Don’t pay the ferryman. Der Red Bull Triislands-Triathlon auf Amrum/Föhr/Sylt

Don’t pay the ferryman (C. de Burgh)

Dem Tode nahe. Nein – das wäre natürlich völlig übertrieben. Selbst Panik, nein, nicht mal Angst waren wirklich im Spiel. Eigentlich nicht mal Sorge. Aber ich habe an diesem Wochenende eine Ahnung davon bekommen, wie Schwimmer auf offener See sich von der ersten Irritation emotional hoch eskalieren können und irgendwann „HILFE, RETTET MICH!“ brüllen.

Mit voller Kraft gen Sylt. Wenn man sie denn erwischt hat, die Fähre.

Mit voller Kraft gen Sylt. Wenn man sie denn erwischt hat, die Fähre.

Ich habe das so gewollt. Seit vielen Jahren kenne ich den Strand von Utersum auf Föhr. Dort kann man baden, nach Sylt und Amrum schauen oder mit einem Wattführer bei Ebbe durchs Watt nach Amrum hinüber laufen. Ich stand oft genug in meinem Leben dort und blickte rüber und dachte: Da müsste man doch eigentlich rüberschwimmen können.

Nun sind selbst Wattwanderungen ohne Führer nichts, was man unterschätzen sollte und sobald ein Priel durchquert werden muss erst recht. Die Strömungen zwischen den Inseln Amrum/Föhr/Sylt können stark sein, auch wenn die See ruhig wirkt. Ich habe also lieber kein Abenteuer geplant bislang.

Auftritt Red Bull. Der Produzent der Nachtschwärmerbrause hat schon lange das Event zur Marketingstrategie gewählt. Irgendwo, wo sich einer ohne Sicherung runterstürzen oder halbnackt ohne Sicherung hochklettern kann, wartet sicher jemand mit einer Dose Red Bull auf ihn. Triathlon in seiner „normalen“ Ausformung gehört ebenfalls zu den Sportarten, die das Unternehmen des Österreichers Dieter Mateschitz sponsort. Nun hat sich das Unternehmen mit einem Kölner Triathlon-Veranstalter zusammengetan, um den 1. Triislands-Triathlon auf Amrum/Föhr/Sylt auszutragen. Mit anderen Worten: Schwimmen von Amrum nach Föhr, das ist zwar nicht die Richtung, die ich immer im Kopf hatte, aber die gleiche Strecke.

400 Starter auf Amrum, die nach Föhr wollen, um nach Sylt zu kommen. (Copyright Red Bull)

400 Starter auf Amrum, die nach Föhr wollen, um nach Sylt zu kommen. (Copyright Red Bull)

Ich musste also dabei sein. Auch wenn jedes vernünftige Argument dagegen sprach. Ich musste also ganz unbedingt dabei sein.

Der Triislands-Triathlon war ein von der Deutschen Triathlon Union offiziell genehmigter Wettkampf. Wenngleich er mit keinem anderen Triathlon zu vergleichen ist. Der zentrale Grund: Zwischen Radfahrt und Laufen mussten die Teilnehmer mit Speedbooten von Föhr nach Sylt gefahren, besser geheizt, werden. Wer es bis 16:50 nicht an den Steg geschafft hatte, um eine Fahrkarte für einen der Flitzer zu bekommen, musste auf Föhr bleiben. Rund 50 von 400 Teilnehmern haben teils um 1 Minute den Cut off verpasst.

Komplizierte Tütenlogistik. 1 nach Amrum, 2 nach Föhr, 1 nach Sylt.

Komplizierte Tütenlogistik. 1 nach Amrum, 2 nach Föhr, 1 nach Sylt.

Aber zurück an den Start. Der Reiz, die Herausforderung, der Charme des Schwimmens liegt an der Unberechenbarkeit der Natur, die es als Schwimmer zu überwinden gilt. Das Wasser kann spiegelglatt sein. Oder wie Sonntag den 16. August um 14 Uhr aufgerauht. Es war kein Strandwetter, das kann man schon so sagen. Brandung ist etwas anderes, aber man konnte Wellen sehen. Durch Ebbe und Flut und die Lage der Inseln und Winde ergeben sich vor allen in den Prielen Bedingungen, die sich nicht vorhersehen lassen. Die Strömung macht, was sie will.

Eine kleine Gruppe von Schwimmern muss sie so zugesetzt haben, dass die für einige Zeit unwissentlich wieder zurück geschwommen sind. Die, die auf Föhr gestrandet sind, waren teils tief enttäuscht, weil es so knapp war. Verständlich. Dass sie die Schwimmstrecke gemeistert hatten, tröstet sie sicher kaum.

Schneller als die Polizei erlaubt? Ganz gewiss nicht schneller als die Wasserpolizei.

Schneller als die Polizei erlaubt? Ganz gewiss nicht schneller als die Wasserpolizei.

