Die da oder die da? Garmin Forerunner 265 und 965 im Test.

Zeit, um in Erinnerungen zu schwelgen. Vor nun auch schon mittlerweile mehr als zehn Jahren habe ich begonnen, morgens nach dem Weckerklingeln in das Marathonbuch von Herbert Steffny zu schauen und egal wie ich mich fühlte, die Laufschuhe zu schnüren und die vorgegebene Einheit aus dem 10-Wochenplan für Marathon zu absolvieren. Begonnen habe ich mit dem für vier Stunden Zielzeit, später die für 3:15. (Ich staune, was ich teils um 6:00 morgens so spurten konnte!)

Sprung ins Frühjahr 2023, die Garmin vibriert, ich mache Kaffee und die Uhr fragt mich, ob ich meinen Morgenbericht lesen möchte. Ein freundliches Foto, ja Foto, einer Kaffeetasse erscheint auf dem Monitor, ja nicht Display, und ich kann den Bericht abrufen. Auf einem Touchdisplay, das zackiger reagiert als ich zu dem Zeitpunkt. Auf einer Skala von 0 bis 100 steht, wie fit ich für ein Training bin. War die Nacht kurz – das verrät der Schlafreport – dann eher nicht so, war die sogenannte Herzfrequenzvariabilität zu hoch oder zu niedrig auch nicht. Habe ich meine „Body Battery“ auch nicht ausreichend aufgeladen, weil ich wegen zu viel spätem Essen, Alkohol (oft beides) oder Überlastung, Hitzewelle oder was auch immer, nicht ausreichend ausgeruht bin – niedriger Wert.

Wie auch immer: Mit einem abschließenden aufmunternden Satz verabschiedet mich der Morgenbericht und wenn ich entscheide, dass ich Laufen möchte, dann macht die Uhr für mich einen Vorschlag, der sich an meinem grundsätzlichen Ziel und meiner Tagesform orientiert und berücksichtigt, was ich beim Einrichten der Uhr als Tage für lange Einheiten oder gar keine Einheiten eingegeben habe.

Morgenbericht und Trainingsvorschlag sind nichts anderes als mein persönlicher Trainer, wenn ich ihn dazu mache. Die jüngste Generation an Sportuhren geht weit über das Messen und Sammeln von Daten hinaus. Sie entwickeln – das eint quasi alle Hersteller – daraus Trainingsvorschläge, die weit flexibler reagieren als meine Doppelseite in 10 Wochen zum Marathon unter vier Stunden.

Die neuen Modelle Forerunner 265 und die vom Gehäuse größere 965 machen da keine Ausnahme und seit einigen Monaten (zuvor schon mit der Epix) habe ich das mal recht streng verfolgt, was mir angeraten wurde. Und soviel ist klar: Die Uhren machen langsam. Sprich, sie bremsen den Eifer und Ehrgeiz und setzen auf sehr solide Geschwindigkeiten. Und zwar erfolgreich. Sie regen an, viel langsamer zu laufen als ich es mir früher selbst immer verordnet habe. Und irgendwie ist das gar nicht so weit weg von dem, was Steffny verordnet – viele vermeintlich langsame Kilometer ohne größeren Trainingsreiz. Aber nach einer Weile spürt man – damit klappen auch die schnellen Einheiten besser, die es durchaus gibt.

Es sind durchaus würzige Einheiten, die die Garmin vorschlägt.

Die Forerunnermodelle piepen und vibrieren, wenn man sich aus dem empfohlenen Bereich entfernt – ich habe mich für Pace statt Herzfrequenz entschieden – und in der jüngsten Firmware ist auch hinterlegt, dass man abschließend einen „Ausführungswert“ bekommt.

Dieser zeigt die Grenzen dessen, was derzeit möglich ist. Die Uhr hält darin nur fest, wie exakt man den Vorgaben entsprach. Ob man viel zu schnell oder viel zu langsam war – es sind immer Pace-Fenster mit ausreichend Puffer – das interessiert sie nicht. Intervalle aus Euphorie zu schnell geballert? Egal. Ausführungswert verschlechtert.

Mehr als 86 Prozent sind mir nie gelungen. Das wiederum liegt aber weniger an mir als auch an den Uhren – unter Brücken geht die Messung natürlich verloren, taucht man dann wieder auf, entstehen kurzfristig Messungen, die mit der tatsächlich unveränderten Geschwindigkeit nichts zu tun haben. Und schwuppdich ist der Ausführungswert nicht erfüllt, obwohl man gar nichts geändert hat. Da wäre dann für die Entwickler noch Potential, dass die Uhr erkennt, dass zwar das GPS fort ist, die Pace aber die gleiche ist, was sie ja grob anhand des Sensors für Bewegung erkennen kann.

