Test Garmin Forerunner 630 – die ultimative Laufuhr?

Das Spitzenmodell kann alles besser. Es ist schöner, begehrenswerter, nützlicher, großartiger, hilfreicher. Es ist der technologische Gipfel, hier wird die State-of-the-Art-Technologie verbaut, die zwei Jahre später in einfacheren Geräten zu finden sein wird. Das ist so bei Mercedes, die traditionell alles, was gut, sicher, schön und teuer ist, der S-Klasse angedeihen lassen, bevor auch der gemeine E-Klasse-Fahrer es haben darf.

Sind denn schon alle dabei, bei dailychallenge.wiwo.de?

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Das ist im Grundsatz bei allen Rasierern, Rasenmähern und Elektrotackern so. Selten wird jedoch gefragt: Aber braucht man das mehr? Die Forerunner 630 ist das derzeitige Spitzenmodell für Läufer von Garmin. Sie wird ausgeliefert mit der neuesten Generation an Brustgurt, der zusammen mit der Uhr die Datenfülle nochmals erhöht. Neben den Klassikern wie Herzfrequenz und natürlich den Geschwindigkeitsparametern, gibt sie Auskunft über zu messende Bewegungen, bei denen man überhaupt erst Mal verstehen muss, worum es dabei eigentlich geht.

Doch bevor ich mich dem Big Data des Arms widme, zunächst einige andere Anmerkungen zur FR630.

Sie befindet sich in dem gleichen Gehäuse wie ihre kleineren Schwestern, von der ich hier schon die Forerunner 235 gestestet habe. Das Armband ist etwas dicker, mithin wertiger. Positiv formuliert: Die Familie bewegt sich auf dem gleichen Niveau. Wie lange alles hält, lässt sich binnen Wochen nicht beurteilen, aber in der Testphase hatte kein Display einen Kratzer, alle Bänder sitzen gut – da gibt es wenig zu meckern.

Die FR630 ist eine Laufuhr, bietet aber als Modus auch „Wettkampf“ und „Indoorlaufen“ und „Radfahren“ und „Sonstiges“ an. Ich habe mit „Sonstiges“ mal 30 Minuten auf der Rudermaschine gesessen – besonders wertvoll waren die Infos danach nicht. Ich habe mich halt bewegt. Wie weit, das hätte ich auf der Rudermaschine schon noch selber ablesen müssen. Ihr Revier ist Laufen, da glänzt die FR630 mit Messwahnsinn.

Familienfoto. Die 630 in der Mitte.

Familienfoto. Die 630 in der Mitte.

Neben der Lauf-Parameter-Datenfülle, ist es vor allem ein Feature, das die FR630 von ihren Schwestern und eigentlich fast allen derzeit am Markt befindlichen Uhren unterscheidet: Sie wird über ein Touchdisplay bedient. Die Farbigkeit ist keine andere als bei den anderen Modellen auch die Menüführung ist identisch. Aber: Statt mit einem Knopf eine Auswahl zu bestätigen, erfolgt dies über das Drücken auf das Display. Dort lassen sich Smart Notifications anwählen und löschen.

Das bedeutet auch: Sie lässt sich NUR über das Display steuern. Nun wäre es mir Sommer weniger schnell aufgefallen: Das ist umständlich im Winter, wenn ich Handschuhe anhabe. Will ich zwischen den Datenfeldern wechseln, muss ich das mit einer Wischbewegung über das Display tun. Das ist mit Handschuhen dann weniger erfolgreich. Wenn Feuchtigkeit auf Display kommt und ein Stück Stoff aufs Display gerät, dann wischte mir in seltenen Fällen diese Kombi die Anzeige weiter. Kein Drama, denn die Einheit wird so weder gestoppt noch gelöscht, das geht dann doch nur über den guten alten Knopf rechts oben.

Das wäre auch alles noch zu vernachlässigen. Das eigentliche Problem ist, dass die Wischerei nicht auf Augenhöhe ist mit der Zuverlässigkeit, mit der andere Touchdisplays arbeiten. Häufiges Nachdrücken, Wiederholen, und immer erneut Versuchen sind selbst bei optimalen Zuständen nicht selten. Ich habe mich oft wohl zu unpräzise „ausgedrückt“ mit dem Finger – will heißen, dass ich zu schräg über das Display ging. Von SüdSüdOst nach NordNordWest und ich dann mit Pech die Anzeige von rechts nach links verschob statt von unten nach oben. Das ist lästig. Hilft nix.