Denn die hatte es in sich. Ich bin in meinem Leben in so vielen Freigewässern geschwommen, dass ich selten Sorge habe. Hatte ich auch jetzt nicht. Aber es gab den Punkt, an dem ich bereit gewesen wäre, mich von einem Helferboot rausziehen zu lassen, und an Land bringen zu lassen. Nur – da war gar kein Boot. Teils war da gar nichts. Der Wellengang hat mich so hoch und runter bewegt, dass ich nichts sah und  immer wieder kurz den Eindruck hatte, ich wäre längst irgendwo, aber nicht mehr auf der offiziellen Schwimmstrecke. Im Seegang klatscht der Kopf ins Wasser, das Salz brennt mit Pech im Auge, die kleinen Schwimmbrillen erlauben eh nur eingeschränkte Sicht.

Gen Ende kam ich mir besonders clever vor, dass ich versuchte, mit den Wellen mitzuschwimmen, die mich von ihrer Richtung eigentlich perfekt ins Ziel hätten schieben müssen. Taten sie aber nicht. Stattdessen driftete ich ab. Das Wort „Besenboot“ spukte durch meinen Kopf. Dass man oftmals im Wasser stehen konnte, gab mir wenigstens ein Gefühl der Sicherheit. Viel öfter als sonst musste ich mich mir mit ein paar Zügen Brust Orientierung verschaffen. Oder ich habe mich gleich hingestellt, denn die See war rau, aber nicht tief. Dann wieder vier Züge Kraul um festzustellen, dass ich schon wieder 45 Grad zu weit nach links schwimme. Das Spiel ging ein paar mal hin und her, bis ich alle Ziele über Bord geworfen hatte und im Bruststil gen Land schwamm, in der Gewissheit, als vermutlich Letzter gar nicht erst aufs Rad steigen zu müssen.

Ein schnuckliger Wettbewerb.

Ein schnuckliger Wettbewerb.

Das, was mir durch den Kopf ging, ging, wie sich später herausstellte, Dutzenden von Schwimmern so. All jene hatten weit mehr als die angekündigten 2,5 Kilometer auf ihren Uhren, alle haben einen Bogen geschlagen, alle wussten bisweilen nicht mehr so recht, wo sie hinschwimmen sollten. Wenn es etwas mitzunehmen gab von diesem Schwimmen, dann Demut, Respekt und Ehrfurcht. Im Wasser bestimmen andere Elemente, nicht der Mensch. Die Belohnung: Eine zu meiner sehr großen Überraschung riesige Zahl von Menschen, die den sonst so beschaulichen Strand von Utersum bevölkerte und uns Athleten mit lauter Begeisterung empfing. Das – ich lehne mich mal aus dem Fenster – habe ich so auch noch nicht auf den schon großartigen Wettkämpfen in Kraichgau oder Roth erlebt. Vielleicht, weil jeder, der dort oben ist, ahnt, was das heißt, in dem Wellengang dort hinüber geschwommen zu sein. Und auch etwas weniger mit lauter Bekloppten rechnet.

Alu vor Stahl. Das Wettkampgefät in Szene gesetzt.

Alu vor Stahl. Das Wettkampgefät in Szene gesetzt.

Danach war Triathlon. Rad fahren vor und hinterm Deich mit reichlich Wind.

Fast Triathlon. Da war noch die Bootsfahrt. Zunächst mal sah ich das letzte von mehreren Booten, die in dichter Folge abfuhren, unmittelbar vor mir abfahren. Ich musste mit allen anderen, die noch am Steg ankamen, warten, bis die Boote wieder zurück waren. Gute 30 Minuten dauerte das – und unsere Uhr tickte. So kommt es, dass einige Teilnehmer in der Wertung weit vor mir stehen, obwohl die Zeit ihrer Sport-Abschnitte in der Summe über meiner lag. Nun – sie waren schneller am Steg – und das muss ich akzeptieren. So waren die Regeln, sie waren bekannt. Ich hätte ja nicht ein Labyrinth im Wasser schwimmen müssen.

Immerhin: Ich habe ein Shuttle bekommen, das war mein wichtigstes Ziel. Und wie sich zeigte: eine großartige Ergänzung. Denn der Shuttle zwischen der Radstrecke auf Föhr und der Laufstrecke auf Sylt war für sich ein frisches feuchtes Erlebnis bei einem Speed, den ich nicht mal auf dem Fahrrad hinbekommen habe. Die Boote wirkten wie Militärboote für rasches Eingreifen auf hoher See. 250 PS hatten die Motoren, es wurde Vollgas gegeben. Ich war im Trisuit vielleicht ein wenig leicht bekleidet, die anderen hatten ihr Beutelmanagement besser im Griff und in ihren Tüten in der Wechselzone eine Jacke deponiert. Aber: Nordseeurlauber frieren nicht. Für die Teilnehmer eine Erholung wie ein Nervenkitzel. Und nochmals die Erinnerung daran, wer hier diktiert: Das Wasser.

Dieser Anblick, wenn man denn endlich nah genug war, bot sich dem Schwimmer nicht so gut wie hier aus dem Boot.

