Reden wir. Über Büsche. Über Blätter. Über Natur. Ein Scheißthema.

Dies ist ein Scheißthema. Aber irgendein Läufer muss dazu mal schreiben.

Nennen Sie ein Thema, das Ihnen unangenehm ist, das aber jeder kennt. Es fallen Ihnen sofort welche ein. Läufern auch. Eines ganz besonders. Und Sie finden zu diesem Thema kein Wort in den Ratgebern. Weder auf den Online-Portalen der Laufmagazine, noch in dem Marathonbuch, nach dem ich trainiere. Aber wenn die Läufer unter sich sind, dann raunt jeder, dass er oder sie das kenne, es sei auch furchtbar unangenehm und überhaupt. Und so. Jeder weiß. Keiner spricht.

No pun intended

Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Auch kein Dixieklo. Viel Natur und nur einen Busch.

Verdauung.

Und zwar dann, wenn es nicht passt. Der schnellste deutsche Teilnehmer des Berlin Marathons 2014, Falk Cierpinski, wurde von den Kameras gestellt, als er bei seinem Rennen anhielt und in ein Dixieklo abbog.

Sie haben was nicht an Ihrer Laufstrecke? Genau. Ein Dixieklo. Hat so gut wie niemand. Für die wenigen nichteingeweihten Nichtläufer, die bis hierhin mitlesen: Es ist nicht aufzuhalten. Wenn Sie glauben, sie hätten schon mal Unausweichlichkeit in Reinheit erlebt, weil Benzin-Preise vor den Ferien steigen, dann haben Sie noch nie Bekanntschaft mit einem der  physikalischen Gesetze gemacht, das von Aristoteles über da Vinci bis Newton die Gelehrten Beschäftigte: Trägheit der Masse.

Kurz gesagt: Sie will bleiben, wo sie ist. Wenn Sie sich ihren Körper als ein geschlossenes Glas vorstellen, in dem ein Klumpen Knete liegt, und dieses Glas dann schütteln: Die Knetmasse will nicht recht mit. Und sie will nach unten.

Ultima Ratio. Gras und Blätter.

Ultima Ratio. Gras und Blätter.

Das gleiche passiert im Grundsatz so im Darm. Masse, die von der Erdanziehungskraft betroffen ist und in der Aufwärtsbewegung des Laufens nicht so recht mit nach oben genommen wird und in der Abwärtsbewegung nach unten geschleudert wird. Der Darm hält sie nicht fest aus nachvollziehbaren Gründen. Das spüren sie und sie spüren das früh und sie wissen nach einigen dieser unglücklichen parallelen Verläufe von Sport und Verdauung: Es gibt kein Entrinnen.

Wie schrieb der Sportsfreund @whoogleplex auf Twitter so schön: „Wenn der Dickdarm zwei mal bimmelt.“ Er hatte dann seine geplante Einheit um ein Drittel abkürzen müssen. Das geht nur nicht immer.

Unterwegs ist nun guter Ort teuer. Ich selber habe nach fünf Kilometern bei Morgenläufen das Glück an einem Autohaus vorbei zukommen, das dank der angeschlossenen Werkstatt bereits sehr zeitig geöffnet hat. Ein offensichtlich verschwitzter Mann in Laufklamotten irritiert die Mitarbeiter dort nicht. Rettung.

Diese ist jedoch weit seltener nah und auch ich kann die Gesetze der Natur vielleicht für 1-2 Kilometer überstimmen, aber keine drei. Ist das Autohaus also zu fern, die eigene Wohnung auch, dann beginnt die Suche. Kurzer Ausflug: So viel kann ich Ihnen zu London sagen – Towerbridge Richtung Canary Wharf auf dem sehr schönen Thames-River-Walk finden Sie auf fünf Kilometern keine unbebaute Stelle. Den Gedanken, den nächsten Passanten anzusprechen ob ich mal kurz bei ihm Natur wirken lassen könne, habe ich sehr ernsthaft geprüft, ebenso wie die Zahl der in London deutlich häufigeren Überwachungskameras. Aber – entwürdigt und vermutlich straffällig wegen Wasserverschmutzung, ich wollte es mir ersparen. Freude, Glück und Erleichterung – habe ich selten so intensiv gefühlt wie in dem Moment, als ein Schild auf das Hilton Hotel hinwies.

