Die Probleme von Microsoft hätten die meisten Unternehmen gerne

Apple hat einen neuen Internet-Dienst namens iCloud angekündigt. Den werten manche Beobachter bereits als „Sargnagel für Microsoft“. Doch für einen Nachruf auf die Redmonder besteht wahrlich kein Anlass.

Ok, dass die Apple-Community aus weithin unkritisch-lemminghaften Claqueuren besteht, habe ich mir ja vor geraumer Zeit auch hier schon mal von der Leber geschrieben. Inzwischen habe ich aber den Eindruck, dass die Verzückung der Jobs-Jünger bei jeder Neuankündigung eher noch weiter zunimmt. So geschehen zuletzt Anfang des Monats, als Apple seinen neuen Internet-Dienst namens iCloud ankündigte. iCloud ist ein neuerlicher Versuch von Apple, ins Zeitalter des so genannten Cloud Computings vorzustoßen, bei dem der Nutzer Dateien und Dokumente nicht mehr lokal auf dem Rechner oder Smartphone, sondern in der Internet-Wolke speichert. Wirklich neu ist iCloud nicht, sondern eine Ablösung des mehr oder minder erfolglosen Vorgängerdienstes Mobile Me.

Gewiss verfügt iCloud über einige spannende Features. Etwa wenn künftig ein iPhone-Nutzer seine komplette Musiksammlung – in die kommende Auflage des Mobil-Betriebssystems iOS 5 soll der Cloud-Dienst standardmäßig integriert sein – durch die Speicherung in der Wolke von überall her via Internet-Streaming abspielen kann, und das sogar auf verschiedenen Endgeräten. Dem Vernehmen nach verhandelt Apple hinter den Kulissen seit längerem mit den großen Plattenlabels, um entsprechende Nutzungsvereinbarungen abzuschließen.

Soweit, so gut. Kurz nach dieser auf den ersten Blick dennoch nicht gerade revolutionär anmutenden Ankündigung machten diverse Blogveröffentlichungen die Runde, die nicht weniger prophezeihten als das baldige Ende von Microsoft. „Der Tod von Windows“ sei das wahre Ziel von iCloud, betitelte US-Blogger Bob Cringley seine Analyse martialisch. Dies toppte der frühere Handelsblatt-Redakteur und heutige Social-Media-Berater Thomas Knüwer sogar noch mit der geradezu prophetischen Überschrift: „6.6.2011 – der Tag an dem Microsoft den Gnadenschuss erhielt“

Video mit ersten Infos zum neuen Windows 8. Quelle: Microsoft

Der ansonsten geschätzte Ex-Kollege wäre mal lieber bei seinem Kernthema Medien geblieben. Denn bei allen Problemen, die Microsoft aktuell unzweifelhaft hat – vor allem der Rückstand im Smartphone- und Internet-Geschäft (siehe Grafiken hier) –  würden die meisten Unternehmen wohl dennoch gerne mit den Redmondern tauschen: Allen Unkenrufen über ein Auslaufen der Quasi-Monopole mit Windows- und Office-Software zum Trotz hat das von Steve Ballmer geleitete Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr 2010 bei einem Umsatz von 62,5 Milliarden Dollar einen Reingewinn in Höhe von 18,8 Milliarden Dollar erzielt.

Profitabel sind dabei auch das Geschäft mit Unternehmensprodukten wie etwa Datenbanken (Umsatz 14,9 Milliarden Dollar, Gewinn 5,5 Milliarden Dollar) sowie das lange Jahre tiefrote Gaming-Geschäft rund um die Spielkonsole Xbox (Umsatz 8,1 Milliarden Dollar, Gewinn 680 Millionen Dollar). In das erste Segment fallen übrigens auch die Cloud-Computing-Aktivitäten rund um die Plattform Windows Azure, in deren Ausbau die Redmonder schon vor mehr als einem Jahr rund eine Milliarde Dollar investiert haben. Einer der Referenzkunden ist das Aktionshaus Ebay, das seine Webseite Ebay.com auf Cloud-Betrieb unter Azure umgestellt hat.

