Die dunkle Seite von Facebook

Erst am Dienstag hat das weltgrößte soziale Netzwerk Facebook auch in Deutschland mal wieder von sich reden gemacht. Mit 11 Millionen Nutzern allein im vergangenen Dezember steht der deutsche Ableger des US-Unternehmens unangefochten an der Spitze der meistgenutzten hiesigen Online-Communities. Seit Sommer 2008 hat Facebook in Deutschland stets Nutzer hinzugewonnen, allein im Dezember 10 Prozent. Angesichts dieser Erfolgsgeschichte frage ich mich, wie vielen Nutzern in Deutschland überhaupt bewusst es, dass es auch „die dunkle Seite von Facebook“ gibt.

Bei mir beginnt das Stirnrunzeln jedenfalls Anfang Dezember 2009. Wer sich seinerzeit bei Facebook einloggt, erhält auf der Startseite einen nicht zu übersehenden Hinweis mit dem Titel „An Open Letter from Mark Zuckerberg“. In dieser Botschaft gibt sich der Facebook-Gründer begeistert darüber, dass sein Netzwerk nunmehr 350 Millionen Mitglieder habe. Etwas verschwurbelt beschreibt der 25-Jährige danach die bevorstehenden Änderungen beim Datenschutz. Diese seien notwendig, um ein derart großes Netzwerk überhaupt noch zu managen. Zuckerberg schließt seinen offenen Brief mit einem US-typisch beschwörenden Appell: „Danke für die Hilfte, die Welt offener und vernetzter zu machen.“

Was der jugendliche Facebook-Chef tatsächlich mit seiner Ankündigung meint, erfahren die meisten Nutzer inklusive mir selbst erst in den Tagen darauf. Von einem Tag auf den anderen ändert das gigantische Netzwerk seine Privatsphäre-Optionen, die standardmäßig alle Informationen eines jeden Nutzers für den Rest des Internets zugänglich machten – auch Bilder und Statusmeldungen. Dies kann man zwar unter den Privatsphäre-Einstellungen jederzeit rückgängig machen. Wer bei der Umstellung jedoch bloß die Standard-Vorgabe von Facebook abnickt, schaltet – vermutlich ohne es zu ahnen – seine gesamten privaten Daten frei. Die weitreichende Folge: Wenn gleichzeitig auch die Sichtbarkeit auf Suchmaschinen freigeschaltet ist, lassen sich alle persönlichen Informationen nach wenigen Tagen via Google & Co. finden. Alles gemäß der bis dahin ungeschriebenen – respektive unausgesprochenen – Devise: Früher war Privatsphäre Standard, heute ist es Offenheit.

Tiefe Überzeugung über grundsätzlichen Zeitenwandel

Dass dies kein Flüchtigkeits- oder Kommunikationsfehler ist, sondern eine tiefe Überzeugung Zuckerbergs über einen grundsätzlichen Zeitenwandel dahinter steckt, macht der Facebook-Chef dann ein paar Tage später unmissverständlich deutlich. In einem Interview erklärt er kurzerhand das „Zeitalter des Datenschutzes für beendet“. Ich jedenfalls muss bei dem Gedanken, dass fortan die persönlichen Informationen inklusive Fotos vieler Millionen Menschen von Facebook an Google übertragen werden, mindestens mal schlucken.

Richtig Schluckauf hat dagegen vor etwas mehr als einer Woche eine Insider-Geschichte verursacht. Am 11. Januar macht nämlich ein anoymes Interview mit einer Facebook-Mitarbeiterin im Internet die Runde. Darin gibt die Angestellte viele beunruhigende Interna preis. So speichert Facebook etwa im wahrsten Sinne des Wortes alle jemals vorhandenen Informationen, Daten und Fotos seiner Nutzer – auch wenn ein Nutzer ein Foto oder Videoclip später wieder löscht. Auch scheint es gang und gäbe, dass Mitarbeiter des Unternehmens immer wieder mal Profile der Nutzer aufrufen. Zugegeben, Identität und Existenz jener Facebook-Beschäftigten sind letztlich unbestätigt. Dennoch hat das, was sie in dem Gespräch äußert, bei mir Verwunderung ausgelöst, vorsichtig ausgedrückt.

