Die größte Niederlage des Hobbysportlers. Keine Vorsätze, keine Rekorde. Aber neue Ziele

Es ist die Zeit des Jahres für gute Vorsätze, zu denen ich schon mal Stellung bezog, solange es um Fitnessstudios ging. Und Ausdauersportler verlegen ihren „Jahreswechsel“ sinnvollerweise eh an das Ende der Wettbewerbssaison – auf der nördlichen Halbkugel also irgendwann in den Spätherbst. Dann kann man die kommende Saison anpeilen.

Frohes Neues! Auch im neuen Jahr heißt Siegen, dabei zu sein! (Hier mit einer geschätzten Kollegin bei einer Jahresauftaktveranstaltung.)

Mein Thema heute soll aber die größte Niederlage sein, die jeder Hobbysportler erleben wird, da gibt es kein Entkommen. Die eigenen Bestleistungen. Wenn sie in Beton gegossen sind für die Ewigkeit.

Sicher, einige, sehr viele sogar, werden im kommenden Jahr ihre Bestzeiten verbessern. Dank guten Trainings ist das vielen vergönnt. Aber es kommt im Laufe des Hobbysportlerlebens, zumal, wenn man wie ich ernsthaft erst mit Anfang 40 damit begonnen hat, der Zeitpunkt, an dem die körperliche Leistungsfähigkeit nachlässt, die großen „Erfolge“ gefeiert wurden, andere Prioritäten wieder in den Vordergrund treten – und die Zeiten über 10km, Marathon oder einer Langdistanz im Triathlon in SEHR weite Ferne rücken.

Und auch die, die in höherem Alter noch alles drangeben, schneller zu werden, werden dies vielleicht nicht mehr in allen Disziplinen schaffen, da sie sich konzentrieren.

Es gibt, das mag auch nur als Betroffener meine selektive Wahrnehmung sein, viele Hobbysportler, die auch dank der lückenlosen Datenlage über Potentiale oder tatsächliche Leistungen und den Blick nach hinten wie nach vorne feststellen: So schnell, wie ich mal war, werde ich wohl nicht wieder sein.

Mich interessiert am Ausdauersport schon immer sehr die mentale Seite, was es mir gibt für mein allgemeines geistiges Wohlbefinden. Und das ist natürlich eine Niederlage, die es zu verdauen gilt. Es ist auch kein Fußballspiel, wo man vielleicht beim nächsten Spiel gegen einen übermächtigen Gegner mit einem Dusel-Tor in der 90. Minute noch den Favoriten aus dem Pokal schießt.

Ich selber werde nie wieder so schnell laufen können, wie ich es mal konnte. Ja, mir ist klar, dass das nicht stimmt und ich mit sehr viel Energie und Zeit da auch noch mal rankommen könnte, wenngleich es eben nicht mehr leichter wird.

So gesehen WILL ich vermutlich einfach keine neue Bestzeit mehr laufen. Sie ist mir nicht mehr wichtig. Nicht mehr so, wie sie es mal war. Das bemerkenswerte an meinen Bestzeiten ist, dass ich sie damals mehr oder minder achselzuckend zur Kenntnis genommen habe, da ich sie zum jeweiligen Zeitpunkt nur als einen Schritt zu später kommenden noch schnelleren Zeiten betrachtete. Die kamen nur nie. Verletzungen, Trainingsrückstände und dann schon der vermutlich langsam mangelnde Wille, alles an einer noch kleineren Zahl zu orientieren, kamen zusammen. Das erste Jahr denkt man noch: Nächste Saison.

Nach nun einer rund 7 Jahre alten Bestzeit auf der Marathondistanz muss ich einfach konstatieren: Sie wird es bleiben. Selbst die zweit- oder drittbeste Zeit auf der Distanz – unerreichbar. Die Geschwindigkeit, mit der ich früher langsam lief, ist heute mehr als anstrengend.

