Google: The Good, the Bad or the Ugly?

Google-Vorstandschef Eric Schmidt jedenfalls kann die ganze Aufregung nicht verstehen: „Das nennen Sie eine Krise?“, fragt er in einem am Donnerstag veröffentlichen Interview mit Stern.de überrascht zurück. Da fragt man sich, was für Google eigentlich noch passieren muss, bis die Verantwortlichen von Krise sprechen. Immerhin hat am Mittwoch – dem Tag vor Schmidts Interview – die Staatsanwaltschaft in Hamburg ein Ermittlungsverfahren gegen Google eingeleitet – der vorläufiger Höhepunkt in einer seit Ende April schwelenden Affäre.

Da räumte der Konzern nämlich ein, dass die für den Google-Dienst StreetView ausgerüsteten Fahreuge nicht nur Fotos von Häusern machen, sondern gleichzeitig auch die Straßenzüge nach WLAN-Funknetze scannen. In einer ersten Replik wenige Tage später beteuerte Google, dabei würden bloß der Name des Netzwerks, die Art der Verschlüsselung sowie die jeweilige WLAN-Identitätsnummer gespeichert, aber keine darüber hinaus gehenden personaliserbaren Informationen.

Mitte Mai dann der kleinmütige Kotau der Amerikaner: Von nicht-verschlüsselten (und dadurch frei zugänglichen) Funknetzen seien auch Nutzerdaten gespeichert worden, beispielsweise Inhalte von aufgerufenen Internet-Seiten oder versendete E-Mails – davon aber jeweils nur Fragmente, wie Google beteuerte. Wie das geschehen konnte? „Ganz einfach, es war ein Versehen“, schreibt der Konzern in seinem offiziellen Blog. Man habe „aus Versehen“ ein Stück Software mit auf die StreetView-Gerätschaften überspielt, ohne zu wissen, dass jenes die WLAN-Daten speichere. Inzwischen habe man die Aufzeichnung des Datenverkehrs aber gestoppt.

Kein Schaden, kein Foul

Für Google-Boss Schmidt ist die Sache damit offenbar erledigt: „Wem wurde Schaden zugefügt? Nennen Sie mir diese Person“, sagt er in dem am Donnerstag veröffentlichten Interview. An eine Anklageerhebung wegen unerlaubter Datenaufzeichnung in Deutschland glaube er daher nicht: „Kein Schaden, kein Foul.“ Also einfach zur Tagesordnung übergehen? Wenn er sich da mal nicht täuscht. Immerhin: Inzwischen sind auch amerikanische Juristen hellhörig geworden und fordern eine Untersuchung der WLAN-Speicherung durch die amerikanische Handelsbehörde FTC.

Der Kern des Problems liegt aber jenseits aller strafrechtlichen Relevanz (die allein natürlich schon schlimm genug für Google wäre). Denn die Aussagen des Google-Chefs offenbaren, dass sich der amerikanische Internet-Konzern noch nicht einmal in Ansätzen der kompletten Dimension des Skandals bewusst ist: So hat sich über Schmidt & Co. längst ein Gewitter zusammengebraut, dass den Ruf des Suchmaschinen-Giganten stärker schädigen könnte als alles bisher dagewesene.

Google StreetView

Google-StreetView-Auto auf der IT-Messe CeBIT 2010

Der Grund dafür liegt in der lapidaren Begründung, man habe halt einen Fehler gemacht. Das ist für einen Konzern von der Größe und Bedeutung des amerikanischen Internet-Giganten aber schlicht zu wenig: Trifft die Aussage zu, spricht dies Bände über die Zuverlässigkeit eines Unternehmen, dass sich doch eigentlich auf die Fahnen geschrieben hat, unser komplettes Online-Leben mithilfe von Web-Suche, E-Mail, Office-Systemen, Handys und vielem mehr zu begleiten. Und sollte das Argument vorgeschoben sein, wäre der Skandal noch wesentlich größer, weil man dann annehmen müsste, Google habe bewusst so viel wie möglich Daten gesaugt – frei nach dem Motto: „Solange es keiner merkt – was wir haben, haben wir“.

Image der nimmersatten Datenkrake

So oder so – beides wäre dämlich. Denn schon seit geraumer Zeit muss Google – nicht zuletzt auch hier in Deutschland – mit dem Image der nimmersatten Datenkrake kämpfen. Da müsste das Unternehmen eigentlich vom Top-Management bis zu jedem Mitarbeiter vor Ort darauf eingeschworen sein, die jeweiligen Datenschutzbestimmungen keinen Jota zu übertreten. Nur mantra-haft das Motto „Don’t be evil!“ (sei nicht böse) vor sich herzutragen ist jedenfalls zu wenig.

Die öffentliche Wahrnehmung der Vorgänge rund um Google ist bisher zweigeteilt – noch. Neben den Kritikern des Konzerns sind bisher auch schnell Google-Apologeten wie etwa Jeff Jarvis, amerikanischer Medienwissenschaftler und Autor des Buches „Was würde Google tun?“, zur Stelle, die dem Unternehmen einen Persilschein ausstellen. „Mir fällt es schwer, in dieser Story mehr als einen Fehler zu sehen“, schreibt beispielsweise Jarvis in seinem Blog über „Google’s Germany screw-up“.

Big Brother Intel & Microsoft

Also einfach Schwamm drüber? Damit tut es sich die Pro-Google-Seite meines Erachtens zu leicht. Erinnert sei etwa an vergleichbare Datenskandale vor inzwischem mehr als zehn Jahren. Anfang 1999 etwa stolperte Intel bei der Veröffentlichung seines neuen Pentium-III-Prozessors. US-Datenschützer hatten herausgefunden, dass jeder Chip eine eindeutige und von außen auslesbare Seriennummer erhalten sollte. Damit ließe sich jeder PC in Datennetzen identifizieren. Nach Protesten und Boykottaufrufen knickte Intel ein und stellte die Auslesbarkeit der ID standardmäßig ab; in Nachfolge-Prozessoren wurde sie nicht mehr eingebaut.

Kurz darauf sorgte der Softwaregigant Microsoft für einen Aufschrei der Entrüstung, als bekannt wurde, dass die Redmonder in ihre Windows- und Office-Software eindeutige Identifikationsnummern eingebaut und diese heimlich in einer Datenbank gesammelt hatte. Microsoft sprach seinerzeit übrigens ebenfalls von einer Panne.  „Big Brother Bill“ lautete denn auch der wenig schmeichelhafte Titel einer im Juni 1999 in der Fachzeitschrift „c’t“ erschienen Geschichte. Insbesondere Microsoft, zu jener Zeit ohnehin mit dem Stigma des Quasi-Monopolisten behaftet, haftete der Ruf des heimlichen Datenspähers viele Jahre an – ein wichtiger Grund auch für das Erstarken von Konkurrenten wie Google.

Sollte Google jetzt nicht eine glaubwürdige Kehrwende vollziehen, dürfte das Image des einstmaligen Gutmenschen-Konzerns stramm in ebenjene Richtung des ungeliebten (um nicht zu sagen verhassten) Erzrivalen aus Redmond marschieren. Bisher scheint es freilich nicht so, als sei den Verantwortlichen im Googleplex in Mountain View/Kalifornien diese Gefahr bewusst.

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Alle Kommentare [1]

  1. Wenn Google so weitermacht, werden die es sich mit vielen Nutzern verscherzen. Viele US-Unternehmen sind so ignorant, was Bedenken in anderen Ländern angeht.