Foursquare: Viel gecheckt, wenig gewonnen

Ortsbezogene Dienste – neudeutsch „Location Based Services“ – sind eines der Internet-Trendthemen überhaupt, wie wir einmal mehr in der vergangenen Woche in einer großen WiWo-Geschichte beschrieben haben. Einer der heißesten Vertreter jener Gattung ist Foursquare: Dabei kann man seinen virtuellen Freunden und Bekannten via Handy-Check-in mitteilen, wo man sich gerade aufhält. Klingt banal – und ist es letztlich auch. Dennoch hat der im März 2009 gestartete Dienst inzwischen bereits mehr als acht Millionen Nutzern; vor einem Jahr tummelten sich auf Foursquare erst 500.000 Menschen.

Seit gut zwei Monaten bin auch ich unter die Einchecker gegangen, man will ja mitreden können. In den rund 70 Tagen, die ich unterwegs war, habe ich fast 1000 Mal meinen Aufenthaltsort preisgegeben – das macht im Schnitt mehr als 14 Check-ins pro Tag. Einen gewissen Suchtfaktor kann man Foursquare also nicht absprechen. Der rührt vor allem daher, dass ich bei jedem Check-in Punkte sammele.

Mehr noch: Der Nutzer, der in den vergangenen 60 Tagen am häufigsten bei einer bestimmten Lokation eingecheckt hat, wird zu deren virtueller Bürgermeister befördert, dem so genannten Foursquare-Mayor. Meine bisher namhafteste Trophäe: Seit einiger Zeit bin ich Mayor des im Ausland berühmtesten Bauwerk Deutschlands – des Kölner Doms. Teilweise habe ich mir mit anderen Ein-Checkern regelrechte Wettkämpfe um den Mayor-Titel bei bestimmten Lokalitäten geliefert – Foursquare spricht also zweifellos einen niederen Spieltrieb an.

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Smartphones mit Eincheck-Apps (Bild: Foursquare)

Soweit, so wenig: Denn mehr als eine Digital-Auszeichnung ist der Mayor-Titel nicht. Im Gegensatz zu den USA, wo viele Restaurants, Geschäfte oder Schnellimbisse Foursquare als Kundenbindungs-Tool nutzen und dem Mayor bestimmte Rabatte gewähren, etwa ein kostenloser Drink pro Tag in der Stammkneipe, gibt es dergleichen in Deutschland kaum. Obwohl ich regelmäßig im Großraum Köln/Düsseldorf/Dortmund unterwegs bin, bin ich bisher nur ein Mal über ein konkretes Goodie gestolpert: In der Niederlassung der italienischen Systemgastro-Kette Vapiano in Köln-Deutz erhält der Mayor bei jedem Besuch einen Kaffee, Cappuccino oder Espresso gratis.

Warum es nicht mehr derartige Angebote gibt, ist mir ein Rätsel. Möglicherweise ist Foursquare in Deutschland eben doch noch zu unbekannt. Natürlich geht es letztlich nicht um einen Kaffee. Sondern darum, wie der Dienst seine Nutzer bei Laune hält und zum weiteren Mitmachen animiert. Natürlich, man kann sich auf der Plattform auch untereinander Tipps geben, etwa Menüempfehlungen in einem Restaurant oder Besonderheiten bei einem Bauwerk. Das allein dürfte aber nicht ausreichen, um die Eincheck-Quote der Nutzer dauerhaft konstant zu halten oder gar zu steigern. Erste Ermüdungstendenzen verspüre ich jedenfalls auch bereits.

