Garmin fenix2 im Test – Eiwollmilchsau 2.0

Es gab einmal Zeiten, da machte sich der Nutzer Gedanken, ob der Prozessor seines neuen PCs wohl genug Arbeitsspeicher hat, sein Textverarbeitungsprogramm genug Features hat. Wer heute nicht gerade Filme schneidet oder sonstwie riesige Datenmengen verarbeitet, ab und zu Texte verfasst oder seine Steuererklärung am Computer erledigen will, ist im Prinzip mit jedem aktuellen Rechner bereits überversorgt. Das wichtigste läuft, keiner kümmert sich mehr drum.

Starker Cappuccino, dicke Uhr

Starker Cappuccino, dicke Uhr

Bei den Sportuhren sind wir noch nicht ganz so weit, eher in der Phase knapp nach dem integrierten Modem mit ISDN. Vieles läuft schon toll, doch noch sind selbst die vorstellbaren Wünsche eines Hobbyläufers oder –triathleten nicht  in jeder besseren GPS-Uhr enthalten. Erst die neueste Generation hat selbstverständlich einen fixen GPS-Empfänger an Bord und dies in Kombination der Messung der Herzfrequenz. Beides zusammen macht aus einer nützlichen Hilfe einer Pulsuhr ein ziemlich ausgeschlafenes Werkzeug, um seine sportlichen Ziele zu erreichen. Dafür ist es nicht mal notwendig, besonders schnell oder weit kommen zu wollen. Ist die persönliche Verbesserung oder schlicht die eigene Gesundheit im Fokus, hilft es, das Maschinchen übernehmen zu lassen, was ich in meiner Kindheit im Schwimmverein noch mit Finger an die Halsschlagader, zehn gestoppten Sekunden und der Multiplikation mal sechs am Beckenrand erledigt habe.

Um es vorweg zu nehmen, der Gegenstand dieser Erörterungen misst noch immer nicht die Pulsfrequenz unter Wasser. Die Funkverbindung zwischen Brustgurt und Uhr ist unter Wasser wohl schlicht nicht möglich. Das werde ich also einstweilen noch per Hand am Beckenrand tun müssen. Wir sind da eher noch in der Ära 56k-Modem. (Zur Einordnung: 1999 surften ein Gutteil der Besucher meines damaligen Arbeitgebers noch unsere Server mit 14.400er-Modems an)

Ansonsten: Ein Rundumschlag an Messangaben. Die Garmin fenix2 ist das jüngste Angebot des Herstellers von Navigationsgeräten und Funkuhren. Sie ist der Nachfolger der fenix, die 2 signalisiert: Hier ist was passiert.

Als ich sie in die Hand genommen habe, war mein erster Eindruck einer, den ich gut von quasi antiquarischen Messen kenne: Der für mechanischen Luxusuhren in Genf und Basel. Seit gut 15 Jahren sind dicke Brummer ein wichtiger Bestandteil im Portfolio der Feinmechaniker. Schwere Klötze, im Rennen um Außenmaße schien kein Durchmesser zu verwegen. In diese – langsam abebbende Mode –  passt hervorragend dieser Trumm an Messinstrumenten. Dicke Knöpfe, maskulines Äußeres – aber keine 90 Gramm schwer und somit erstaunlich gut zu tragen.

Und hier kommen wir zu Vorteil eins von einigen gegenüber meiner eigenen Triathlon-Uhr (quasi der Schritt von Teletext zu Internet): Die fenix2 ist erstmal einfach eine Uhr. Wer nie eine ihrer Funktion nutzt, kann den Akku schön langsam leeren, in dem er einfach nur Datum und Uhrzeit abliest. Meine 910xt ebenfalls von Garmin zeigt im ausgeschalteten Zustand nichts an, ist sie angeschaltet sucht sie wie ein Hund das Näpfchen oder auch ein Terminator den Menschen einen GPS-Satelliten. Das macht sie in einem Gebäude einige Stunden, dann ist die Batterie alle.

