Warum ich wieder Tour de France schaue und vier Buchtipps.

Fignon. Indurain. Armstrong. Le Mond. Natürlich Ullrich. Virenque. Pantani. Ich habe ihnen allen zugesehen. Stunde um Stunde. Mit der Stimme um Herbert Watterott im Ohr saß ich vorm Fernseher. Vollgepumpt mit Doping waren sie wohl alle. Das gehört zum Radsport dazu. Irgendwann der Knall und ich habe mich abgewendet. Ich war enttäuscht, verletzt, gekränkt. Niemand ist unversöhnlicher als ein enttäuschter Liebhaber.

Viele Jahre habe ich mich phyisch weggedreht, wenn irgendwo Radrennen im Fernsehen liefen. Ich wollte es nicht sehen, nach den Jahren der Beteuerungen des Radsports, dass er sauber sei und den immer wieder neuen Dopingfällen. Und vermutlich hat es mir irgendwie gefehlt. Das merke ich jetzt, wo ich erstmals seit vielen Jahren wieder der Liveübertragung folge.

Ist das Feld sauber? Wer weiß es schon. Ich sicher nicht. Vielleicht ist es mir auch egal. Dann gewinnt halt Apotheke 1 gegen Apotheke 2. Fahren müssen sie trotzdem, die Anstrengungen sind real und die Strecken deswegen nicht weniger faszinierend. Ich bin einiges gefahren an Distanzen und auch Pässen. Ich weiß, was die da leisten und ich weiß, ich könnte keinem auch nur zu irgendeinem Zeitpunkt für länger als 30 Sekunden folgen.

Meine Leidenschaft für das Rollen auf Rädern, touristisch wie sportiv, ist im Prinzip ungebrochen. Heute, einen Tag nach der Etappe nach Alpe d’Huez, deren Ende ich im Livestream sah, bis der Besenwagen durchs Ziel fuhr, nutze ich diesen Blog mal für vier Büchertipps rund ums Radfahren, die mir Freude bereiten. Eines recht neu, drei sind schon älter.

Auf Asphalt. Max Marquardt. Callwey.

Coffeetable book. So bezeichnet die Branche Bücher, die schwer, dick, voll mit schönen Fotos und aufwändig produziert sind uns sich eignen, auf einem Tisch ein wenig etwas herzumachen. Autor Max Coterie erfüllt mit „Auf Asphalt“ alle Voraussetzungen. Aber er bietet weit mehr. Portraits von interessanten Rennradfahrerinnen oder Radladenbetreibern zum einen. Daneben sind es die sorgsam bebilderten Portraits der gemeinsten und deswegen faszinierendsten Pässe. Und abschließend noch ein Glossar über Fachbegriffe und Handzeichen und der Evolution der Radtechnik. So erfüllt es den Zweck von Coffeetables – man kann es immer mal greifen und ein wenig stöbern.

Fahrradfreunde. Ein Lesebuch. Diogenes.

Henry Miller, Kurt Tucholsky, Christian Morgenstern oder Patrick Süskind – das sind keine Namen der Weltliteratur, die man spontan mit Fahrradfahren in Verbindung bringt. Und genau das macht den Reiz dieses in Leinen gebundenen Buchs mit Zeichnungen von Jean-Jaques Sempé – Geschichten rund ums Rad von herausragenden Autoren der Weltliteratur. Die Sammlung schreit geradezu danach, im Urlaub Stück für Stück gelesen zu werden.

Salz im Kaffee. Hans Blickendörfer. Covadonga.

Warum ist der Radsport so verseucht? Und warum fällt es ihm so schwer, sauber zu werden und dann irgendwann hoffentlich zu bleiben – so weit das überhaupt geht. Hans Blickendörfers Roman von 1993 gibt Einblicke in die Historie des Radsports und der Tour de France. Es ist spannend erzählt und auch wenn es nicht versöhnt, dass (vermutlich) noch immer gedopt wird – es gibt einem die Hintergründe, warum Radsport so ist, wie er ist und schafft es dennoch, die Faszination zu erhalten.

Vom Glück auf zwei Rädern. Robert Penn. Tolkemitt Verlag

Der Titel sagt ja schon alles und Robert Penn liefert im Vorwort Hintergründe, die mir bis zu meiner Lektüre so auch nicht klar waren. Die Bedeutung des Fahrrads für die Freiheit, für eine offene Gesellschaft. Danach verfolgt der Leser der schon fast manischen Suche von Penn nach den besten Zutaten für sein persönliches Traumrad. Er reist zu den Herstellern, erklärt die Unterschiede und auch wenn ich selber im Leben das nicht machen würde, kann ich schon verstehen, dass einem bei der Liebe zum Rad so ein Traum umtreibt.

Für mich ist Radfahren, egal wie klapprig der rostige Drahtesel ist, etwas, das mir immer Freude bereitet. Auf dem Rad fühle ich mich frei, die Mischung aus dem Wetter ausgesetzt zu sein und doch etwas mehr Distanz als zu Fuß zurücklegen zu können, spricht mich an, seit ich mich erinnern kann. Ich habe immer an meinen Rädern geschraubt und repariert, kann mich mit Details auseinandersetzen ohne mich zu langweilen und eben auch zuschauen, wie andere über Stunden sich quälen. Dabei gibt es bei Licht betrachtet kaum langweiligere Sportarten zum Zuschauen: Menschen treten in Pedale. Die Bilder sind über Stunden annähernd die gleichen. Aber der Kampf des Mensch gegen Wind und Anstiege (und natürlich auch die anderen Fahrer) er ist in den Gesichtern zu sehen und das, egal ob Doping schiebt oder nicht. Ich werde also erstmal weitergucken. Bis sie das nächste Idol beim Doping erwischen.

 

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Ich bin leidenschaftlicher Radsort begeisterter. Bin ich vor 55 J. doch selber Radrennen gefahren. Natürlich bin bei einigen Leistungen misstrauisch. Aber wie einst ein “ Floyd Landis “ gefahren ist das gibt es schon lange nicht mehr! Man sieht es doch wie oft die Fahrer nach anfänglichen erfolgreichen Angriffen total einbrechen & den folgenden Tag immer noch hohl sind. Das ist ein gutes Zeichen das „Sauber“ gefahren wird.