Das Fass zum Überlaufen bringt schließlich vor wenigen Tagen eine Begebenheit, die mein Kollege Thomas Cloer von der „Computerwoche“ in seinem iPhone-Blog beschreibt. Demnach überspielt die neueste Version der Facebook-App nicht nur Daten aus dem Netzwerk auf das Apple-Handy. Sondern auch umgekehrt Kontakte aus dem iPhone-Adressbuch zu Facebook. Mehr noch: Laut des abgebildeten Screenshot verlagert Facebook obendrein auch noch die Verantwortlichkeit für jenes Abgreifen der Daten auf den Nutzer: „Bitte stelle sicher, dass deine Freunde mit deiner Nutzung der Daten einverstanden sind.“

Dies alles zusammen genommen ist schon sehr starker Tobak, wie ich finde. Da regt sich gegenwärtig alle Welt über die Datensammelwut von Google auf, die bisher aber weitgehend aus anonymisierten Bewegungs- und Nutzungsprofilen im Web bestehen (auch darüber kann und sollte man kritisch diskutieren). Dagegen verfügt Facebook bereits heute über viel weitergehende und eben auch personalisierte Daten von mehreren hundertmillionen Menschen – und hat gleichzeitig einen Chef an der Spitze, der quasi „par ordre de mufti“ den Datenschutz für gestrig erklärt. Das ist gruselig – und es wundert mich, dass dies gerade in Deutschland, wo Datenskandale doch eigentlich eine hohe Aufmerksamkeit genießen, bisher so wenig thematisiert wird.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Alle Kommentare [11]

  1. Besonders beunruhigend an der iPhone Facebook Applikation und der lapidar bezeichneten Neuerung „Abgleich des Handy Adressbuchs mir Facebook“ finde ich, dass weder in den Einstellungen der App noch in der Onlinehilfe Details zu erfahren sind: Welche Daten werden genau übermittelt, was passiert mit den Daten, werden diese gespeichert und und und. Getarnt ist das ganze ja durch vorgeschobenen Benifits wie „Synchronisiere die Profilbilder mit deinen Adresskontakten“ – zusammengefasst zeigt dieses Beispiel der Facebook-App für das Handy, dass die allg. Vernetzung wieder einmal einen Sprung gemacht hat. Wie privat sind also „meine“ Daten, Kontakte und Co auf meinem Handy?

  2. Wir nutzen einfach gerne irgendwelche Apps und Tools, die uns das Leben erleichtern. Und ein Abgleich von Daten auf Knopfdruck ist einfach viel bequemer als jeden Kontakt manuell anzufassen. Und wenn diese Tools auch noch kostenlos sind ist das einfach wunderbar. Allerdings vergessen viele oft, dass diese kostenlosen Tools und Apps nicht entwickelt wurden, weil irgend ein Unternehmen einen sozialen Moment hatte. Ich finde es manchmal sehr naiv, wie manche Nutzer daher mit ihren Daten umgehen. Ich gehe auch nicht auf den Bahnhofsplatz und hänge dort meine privaten Fotos, Telefonnummern oder Einkaufslisten an die Wand – bei Facebook und Co finde es dagegen viele fast schon normal, alles miteinander abzugleichen und zu teilen. Letzten Endes hat es jeder selber in der Hand, welche Daten er Preis gibt und sollte manchmal einfach nur den gesunden Menschenverstand einschalten. Ist denke ich ein Lernprozess, wie ihn die Allgemeintheit auch bei Viren und Spam durchgemacht hat: Klicke nicht auf unbekannte Links und gib deine Mailadresse nicht einfach überall an.

  3. Ich war völlig erschrocken, das die Daten der Facebook-Nutzer so einfach ins Internet gestellt werden und über Google sowie 123people abrufbar sind. Daten über meine Tochter habe ich Gott sei Dank nicht gefunden. Es ist vielleicht doch besser eine nicht so bekannte Seite für die persönliche Kommunikation zu nutzen (wie z.b. ebuddy).