Zudem stehen auch die Redmonder nicht still. Ebenfalls Anfang des Monats präsentierte Microsoft erste Einblicke in die voraussichtlich Anfang 2012 erscheinendende Neuauflage Windows 8, die einige Neuerungen in Sachen Tablet-Unterstützung aufweist und neben Intel-Chips erstmals auch die gerade im mobilen Segment erfolgreichen Prozessoren des Wettbewerbers ARM unterstützt. ARM selber scheint sich von diesem Strategieschwenk seitens Microsoft jedenfalls viel zu versprechen und erwartet bis 2015 einen Marktanteil von 40 Prozent bei Notebooks.

Mehr noch: Vergleicht man allein die Design-Neuerungen, die Microsoft in Windows 8, aber auch die demnächst erscheinende Neuauflage von Windows Phone (Codename „Mango“) hat einfließen lassen, einmal unter einem nüchternen Blick mit den vergleichbaren Betriebssystemen von Apple, schneiden die Redmonder im Vergleich zu den vermeintlich coolen Jungs aus Cupertino gar nicht mehr so schlecht ab. Der gewiss nicht der Microsoft-Liebhaberei verdächtige Kollege Thomas Cloer von Computerwoche.de resümiert jedenfalls kürzlich in seinem Blog: Spätestens nach dem Marktstart von Windows 8 „sehen Mac OS X und iOS aber so was von alt aus. Vorausgesetzt, Apple macht bis dahin nicht doch auch noch alles neu“.

Wie sehen Sie das? Sind die Zeiten von Microsoft endgültig passé? Wird Apple die Redmonder nicht nur im Handy-, sondern auch im PC-Geschäft fertigmachen?

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Alle Kommentare [7]

  1. Und würde der „ansonsten geschätzte Ex-Kollege“ 😉 mal mit der Fahrzeug-Zulieferindustrie sprechen, würde er erzählt bekommen, wie vielfältig MS dort verankert ist („MS Auto“, „Windows Automotive“).

    Auch schön zu beobachten: Wenn der ICE mal stehenbleibt, „gebootet“ werden muss, und das Windows CE-Logo im roten Laufband des Zuges erscheint (dort wo sonst die Geschwindigkeit angegeben wird).

    Dem Vernehmen sind sogar die Bordtoiletten bei Boeing mit einem OS auf CE-Basis versehen.

    Ansonsten freue ich mich schon jetzt auf die Kommentare der Apple-Jünger unter diesem Beitrag. 🙂

  2. Microsoft ist über die Jahre und Jahrzehnte schwerfällig und bürokratisch geworden. Der Hype um Windows 95 ist lange vorbei, diverse Themen wurden erst verschlafen und dann mit Geld angegangen. Aktuell stolpert Microsoft aber eher in die Cloud mit dem Office365 Versuch und lebt von der Substanz und den Gewinnen aus OS und Office. Das Problem der Industrie – und damit auch von Microsoft – ist eine gewisse Ideenarmut. Die Märkte sind gesättigt, XP und Office 2003 sind eine funktionierende Kombination, die nicht zwingend durch Windows 7 und Office 2010 abgelöst werden muss. Apple hat mit dem Geniestreich iPOD und der Verbindung System & Vertriebskanal Begehrlichkeiten geweckt bei eigentlich übersättigten Kunden. Microsoft ist da weniger Marketing-getrieben und nicht Kult. Das Problem von Microsoft sind zu viele Baustellen, zu wenig kundenorientiertes Denken und eine vielleicht größenbedingte Schwerfälligkeit. So lange aber die Gewinne aus den alten Umsatzbringern sprudeln, kann man bing, Office365 und xbox sich leisten – selbst wenn eine nachvollziehbare Strategie vielleicht erst rückblickend zu erkennen ist.