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Kein Wunder, dass Foursquare-Gründer Dennis Crowley aktuell vor allem die Frage beantworten muss, wie er mit seinem Unternehmen überhaupt Geld verdienen will. Denn dazu müsste er seine Mannschaft enorm aufstocken und praktisch in jedem Land ein Netz von Vertrieblern aufbauen, welche die lokalen Gewerbetreibenden als zahlende Partner gewinnen. Das ist kaum zu bewältigen für ein Unternehmen, das aktuell gerade mal 60 Mitarbeiter zählt. Kein Wunder, dass erste Marktbeobachter bereits gar das Ende des Hypes ausrufen, etwa das einflussreiche neuseeländische Technologie-Blog ReadWriteWeb Mitte April mit der markigen Prophezeihung: „2011: Das Jahr, als der Check-in starb“

Aber vielleicht naht ja bereits Rettung: Groupon, das aktuell vielleicht heißteste Internet-Unternehmen überhaupt, strebt angeblich eine breite Partnerschaft mit Foursquare an, wie am Montag dieser Woche in US-Blogs berichtet wurde. Der auf virtuelle Rabattgutscheine spezialisierte Anbieter will demnach seine täglichen Sonderangebote mit Check-ins bei Foursquare verknüpfen. Vor allem aber verfügt Groupon über das, woran es Foursquare immer noch mangelt: Eine schlagkräftige Verkaufstruppe vor Ort. Es wäre also ein spannendes Bündnis – oder gar der erste Schritt hin zu einer Übernahme. Crowley selbst hat gegenüber der WiWo Anfang des Jahres auch ein Ende seiner Unabhängigkeit als Option durchblicken lassen.

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Alle Kommentare [6]

  1. Also ich mag foursquare. Es macht Spaß hier und da einzuchecken und Badges zu ergattern. Außerdem in einem kleinen Wettstreit mit Freunden zu stehen.
    Allerdings würde ich mir auch mehr „Goodies“ wünschen, wie der von Vapiano…und auch den finde ich eher uninteressant, denn nur der Mayor bekommt etwas? Eine Rabattierung bei jedem Check-In fänd ich persönlich spannender: z.B. 5% auf die Rechnung im Café oder 2,-€ Rabatt im Schwimmbad.

    Potenzial hat foursquare…mal schauen, wann es hier so richtig einschlägt.

  2. Noch ist Foursquare in Duetschland mit Sicherheit eher ein Geek-Spielzeug. Ob sich das je ändert, ist meiner Meinung nach gar nicht wichtig.

    Man kann das mit Twitter vergleichen: Ebenso wie Twitter nach wie vor (zumindest in Deutschland) nicht wirklich massentauglich ist, so sind seine Einflüsse dennoch enorm. Keine Social-Network-Plattform sähe heute so aus, wie sie es tut, hätte es Twitter nicht gegeben.

    Ähnliches wird sich wohl auch bei den Location BAsed Services einstellen. Ob es Foursquare in ein paar Jahren noch geben wird oder ob Facebook Places endlich mal zu einem wirklich angenehm nutzbaren Tool wird, ist eigentlich egal. Die dahinterstehende Mechanik hat mit steigender Smartphoneverbreitung auf jeden Fall eine rosige Zukunft, in welchem Gewand auch immer.

  3. kann es vielleicht eher daran liegen das mit Facebook-Places ein starker Konkurrent erwachsen geworden ist?
    Aus meiner eigenen Erfahrung weiss ich dass erst Gowalla und dann Foursquare hinten runter gefallen sind.
    Places ist ja auch direkt im präferierten Netz integriert

  4. Hauptsache, Kollege Kroker lässt als neuer „Mayor“
    den Dom dort, wo er hin gehört, nämlich in Kölle.

  5. Lieber Herr Kroker,

    Sie könnten auch bei friendticker einchecken und sich ordentlich belohnen lassen…. die neue App ist schick und bietet derzeit Gutscheine, Rabatte und Belohnungen u.a. von brille24, o2, und vielen Weiteren. Wir würden uns freuen – auch über einen Test.

    Grüße
    Florian Resatsch
    (Disclaimer: Ich bin Mit-Gründer von FT)

  6. Lieber Herr Resatsch,

    danke für Ihr Feedback. Ich würde Friendticker gerne ausprobieren. Aber wenn ich das richtig sehe, gibt’s Ihre App derzeit nur für iPhone & Android – ich bin dagegen Blackberry-Nutzer.

    Viele Grüße,
    Michael Kroker

    P.S. an den Kollegen Schürmann: Klar, hä bliev do, wo hä hin jehöt 😉