Mantel des Stinkens über den Wäscheberg eines Laufs gelegt. Frische Farbe, fauler Gestank.

Es ist nicht immer nur vorteilhaft, gut gesehen zu werden.

Viel häufiger allerdings ist die Dramatik daheim zu lösen. Und hier heißt die Antwort: Busch. Überspringen wir einfach Sujets wie grellgelbe Laufjacke, die einen gut sichtbar macht oder die Frage wie viele Hundebesitzer wohl morgens diesen Weg nutzen. Es ist ein Notdurftfall. Und vor die Wahl gestellt, wofür man sich mehr schämen könnte, wähle ich sicher die unfreiwillige Pause im Freien gegenüber der vollen Hose. Sie vermutlich auch.

Die Lauffreunde aus dem französischen oder auch südeuropäischen Sprachraum haben hier nun einen kleinen Vorteil, denn dort ist in vielen öffentlichen Gaststätten das blanke Loch im Boden noch immer häufig anzutreffen. (Kleiner Tipp am Rande: Sollten Sie auf Dienstreisen in einer Stadt laufen, sind Hotels mit ihren frei zugänglichen Toiletten meist eine sichere Bank, kein Portier wird Ihnen je den Zutritt zum Hotel verweigern, Sie könnten schließlich ein Gast sein. Je teurer das Hotel, desto unproblematischer. Joggende Gäste haben die im Dutzend.) Zurück zur Ausstattung. Im Busch gibt’s keine.

Das macht es alles nicht leichter. Was die Nutzer französischer Bistrots sicher wissen: Es ist clever, die Hose ganz auszuziehen, zumindest ein Bein. Alles andere: Es kann was in die Hose gehen. Der recht bodenständige Hintergrund dieses Sprichworts ist fast herzerfrischend. Wenn ein leichtes Gefälle vorhanden ist: Sinnvoll. In die richtige Richtung natürlich. Einfach an Newton denken.

Kommen wir nur zum Serviceteil dieses Blogbeitrages, der den Mehrwert oder Content schafft. Das richtige Blattwerk.

  • Tipp 1: Sammeln Sie ZUERST das Blattwerk.
  • Tipp 2: Sammeln Sie AUSREICHEND Blattwerk

Welches Blattwerk kann ich nun empfehlen? Da hier keine Hersteller im Spiel sind, darf ich sicher Empfehlungen geben, ohne mich der Bestechlichkeit schuldig zu machen. Es kommt dann noch ein wenig auf die Jahreszeit an. Von Morgentau benetztes langes sattes Gras ist sicher von Haltbarkeit der Fasern bis Handhabung am empfehlenswertesten. Je später im Jahr, desto geringer die Auswahl an Blättern von Büschen und Bäumen. Sehr kleine Blätter sind ebenso wenig geeignet wie allzugroße mit harten Stielen. Die kleinen lassen sich nicht gut bündeln und die großen tun dann einfach weh. Jüngere Ahornblätter sind fast ideal. Finden sich nur auch nicht überall. Löwenzahnblätter haben eine ideale Größe. Im absoluten Notfall hilft nur die Ultima Ratio des Busch-Stopps: Ein Teil der Unterwäsche muss dran glauben.

Idealerweise sind Sie – und davon gehe ich natürlich aus – viel besser vorbereitet als ich und haben einzelne Feuchttücher in kleinen Tütchen dabei, wie es sie in jedem Drogeriemarkt für kleines Geld zu kaufen gibt. Andererseits sind Sie vielleicht ja auch wie ich nicht immer top vorbereitet oder zu vergesslich. Es schreibt ja nie ein Ratgeber, dass man daran denken sollte.

 

 

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Alle Kommentare [23]

  1. @Calceola, ja, Schliersee als Wohnort klingt auch ohne Dixie schon empfehlenswert. 🙂

  2. Sehr nett geschrieben, vielen Dank – ja kennt jeder.

    Ich könnte aber den Schliersee einmal mehr empfehlen, dort stehen 2! Dixis die häufig gereinigt werden, immer ausreichend Papier und Wasser für die Hände bereit halten.

