wie Christian Lamprechter, seit September 2011 neuer Deutschland-Chef von Intel: „Die CeBIT ist für uns ein großes Pfund“, so Lamprechter. „Aber die Messe krankt ein bisschen daran, dass wir in Deutschland nicht wirklich dahinter stehen; es fehlt im Vergleich zur Konkurrenz die emotionale Aufladung.“

Dabei könnte der weltgrößte Chiphersteller selber möglicherweise gar als Blaupause für den Weg dienen, den die Messe insgesamt gehen muss. Denn Intel verkauft seine Halbleiter sowohl an Geschäfts- wie an Endkunden. Doch im Gegensatz zur CeBIT ist es den Amerikanern in den vergangenen Jahren gelungen, bei seinem Messeauftritt beide Seiten abzudecken. Diesen Neudeutsch „Konsumerisierung der IT“ genannten Trend, also die Verbreitung von ITK-Trends vom Endkunden ausgehend hin in Richtung professioneller Nutzer, muss die Messe insgesamt in den Augen von Lamprechter noch stärker berücksichtigen: „Schließlich befindet sich die gesamte Industrie gerade mitten in diesem Wandel, den muss die CeBIT mit abbilden.“

Bleibt zu hoffen, dass der Deutschen Messe als CeBIT-Ausrichter jene stärkere Emotionalisierung in Zukunft gelingt. Und dass wir als Beteiligte allesamt stärker begreifen, welche Chance die weltgrößte IT-Messe für den Standort Deutschland bedeutet. Dann fahren künftig vielleicht auch wieder mehr Kollegen mit positiver Grundstimmung zur Messe.

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Alle Kommentare [6]

  1. „… kann ich ja schlechterdings leugnen …“ ???
    Du meinst wohl: Kann ich schlecht leugnen.
    Oder: Kann ich schlechterdings NICHT leugnen. 🙂
    Gruß, Axel

  2. Lieber Herr Kroker,

    haben Sie ganz herzlichen Dank für Ihre Berichterstattung.

    Bin deshalb 32 Jahre bei der Messe geblieben, weil ich davon überzeugt binwas Sie in Ihrem Artikel ausgedrückt haben: business is between people – not between companies or computers.

    Beste Grüße

    Ihr
    Ernst Raue

    Deutsche Messe AG
    Messegelände
    30521 Hannover
    Germany

    Phone +49 511 89 34000
    Fax +49 511 89 34003
    ernst.raue@messe.de
    http://www.messe.de

  3. Geschätzter Kollege,
    Was soll ich noch sagen? Dass Du mir aus der Seele sprichst, vielleicht.
    Mir geht das alljährliche Cebit-Bashing auch jedes Jahr wieder auf den Zeiger. Wohl gesetzte Worte also, die meine hätten sein können.
    Gruß
    kt

  4. Gute Einordnung dieser Messe. Wo sonst – nämlich nirgendwo! – trifft man auf einem Schlag alle wesentlichen Branchengrößen im B2B (sic!). Kevin Turner hält eine Keynote, die SAP-CEOs sagen Bedeutendes zur Unternehmensstrategie, und beispielsweise auch von der Telekom erfährt man alles Wesentliche.

    Aber nein, man kann die CeBIT auch bewusst missverstehen und etwas von Gadgets daher faseln: https://gutjahr.biz/2012/03/cebit-zartbitter/. Die Messe ist schon lange keine Neuheiten-Show mehr, sondern ein Branchentreffpunkt. Und diese Rolle erfüllt sie ganz gut.

  5. Lieber Michael,

    leider hast du aber noch einen wichtigen Aspekt in deinem Kommentar übersehen. Irgendwie sind die „Abendveranstaltungen“ in der Reflexion untergegangen – ein Versehen und wohl überlegt?

    Gruß aus fast Köln
    Marc