Dieser Anblick, wenn man denn endlich nah genug war, bot sich dem Schwimmer nicht so gut wie hier aus dem Boot. (Copyright Red Bull)

Was blieb, war der Lauf, den ich sportlich genießen wollte. Zügig, aber kein Rennen. Die Dünen von Hörnum sind zu schön, um achtlos durch sie durchzubrettern und drei Kilometer im Sand mit Rückenwind am Strand zu laufen ist einfach ein Erlebnis. Eines, bei dem ich trotz der Romantik meine letzten Körner nicht im tiefen Sand verbrennen wollte, sondern mir meine Kenntnisse im Bau von Sandburgen in Erinnerung rief. Nasser Sand ist fest, den nimmt man zum Bau von Eimer-Türmen. Und so lief ich ganz unten am Wasser, oft den Wellen ausweichend, um ja den festesten Untergrund auf Sand zu bekommen, der möglich ist. Und die obligatorische ältere Dame im FKK-Abschnitt ging auch gerade ins Wasser.

„Es ist nicht mehr weit“ – das hörte ich auf dem letzten Kilometer aus so manchem Garten der Urlauber der schnuckligen Reethäuschen in den steilen Dünen von Hörnum. Und ich habe halb im Scherz, halb ernst geantwortet, dass es leider schon vorbei sei. Die schönen Dinge dürfen ruhig ewig gehen – im Sport ist die Anstrengung davor, das wirklich so zu sehen. Aber es war ein bemerkenswerter Tag, ganz anders als alle anderen Triathlons, die ich bislang absolviert habe. Ein Event, das den ganzen Sportler forderte und eine Sportveranstaltung, die den Sportlern ein Erlebnis bescherte.

Und dass im Zielbereich Bratwurst und Scampis gegrillt wurden und Cocktails gemixt – das iTüpfelchen auf einem tollen Tag.

 

 

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Alle Kommentare [11]

  1. Ein sehr ausführlicher und schöner Bericht. Haben Sie es denn in diesem Jahr wieder geschafft, einen Startplatz zu ergattern und sind mit von der Partie? Ich bin zwar keine Teilnehmerin, werde als Föhrerin aber definitiv am Föhrer Streckenabschnitt zugegen sein, um alle „laufenden Fahrradschwimmer“ anzufeuern. Ich freue mich schon drauf!
    Viele Grüße und Alles Gute!
    Cathrin Kreuseler

  2. Glückwunsch!

    Das klingt einfach zu verlockend.
    Im nächsten Jahr werde ich wohl an den Start gehen müssen…dieses Jahr hatte der UTMB aber Priorität.

  3. @katrin Danke! Ich finde ja, auch wenn ich den Frust verstehe, dass jeder, der das Schwimmen geschafft hat, den WK eigentlich gemeistert hat. Das können nur wenige gewesen sein, die wussten, was passieren wird. Das mit der Minute ist sehr ärgerlich, aber ich weiß, dass da alle gekämpft haben. Respekt hat jeder verdient, der rüber geschwommen ist.

  4. @Ferienwohnung Riewerts Danke! Ich hoffe, dass ich kommendes Jahr auch dabei bin. Die Begrüßung auf Föhr war jedenfalls ein dolles Ding! Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.

  5. Toller Bericht, Thorsten, vielen Dank! Mir ging es beim Schwimmen genauso, ab und zu hat man gar nichts gesehen, in gar keine Richtung. Fürs nächste Jahr wünsche ich mir eine Leuchteboje am Zielstrand oder wenigstens einen engeren Korridor! 🙂 Respekt vor Deiner Leistung!! Ich bin eine von denen, die das Boot um 1 Minute verpasst haben 🙁

  6. Ein ganz toller Bericht! Wir waren, mit Feldstecher bewaffnet, begeisterte Zuschauer in Utersum. Als Einheimischer kennt man nur zu gut die Tücken der Nordsee und als bekannt wurde, daß die Triathlon Schwimmstrecke von Amrum nach Föhr starten sollte, konnten wir es gar nicht glauben. Aber knapp 400 Athleten haben es uns bewiesen, super! Wir hoffen sehr auf einen Wiederholung im nächsten Jahr. Lieben Gruß von der Insel

  7. @Henning Das würde ich unbedingt empfehlen! Ich hoffe, ich kann auch dabei sein.

  8. @Brar, danke! Na, das hatte ich versucht. Dann hat mir ein Helfer auf dem Surfboard zugerufen, ich solle zum Haus des Gastes schwimmen. Habe ich dann auch gemacht. Und wär beinah in Dunsum am Wattläufer rausgekommen…

  9. Vielen Dank für diesen tollen Beitrag und herzlichen Glückwunsch und Respekt zum erreichen des Ziels. Ich hoffe das die Veranstaltung im nächsten Jahr wieder stattfindet und werde dann versuchen selbst an den Start zugehen. 🙂

  10. Toller Bericht! Kleiner Tipp fürs nächste Mal…gleich Richtung Reha Klinik in Utersum schwimmen.