    Dafür muss man mit Passanten und Wartezeiten rechnen, aber manchmal, manchmal ist einem das dann auch Sch***egal.

  3. @Elke BMW sponsort ja reichlich Laufveranstaltungen. Da scheint es einen Zusammenhang zu geben!

  4. Muenchen 10k Oct 12. Raus aus U3. rein ins BMW Museum. Fantastische Toiletten. Vielen Dank BMW

  5. Schöner Artikel und fast jeder Läufer kennt das. Bei mir immer bei den morgendlichen Läufen aber ein paar Blatt Papier sind immer dabei.

  6. ENDLICH nimmt sich mal einer dieses Themas an! Ich hatte schon öfter das Bedürfnis, aber Gott sei Dank noch nie den Bedarf. Insofern bin ich schon mal für den praktischen Teil (welches Blattwerk und wann sammeln) sehr dankbar. Nichtsdestotrotz überlege ich, ob ich auf meine Checkliste (ja, ich bin in dem Alter, wo ich eine brauche!) den Punkt Feuchttücher aufnehme 🙂

  7. Friedhofstoiletten! Auf die wäre ich auch nicht gekommen! Habe aber keinen Friedhof an der Strecke.

  8. Ich hatte schon öfter mal das Problem, dass sich der Darm meldete. Das kann echt verdammt unangenehm werden. Bisher hatte ich es aber immer nach Hause geschafft. Doch dieses Mal im Urlaub bei meinem 30km-Lauf hatte ich keine Wahl. Zum Glück war ich mitten in der Natur und war auch vorbereitet. So eine Mini-Packung Taschentücher war meine Rettung. Ich war heilfroh, dass niemand unterwegs war. Nochmal muss das nicht sein.

  9. Was habe ich gelacht. Made my day und ich bin froh drüber, dass ich mich diesem Problem noch nicht stellen musste. Erinnert mich aber wieder an unseren Bergführer, der uns mitten in der Nacht in einem Gerööfeld kund tat, dass in jeden Rucksack als erstes eine Rolle Papier muss. Ob ich nun wohl also vorsorglich mal Tücher kaufen sollte…..

  10. Besonders schön ist es, wenn man zu zweit oder in der Gruppe läuft, und dann der Darm drückt.

    Hotels sind super, nutze ich in fremden Städten auch sehr gerne. Bei den Gelegenheiten merkt man dann auch, wie wenig Grünflächen es dort teilweise gibt…

    Auf die Idee mit Feuchttüchern bin ich noch nicht gekommen, aber ein paar Blatt Toilettenpapier finden immer Platz in meiner Ausrüstung. Über Ahornblätter oder Gras möchte ich lieber nicht nachdenken. Brennesseln sollte man auch eher meiden.

  11. hehe! 😀 Das Problem ist, selbst wenn man zu Hause alles erledigt hat, fördert anscheinend das Laufen bei mir die Verdauung und nach ner Stunde meldet sich der Darm nochmals gerne mal an! : /

  12. Sehr schön Thorsten, echt ein toller Serviceartikel. So Probleme hatte ich noch nie, meine Verdauung scheint sehr sehr robust zu sein. Falls ich doch irgendwann mal in Verlegenheit kommen sollte, ich werde an deine Tipps denken – oder ab sofort immer eine Minipackung Feuchttücher mitnehmen 😉

    Viele Grüße,
    Sebastian

  13. Uff. Dieser Kelch ist in 6 Jahren Läuferleben an mir vorüber gegangen. Ich laufe fast immer nüchtern und gut vorbereitet bzw- geleert. Dafür habe ich auf meiner 2,km langen Hausrundkursstrecke einen sogenannten „Pinkelbusch“, den ich besonders bei kalten Temperaturen nur selten trocken passieren kann.

  14. Ich schmeiß mich weg…so mancher hat schon seine Bestzeit beim Marathon „verkackt“. Sehr schön geschrieben. Übrigens…bei den Tips mit dem Blattwerk: Darauf achten, dass sich im gesammelten Blattwerk kein Igel befindet…der findet das ganz bestimmt „Scheiße“ als Klabusterbärenwegwischer zu fungieren!

    In diesem Sinne…der Rennmops