Irgendwann war auch mal die umsatzstärkste Taxischicht im Studium gefahren, das Konzert mit den meisten Zuschauern gespielt, irgendwann mal ist das entfernteste Reiseziel bereist gewesen (das immerhin kann ich vermutlich noch ändern.)

Als alternder Ausdauersportler kann man sich natürlich immer mit einer Krücke behelfen und schauen, ob die Trainingsanstrengungen einen nicht dennoch in der eigenen Altersklasse dort ins Klassement hinverfrachten, wo man mit schnelleren Zeiten in den niedrigeren AKs war. Aber – es hilft ja nicht drüber hinweg, dass man auf den sattsam bekannten Trainingsstrecken gefühlt zur Salzsäule erstarrt steht statt wie eine Antilope zu rasen.

Wie also damit umgehen? Haken dran, seinen Frieden machen, „Resignation“, wie ich in einem kleinen twitter-Plausch las, der mich zu diesem Post veranlasste.

Alles richtig, alles fein und das weiß auch jeder. Wie immer ist das natürlich nicht geschenkt, da etwas positives draus zu machen. Da ähnelt der Stimmungswandel durchaus auch dem körperlichen Training – man kann und muss schon was dafür tun.

Der für mich selber entscheidende erste Schritt ist dabei gewesen, auch einmal stolz zu sein. Rückblickend. Anerkennen, dass man etwas erreicht hat, das nicht selbstverständlich ist. Stolz und Zufriedenheit sind sicher nicht meine ausgeprägtesten Eigenschaften und ich kann sagen, dass ich bei keinem der Rennen, in dem ich ein Bestzeit gelaufen bin, ich viel mehr getan habe als zu denken: „Okay, geschafft. Haken dran.“

Dass es wichtige Punkte sind für das Poesiealbum des Ausdauersports war mir zu dem Zeitpunkt nicht klar, ich habe da – da ist sicher jeder anders – nichtmal besondere Motivation draus gezogen, mich interessierte nur der nächste Schritt.

Heute kann ich auf die Zeiten und – wenn vorhanden – auch die Fotos von den Zieleinläufen schauen und bin dann zufrieden, dass ich das erreicht habe, was ich erreicht habe. Und dafür ist die absolute Zeit oder gar die Platzierung nicht entscheidend. Irgendwer ist immer schneller. Aber ich war eine zeitlang immer schneller als mein größter Gegner: Ich selbst.

Nun habe ich das Glück, dass mich am Ausdauersport inzwischen andere Dinge interessieren als die Zeit. An ihre Stelle getreten sind die Wünsche bestimmte Wettbewerbe zu machen, mich in einem schwer zu vergleichenden Wettkampf an der Natur zu erfreuen und ihre Herausforderungen zu meistern. Dafür muss mehr als genug trainiert werden, von Altenteil wegen Sentimentalität kann keine Rede sein. Aber es ist unwahrscheinlich, dass als „Abfallprodukt“ noch mal eine Bestzeit rauskommt, sei es im Schwimmsplit eines Ironman oder den klassischen Laufdistanzen von 10 bis 100km.

Ich kann also dankbar sein, dass der Sport als solcher so viele verschiedene Wege bietet, erfüllende Ziele zu erreichen, Erlebnisse zu haben, dass ich diese Niederlage gegen mich selbst heute gut überwunden habe.

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Alle Kommentare [2]

  1. Sehr schön zusammengefasst! Da ich gerade Anfang 40 und erst wirklich in ein leistungsorientiertes Training eingestiegen bin, erfreue ich mich der nächsten Jahre an besseren Zeiten. Wobei bei mir auch immer das Erlebte im Vordergrund stand und stehen wird. In erster Linie geht es mir darum, mich weniger quälen zu müssen, wenn ich nochmal einen Anstieg rauf will, egal ob laufend oder radelnd.

    In diesem Sinne, wir sehen uns auf Twitter