  4. Wenn man bedenkt, dass Facebook in großen Teilen den Russen gehört, sollten die User sich überlegen, was sie da tun.

  5. Diese ganze aktuelle Datenschutzdiskussion rund ums Internet ist doch absurd. Seit Jahrzehnten erhalten American Express, Visa, Mastercard und Co. jede Menge persönliche Daten von ihren Nutzern. Regt sich da jemand auf? Jeder der seine Kontaktliste aus dem Telefon an Facebook hochlädt, muss sich doch im Klaren darüber sein, dass die irgendwo auf deren Servern landet. Solange Facebook sie nicht für die Allgemeinheit freischaltet, sehe ich da kein Problem. Das ist bei Apples MobileMe nicht anders. Die Privatsspäreeinstellung bei Facebook ist für jedem Amateur zu bewältigen. Und am Ende muss man nun mal etwas von seiner Privatssphäre hergeben, will man all diese neuen Dienste Nutzen. Facebook ist ja ohnehin auch zum Teil dazu gedacht, sich im Netz selbst darzustellen? Eine etwas objektivere Sichtweise täte der aktuellen Diskussion um Google, Facebook und Co. also gut.

  6. Schöner Beitrag

    besonders „charmant“, für die viele Nutzer wahrscheinlich überhaupt nicht verständlich, fand ich ihm Menue „Privatsphäre-Einstellungen Anwendungen und Webseiten“ die Option: „Was deine Freunde über dich mit anderen teilen können
    Bestimme, welche Informationen über dich deine Freunde mit anderen teilen können, wenn sie Anwendungen und Webseiten verwenden“. (Text facebook)

    Facebook erklärt das wie folgt: „Was deine Freunde mithilfe von Anwendungen und Webseiten über dich teilen können

    Wenn einer deiner Freunde eine von Facebook unterstützte Anwendung oder Webseite besucht, kann es sein, dass er bestimmte Informationen mit dieser teilen möchte, um dadurch seine Erfahrung damit sozialer zu gestalten. Eine Grußkarten-Anwendung kann zum Beispiel dein Geburtsdatum verwenden, um deinen Freund dazu aufzufordern dir eine Geburtstagskarte zu schicken.

    Wenn einer deiner Freunde eine Anwendung verwendet, die du nicht nutzt, kannst du bestimmen, auf welche Art von Informationen die Anwendung zugreifen kann. Bitte beachte, dass Anwendungen immer Zugriff auf deine öffentlich verfügbaren Informationen (Name, Profilbild, Geschlecht, derzeitiger Wohnort, Netzwerke, Freundesliste und Seiten) sowie die Informationen, die für „Alle“ sichtbar sind, haben.“ (text facebook)

    Im Klartext heißt dies wohl, meine – per default an dieser Stelle auf öffentlich geschalteten Daten – könnten problemlos von Datenstaubsaugern (Applikationen) abgezogen werden. Überdies bekommen „Freunde“ von mir die Möglichkeit, persönliche Daten – entgegen geltendem Recht – weiter zu geben, laut Facebook um ihre „… Erfahrung damit sozialer zu gestalten …“.
    Na dann warte ich mal auf die ersten „sozialen“ Rechtstreitigkeiten unter „Freunden“ 😉

  7. Ein gut geschriebener Artikel. Dennoch behaupte ich, dass wir mündige Bürger sind und nicht standardisierte Privatsphäreneinstellungen persönlich vornehmen sollten/können! Man weiß, dass man sich etwas anziehen sollte, wenn man auf die Straße geht. Die User sollten endlich begreifen, wie sie sich im Internet bewegen. Oder sind wir alle unmündig geworden?

  8. Wieso aufregen? Facebook einfach nicht mehr benutzen. Ich hatte kaum Entzugserscheinungen. Und mal ehrlich, weder der CEO von facebook noch sonst irgendjemand kann mir erzählen, das Facebook sich der gesellschaftlichen Realität anpasst mit weniger Privatsphäre. Die gesellschaftliche Realität bestimmt jeder Nutzer für sich selbst. Zum Beispiel indem er seinen facebook account still legt. Ohne sich aufzuregen aber in dem er ein Zeichen setzt bei seinen 350+ „facebook Freunden“

  9. Sehr interessanter Artikel über Facebook – habe eigentlich nach was ganz anderem gesucht, bin zufällig draufgestoßen und hängen geblieben.