Rad am Ring – (fast) 24 Runden in 24 Stunden

Vor der WM war ich noch vorn. Danach ziemlich weit hinten.

Das Geheimnis, wie man neue Erfahrungen macht, von denen man nicht glaubt, sie hätte machen zu können, ist einfach. Vor der Anmeldung nicht verstehen, was da eigentlich zu tun ist. Die Krönung diesbezüglich war zweifelsfrei vergangenes Jahr ein Wettbewerb, bei dem ich erst kurz vorher endgültig begriffen habe, ob es sich um Rad- oder Laufsport handelt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Gleich danach rangiert auf der „Erst melden, dann denken“-Skala der Unvernunft auf Platz zwei meine Zusage zu „Rad am Ring“. Thomas fragte so lapidar. Ja, irgendwie Radfahren auf dem Nürburgring. Sicher nett. 24 Stunden-Rennen? Ah, dann wird man ja Zeit haben. Es ist folglich auch wenig überraschend, dass ich, als ich die zusätzliche Anfrage erhielt, ob ich bei der Weltmeisterschaft der Journalisten starten wolle bei Rad am Ring, spontan zusagte. „Wo du doch schon mal da bist. Da ist bestimmt Luft.“

Wie immer – in Ausnahmesituationen schmecken Pommes am besten.

Und was machst du eigentlich mit dem ganzen Leerlauf an so einem Wochenende, fragte ich mich noch, das sogar noch vor Ort. Deine Bekannten besuchst du dann in ihrer Parzelle irgendwann tagsüber.

Gut, immerhin die Zahl der Höhenmeter hatte mich schon irritiert, ganz völlig unvorbereitet traf es mich dann doch nicht.

These boots are made for cycling.

Die Rennstrategie entwarf unser 4er-Team irgendwann am Nachmittag als wir den gemieteten Camper auf dem Streifen Asphalt abstellten, das umrahmt war aus Wagenburgen der Campergemütlichkeit, Claims abgesteckt wie im Wilden Westen, gesichert wie Fort Knox. Natürlich hielt ich zu Beginn ein Wohnmobil für übertrieben und dachte, ein Zelt und eine Isomatte würde es doch wohl tun.

In der Rückschau kann ich mich darüber begeistern, wie naiv (alternativ idiotisch) ich an die 24 Stunden Rad am Ring herangegangen bin. Immerhin – das garantiert ein Wochenende Surprise!

Ich habe quasi so gut wie überhaupt keinen Leerlauf gehabt, die WM hat mir gleich zu Beginn mit drei Runden ordentlich Zähne gezogen, im Wohnmobil konnte ich wenigstens halbwegs gut entspannen und Schlafmangel ist als Disziplin nicht zu unterschätzen. Danach stieg ich ins Teamgeschehen ein. Mit einer Pause.

Some had, we didn’t.

Unser Team wollte Spaß und Freude haben, Zeitziel hatten wir uns im Gegensatz zu unseren Platznachbarn den Alb-Zwiftlern, die quasi wie eine Versammlung von McGyver und Olsenbande ausgestattet war, nicht gesetzt. Die vier hatten penibel Übergabezeiten geplant und es gab auch durchaus Ermahnungen als ein Fahrer mit der Trinkflasche mit Transponder als Staffelstab mal einen Moment warten musste. Natürlich schafften sie zwei Runden mehr als wir.

Und sie hatten Grill, Gasherd, Frikadellen, Salate, frisch gebackene Pfannkuchen, Ständer für die Fahrräder Sitzgruppe mit Zelt, Playlist, Musikanlage, Drehmomentschlüssel, Fahrradpumpe – und eben eine Marschtabelle. Hatten wir alles nicht. Wir hatten 12 Flaschen Wein, weil wir „Ride on Wine“ hießen, was sich im Nachgang auch nicht mehr rekonstruieren ließ, wie es dazu kam. Getrunken haben wir am Vorabend des Rennens zu viert eine. Profis.