Vielleicht werde ich nur alt, habe in meiner Vergangenheit zu viele Hifi-Magazine gelesen, in denen von „aus dem vollen gedrehten Lautstärkereglern“ und dem „haptischen Erlebnis“ geschwärmt wurde – ich bevorzuge Knöpfe. Die finde ich nach einer Zeit der Gewöhnung blind. Wenn ich drücke, passiert was. Mag ich. Touchdisplay in dieser Form: Spielerei, die dann noch nicht mal sauber funktioniert. Schade.

Nun zu den Daten. Daten. Daten. Daten. Daten.

Jaja, es sind so viele. Anbei als Galerie einige Screenshots aus Garmin Connect.

Zu den inzwischen fast gängigen Einheiten „Schrittlänge“ und „Schrittfrequenz“, die sich auch noch recht leicht selbst erklären, kommt das „Vertikale Verhältnis, das so erklärt wird:

  • Das vertikale Verhältnis ist ein Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Kosten entsprechen der vertikalen Bewegung, und der Nutzen entspricht der zurückgelegten Strecke. Garmin hat wissenschaftliche Studien mit Läufern verschiedener Fitness-Levels durchgeführt. Laut Tests haben erfahrenere und schnellere Läufer gewöhnlich ein niedrigeres vertikales Verhältnis. Das vertikale Verhältnis ist unabhängig von der Größe des Läufers. 

Wiederum noch gut selber zu begreifen ist die Bodenkontaktzeit, wie lange also mein Fuß am Boden ist, je kürzer, desto besser, denn Laufen ist „kontrolliertes Fallen“, wie ich in Scott Jureks Buch „Eat & Run“ las.

Nun noch die Balance der Bodenkontakzeit. Ich zitiere:

  • Viele Trainer sind der Auffassung, dass eine symmetrische Laufart am besten ist, um die Leistung zu verbessern und Verletzungen zu verhindern. Garmin hat wissenschaftliche Studien mit Läufern verschiedener Fitness-Levels durchgeführt, um typische Bereiche für die Balance der Bodenkontaktzeit zu ermitteln. Laut den Tests weicht die Balance der Bodenkontaktzeit für viele Läufer beim Laufen bergauf oder bergab oft stärker vom 50-50-Verhältnis ab. Einige Läufer sehen einen Zusammenhang zwischen Verletzungen und ihrer Balance der Bodenkontaktzeit.

Nun klingt das alles kompliziert. Ist es auch, aber dank des Farbsystems ist ziemlich schnell zu erkennen, ob man gut ist oder nicht so gut. Für mich eigentlich entscheidend: Wie konstant ist etwas. Das lässt sich leicht sehen. Viele verschieden farbige Punkte: Unrund gelaufen. Viele von einer Farbe: Gleichmäßig gelaufen.

Diese Daten erlauben es, zusätzlich zur Analyse der aeroben und anaeroben Fähigkeiten auch am Laufstil zu arbeiten. Sind einige Parameter, wie die Bodenkontaktzeit im argen, dann lässt sich da gezielt dran arbeiten. Wer im Selbsttraining ist ohne das wachsame Auge des Trainers, wird hier einen wertvollen Fundus bekommen, der helfen kann, den Laufstil zu verbessern. Ich selber bin über die Zeit eigentlich immer gleich gelaufen. Meine Daten zum Bewegungsablauf gäben mir jetzt ohne Hilfe wenig an die Hand, um dran zu arbeiten.

WiWo-Quiz schon angemeldet?

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Kurzum: Ich benötige diese Daten weniger als die zu Herzfrequenz und vielleicht noch Schrittfrequenz und -länge. Ich persönlich bräuchte die 630 nicht und angesichts meiner geringen Begeisterung ob des Displays würde ich sie so auch nur denen empfehlen, denen es wichtig ist, das allerletzte an Infos aufzeichnen zu können, das man derzeit ermitteln kann über den Laufstil.