  3. Solange im „Inneren“ von Windows 7 noch immer gelegentlich auf Hinweise der Art „MICROS~1“ stößt weiß man, dass es nur eine neue Oberfläche ist. Die unzähligen scheinbar planlos verteilten Systemeinstellungen zu finden und „abzuarbeiten“ ist ein Graus.
    Der Flash-Player mag irgendwie nicht mit dem Internet-Explorer zusammenarbeiten, mit dem 64-bittigen schon gar nicht…
    Selbst die meisten unserer Spiele, seit Jahren bei Vielen der letzte Grund für ein Windows, laufen mittlerweile unter Mac OS und Linux (WinE) perfekt, aber nicht mehr unter Windows 7.
    Unser Umfeld, dass ich supporte, ist mittlerweile bis auf eine Ausnahme auf Mac oder Linux (Xubuntu) umgestiegen. Dieses Jahr hat sich erst einer wegen einer Frage zu irgendetwas gemeldet – das sagt doch alles.
    Windows wird nur noch gestartet, um mal wieder 17, 18 kritische, sehr und weniger kritische Updates zu installieren. Ansonsten wissen wir nichts mehr damit anzufangen.

  4. Das Geheimnis oder der Trick von Microsoft ist einfach die geballte Zahl an Programmieren, die gut koordiniert alles am Laufen halten oder Dinge, die nicht Laufen, in Ordnung bringen. Ich erinnere mich noch an Windows Vista, das war anfangs kaum benutzbar so viele Macken waren da noch drin. Das selbe Windows Vista läuft heute jedoch problemlos auf Geräten, wo ich bei der Markteinführung große Probleme mit Vista hatte und die größten probleme mit Wista, vor allem die Geschwindigkeit und der Speicherhunger, wurde beim Nachfolger Windows 7 mustergültig gelöst.

    Ich benutze auch oft Linux, mein Hmebanking mache ich damit und im Bildungsbereich habe ich auch einen Umstieg von Windows auf Linux miterlebt, Ubuntu ist zwar ein gutes System, aber man trifft hier definitiv häufiger auf Macken als unter Windows. Das man bei Linux keine Fragen mehr bekommt, kann ich nicht bestätigen, vielmehr muss man den Teilnehmern erstmal die wichtigsten Workarounds beibringen, die man selber so herausgefunden hat. Was mir aber an Ubuntu gefällt, es ist ziemlich Narrensicher und nicht so schnell kaputt zu kriegen, aber es zickt gerne mal herum. Was ich ja mal toll fände, währe eine Linux Distribution von Microsoft. Aber das wird es wohl nie geben, dann währe Windows wirklich in Gefahr.

  5. bei gut 50000 PC Arbeitsplätzen bei Windows XP solange es geht.
    Warum, weil es endlich halbwegs funktioniert.
    Privat werden nur Apple Produkte eingesetzt – der einmalig Ausflug in die Windows 7 Welt der Verwandschaft hat mir das fürchten geleert.
    Da 2012 eh die Welt untergeht kann MS sein Windows 8 gerne auf den Markt bringen – ich komme dann gerne zur Aftershow Party 🙂

  6. Steht mit Windows 8 dann auch zu hoffen, daß es nicht mehr so oft abstürzt?
    Die großartigen neuen Features, die Windows 8 mitbringen soll, nutze ich schon seit über 10 Jahren bei Linux.
    Wobei mir selbst Ubuntu zu fehlerhaft ist, weshalb ich auf Desktop-Rechnern Fedora und auf Servern CentOS verwende.

  7. Der geschätzte Kollege rät mal zur Extrapolation der Entwicklung von Apples Marktanteilen. Und der Verdrängung von Blackberrys durch IPhones in Unternehmen.

    Wir reden doch nicht von einem Aus von MS in 2 Jahren – sondern in 10. Denn dann wird es heftig werden. Windows 8 ist vielleicht eine Design-Innovation. Nach allem, was ich davon aber bisher gesehen habe, begeht Microsoft einen gewaltigen, strategischen Fehler: Es setzt Tablets (aus deren Optik Windows 8 seine Inspiration bezieht) mit allen anderen Geräteklassen gleich. Und das ist Blödsinn. Ein Laptop/stationärer Rechner benötigt ein anderes Betriebssystem, weil mit ihm andere Arbeiten durchgeführt werden.

    Interessant ist auch: Kürzlich sprach ich mit dem Chef eines Online-orientierten Dienstleisters, der einen Mac nutzte. Ich scherzte noch: „Oh, Programmierer und Apple?“ Woraufhin er meinte: „Unsere Coder wollen alle nur noch Apple. Die haben so den Kaffee auf mit Windows.“