Gut, die Pumpe war – wie Kaffeepulver – ein klassischer Abstimmungsfehler, irgendwann dachte jeder, der andere hätte ja gedacht, er bringe sie mit. War dann halt nicht da. Die Alb-Zwiftler halfen gerne aus. Auch mit Drehmomentschlüssel und auch Pfannkuchen. Michael revanchierte sich mit zögerlich akzepierten Haribo.

Verblüfft zog ich vor den Rennen durch die Boxengasse und die anderen Stellplätzen. Von Pool bis Sitzgruppen, Massageliegen, massenweise Grills größeren Ausmaßes – was mobiler Komfort erlaubt, war da.Viele Teams hatten ihre Parzellen markiert mit allem möglichen blinkenden Unsinn, damit der Fahrer vor der Staffelübergabe weiß, wo er bremsen muss.

Bis hierhin ist schon klar – das Event war mindestens so beeindruckend wie die Radstrecke selbst. Das Drumrum ist für die Fans von RaR so entscheidend wie die Möglichkeit, auf Asphalt mit breiter Piste hemmungslos Abfahrten runterzuballern. Die man natürlich auch wieder hoch muss. Ist ja ein Rundkurs. Viele der kleineren Rampen konnte man mit Schwung und einigen kräftigen Tritten in hohem Gang überwinden. Bei der Anfahrt zur Hohen Acht war das rasch vorbei. Ein schier nicht enden wollender Anstieg mit sehr sehr garstigen Prozenten auf den letzten Metern.

Es war WIRKLICH steil!

Man hätte es der Region so gar nicht zugetraut. Gerade mal 746 Meter misst die Hohe Acht. Klingt nach nix, spätestens nach der vierten Runde hatte Wolfgang nicht mehr das breite Grinsen der Euphorie der ersten Runde aufgesetzt. Zu Beginn des Anstiegs ist es noch das Schweigen der Selbstgeißelung, da man sich das schließlich selber ausgesucht hattee, später das stille Verzweifeln ob der Bestrafung höherer Mächte, die solche Hügel erschufen. Die grüne Hölle entlohnt nicht mit Aussichten, sie verrät nicht mal ihr Profil. Man denkt, jetzt ist es etwas flacher, bis der Radcomputer anzeigt, dass man gerade 9% Anstieg hat.

Die gute Stunde, die uns alle jede Runde von 25km jeweils gekostet hat, verging im Flug. Die Pausenzeit gefühlt noch schneller. Vor allem in den Stunden zwischen 22 und 6:00. Wir hatten uns schon darauf verständigt, nachts jeder zwei Runden am Stück zu fahren, damit bei vier Fahrern für jeden sechs Stunden Pause sind. Heißt: Ankommen, Duschen, bisschen essen, vier Stunden ruhen – von Schlafen mag ich nicht sprechen – aufwachen, was essen, Rad fertig machen, losfahren.

Das Rennen vereint so ziemlich alle Leistungsklassen, die im Amateursport auf dem Rennrad zu finden sind. Es ist schier unvorstellbar, wie sich einige quälen konnten und ebenso unvorstellbar wie locker andere an mir vorbeizogen. Es ist also keine Überraschung, dass ich noch auf den ersten 300 Meter den Anschluss an die Gruppe der Journalisten-WM verlor.

Ich dachte, ah, die siehst du teils bestimmt wieder. Lass sie ruhig heizen. Ich sah sie nie wieder. Drei Fahrer muss ich überholt haben, der Sieger war ziemlich genau eine Stunde schneller als ich. 27. Platz klingt nicht übel, ist aber weniger heroisch, wenn man die Gesamtzahl von 31 Startern in Betracht zieht.

Rad am Ring war wie dieser Text. Kraut und Rüben. Und schneller vorbei, als man erwartet. Gaudi, Sport, Arbeit, Gemeinschaft. Gar kein Geheimnis.

 

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Alle Kommentare [1]