Das klingt zunächst mal wenig euphorisch. Aber bis auf die Kritik am Touchdisplay erfüllt die Uhr zuverlässig jene Aufgaben, die sie ausführen soll. Alles an Technologie und Anwendungen, die nun schon seit einiger Zeit Standard sind, wie Auslesen via Bluetooth und Wlan, Schnelligkeit des GPS (sensationell), Akkudauer (großartig) geben nicht den geringsten Grund zur Klage. Wer mag, kann auch die Musik seines Smartphones damit steuern und ein Aktivitätsmonitor, vulgo Schrittzähler, ist selbstverständlich auch enthalten und auch der Schlaf wird verfolgt.

Wem empfehle ich diese Uhr: Jenen Läufern, die alles wissen wollen mit den erwähnten Einschränkungen der Handhabung.

Habe ich was vergessen? Sicherlich! Dann: Fragen in den Kommentaren, damit alle mitlesen können.

 

 

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Alle Kommentare [19]

  1. Ich finde die Garmin Forerunner 630 echt nicht schlecht aber seit kurzem hab ich die Fenix 3 HR und das ist nochmal ne ganz andere Liga.

  2. Hallo, beschwören kann ich es nicht, aber meine 910xt läuft nun seit Jahren solide mit dem Akku. Bei guter Pflege desselben kann das eigentlich kein Problem mehr sein.

  3. Hallo,
    Wie sieht es mit der Lebensdauer des Akkus aus, wenn es nach paar Jahren nicht mehr funktionsfähig ist, ist er austauschbar oder muss ich mich dann nach einer neuen Uhr umschauen?

  4. @David aus der Abteilung: Frag‘ bei Garmin – hier die offizielle Antwort.

    „Zu den beiden Fragen:
    – Es gibt beim Forerunner 630 kein Datenfeld „Aufstiegshöhenmeter“. Da sich auf dem Forerunner 630 Connect IQ Apps installieren lassen, wäre es aber grundsätzlich möglich entsprechende Datenfelder als App hinzuzufügen.
    – Am Forerunner 630 selbst können neue Aktivitätsprofile hinzugefügt werden. Auch hier stellt Connect IQ eine zweite Möglichkeit dar.“

  5. Hallo danke für die info, 2 fragen hätt ich noch kann man sich die aufstiegshöhenmeter als datenfeld anzeigen lassen? Kann man eine andere sportart auser laufen im programm zufügen da ich sie auch zum berglaufen und skibergsteigen verwenden würde.
    Mfg David

  6. Hallo, sie besitzt keinen Höhenmesser, nein. Sie berechnet aber Höhenmeter auf Basis von GPS.

  7. @hallo tom, hui, der von der 405 ist kein Bluetoothgurt, oder? Der Sensor ist ohne weißes Läufersymbol? Da müsste ich auch ins Manual schauen, ob er überhaupt zu koppeln ist, sicher ist, dass dann nicht die Parameter gemessen werden, die die 630 von der 230 untersceidet. Uss de la meng: Das wird der aktuelle Gurt sein müssen.

  8. Hallo,

    ich stehe kurz vor dem Kauf dieser Uhr und mich würde interessieren, ob mein Pulsgurt von meinem Forerunner 405 auch bei diesem Modell funktioniert. Andernfalls müsste ich den mitkaufen und hätte dann schon den dritten in der Schublade.

    Danke für diesen tollen bericht,
    Tom

  9. Das vertikale Verhältnis kann man auch als tan(alpha) = Absprungwinkel auffassen. Die erforderliche Laufleistung P=m*g*v*tan(alpha) hângt damit direkt zusammen, vgl. lt-pappelallee, Laufleistung in Watt

  10. Hallo Sascha, so genau kann ich das gar nicht sagen. Denn: Ich habe sie über Tage für mehrere Trainings benutzt und war nie nah an dem Punkt, wo ich hätte panisch nachladen wollen. Es stellte sich rasch ein Gefühl der Sorglosigkeit ein: Es wird schon noch reichen. Meine Erfahrung mit anderen Garminmodellen sagt mir: Bestimmt 15 Stunden.

  11. Da gilt: Kein Hilfsmittel entdeckt etwas neu, sondern greift die bekannten Probleme auf und gibt ein modernes Werkzeug an die Hand.

  12. „Das vertikale Verhältnis“

    Im Sport hieß es früher immer zu mir, ich solle laufen und nicht springen.