Forerunner 265 und 965 sind also hilfreiche Instrumente für die Strukturierung des Trainings, wenn man das möchte, oder aber deren Aufzeichnung. Die 965 besitzt noch einige Laufmetriken mehr, deren tieferen Sinn ich – Schande auf mein Haupt – angesichts meiner derzeitigen Laufform ich erst gar nicht ergründen wollte. Und sie hat Kartenmaterial, dass sich angesichts des hell leuchtenden Amoleddisplays auch prima ablesen lässt. Ich benötige das nicht, aber diejenigen, die öfter in fremden Regionen mit Karte laufen – Ablesbarkeit ist super.

Die Funktionen und Leistung beider Uhren sind im Grunde identisch. Marginale Unterschiede, die sich im Alltag nicht mehr signifikant auswirken. Ja, das Display der 965 ist sichtbar größer, das der 265 aber immer noch mehr als groß genug im Training. Für den Akku gilt ähnliches: Die 265 braucht alle paar Tage eine Ladung, die 965 etwas später. Beides in dem Umfang, dass kein Training verspätet begonnen werden muss, weil nur noch 15% Akku im Display stehen. Damit kommt man noch immer weit. Auch mit Musik hören und ggf per Garminpay bezahlen (das kann ich noch immer nicht nutzen, die Beziehungen zu Garmin und den Geldinstituten, die ich nutze, scheinen ausbaufähig.)

Damit kommen wir zur Gretchenfrage des Tests: Die da oder die da? Ehrlichweise fällt mir kein guter Grund ein, die 965 zu bevorzugen für den durchschnittlichen Amateursportler. Andersum: Für mich ist die 265 perfekt auch von der Größe, da ich nun mal schmale Handgelenke habe, sie ist sogar ein paar (nicht zu spürende) Gramm leichter. Ob und wie sehr die Titanlünette die 965 vor Kratzern oder gar Beschädigungen schützt, lässt sich nach einigen Wochen nicht sagen – es sind einfach noch keine da.

Die Einrichtung und Kopplung mit dem Smartphone ist dank QR-Codes deutlich erleichtert im Gegensatz zu früheren Modellen.

Üblicherweise spare ich mir Einschätzungen anhand des Preises, da diese Artikel selten zum Listenpreis gekauft werden und die ersten Abschläge bei den Händlern meist rasch kommen. Offiziell stehen 499 und 649 Euro am Preisschild. Das ist schon eine Differenz, die zurecht zu einer überlegten Entscheidung anregen. In vorigen Generationen waren die Forerunnermodelle mit der 2 vorne vor allem für Läufer gedacht und hatten auch keine Funktion für Triathlon, weswegen sie für mich selber nicht in Frage gekommen wären.

Davon hat sich Garmin verabschiedet, auch wenn das Marketing noch dahingehend ausgerichtet ist. Ich vereinfache das mal so: Das sind zwei Triathlonuhren auch für Langdistanzathleten ohne jede Abstriche und ob einem Optik und geringe Abweichungen bei den Funktionen das Geld wert sind, kann jeder für sich entscheiden. Und auch, die Trainingsvorschläge abzulehnen und so wie ich jetzt wieder auf den guten alten Steffny zu vertrauen. Auch, weil ich sentimental sein kann. Aber mal reinschielen, was die Garmin vorschlägt, denn es sind immer auch andere Einheiten drin als ich jahrelang gemacht habe, das werde ich sicherlich.

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Nächster Test zweck GarminPay via VMpay.
    https://www.vimpay.de/
    Konto einrichten, Geld drauf schieben, synchronisieren! Klappt wunderbar an Tankstellen und im Idealfall am Kiosk,d er endlich mal Karte akzeptiert – immer 20€ Betrag drauf für Getränke oder Taxi. Das ist aber wieder nur eine Insellösung ist und nervt natürlich. Das Garmin als Player so wenig offen zu anderen Dienstleistern/Schnittstellen/API ist, zeigt das Platzhirsche immer noch ihrer eigenen Hibris weiterhin erlegen sind und es immer noch nicht gelernt habe, das das Kunden und Internet „Offenheit“ favorisieren (siehe Nokia, siehe Microsoft, siehe Palm)