Wer's glaubt, wird leiden

Wer’s glaubt, wird leiden

Warum das so ausführlich? Warum das so wichtig ist? Weil ich die Uhr bei keiner einzigen Trainingseinheit irgendwo vorher vergessen hatte. Ich trage sie einfach immer. Mit 44 bin ich dankbar für diese kleinen Hilfen.

Die fenix2 ist ein Querschnittsanbieter des Sports. Skifahren? Laufen durch unbekannte Bergtäler? Wandern und den Weg heimfinden? Trittfrequenz beim Radtraining? Schrittfrequenz beim Lauftraining? Berechnung von Traingsbelastung und einhergehend Empfehlungen für Ruhepausen? Intervalltrainingseinheiten programmieren?

Alles. Alles das. Und vermutlich mehr. Im Modus Wollmilch würde die Sau wohl Eier legen. Wer diese Uhr bedienen will, kommt um die Lektüre der Bedienungsanleitung nicht umhin, dank meiner 910xt kannte ich schon einige Funktionen, ich habe mich in den diversen Menüsträngen dennoch immer wieder auch verfahren.

Dicke Drücker

Dicke Drücker

Seit ich die Uhr trage, werde ich viel gefragt, wie es mit dem einen oder anderen Feature aussieht. Hier ein paar Antworten. Quasi ein Beta-Test. Ich schaue mal, was die User an Lücken finden in der Betrachtung. Und liefer nach. Test 1.9.

Verarbeitung: Sehr solide. Schraubverbindungen, wo sie sinnvoll sind, wie die Bandanstöße, mit dem mitgelieferten Werkzeug lässt sich ein längeres Klettarmband montieren, wenn die Uhr über dicken Jacken (Skifahren) getragen werden soll. Die Knöpfe sind auch blind prima zu ertasten. Ich konnte in den wenigen Wochen dem Gehäuse keine Kratzer zufügen, auch das Glas ist noch kratzfrei. (Platin ist da empfindlicher, glauben sie mir).

Software: Wir sind (Microsoft Windows 8.1 oder Apple iOS 7.1 mal beispielhaft erwähnt) heutzutage gewöhnt als Käufer auch gleichzeitig die Quality Control der Unternehmen zu sein. Erstmal ausliefern, die User werden die Bugs schon finden und melden. Kaum ausgepackt, stand für die fenix2 auch gleich ein Softwareupdate zur Verfügung. Ich habe mich gefügt, diese Dinge gehören heute wohl dazu, wie die Notwendigkeit, das Wlan zu verschlüsseln. (Sie wissen, damals mit dem Modem brauchten sie noch ein Kabel, um ins Internet hinein zu telefonieren, drollig, nicht wahr, die putzigen Wählgeräusche aus dem Kästlein?). So lange Bugs behoben werden, besteht Hoffnung. Einen habe ich auch gefunden: Programmiere ich ein Laufintervalltraining, misst die Uhr nicht wie im normalen Laufmodus die Schrittfrequenz, zumindest übermittelt sie diese Daten nicht an das Onlineportal zur Auswertung, Garmin Connect. Alle anderen Daten sind da, die nicht. Buggy.

Datenübertragung: Wir sind fast in der DSL-Ära angekommen! Statt mühselig über einen zusätzlichen Funk-USB-Stick die Daten auszulesen, lässt sich die fenix2 einfach per Kabel an den Rechner anschließen und wird dabei ausgelesen. Noch umstandsfreier scheint zunächst die Übertragung per Bluetooth zu sein. Kabellos, verbunden via Bluetooth synchronisiert die Uhr mit iPad, iPod, iPhone usw. Scheint. Wenn man vorher im iPad die fenix2 unter der Geräteliste im Bluetoothmenü auf „Ignorieren“ gestellt hat, dann findet die App auch die Uhr. Sonst nicht. Da kommen sich zwei Berechtigungen wohl in die Haare. Wenn man es weiß, ist es zu lösen. Aber ein wenig umständlich ist es schon. Dennoch ist die Übertragung via Bluetooth eine feine Sache. Denn sie funktioniert auch andersrum. Sprich: Die fenix2 empfängt auch Daten vom iPhone, wenn Sie das beim Laufen dabei haben. Sind ja nicht wenige Sportler. Und die fenix2 zeigt Ihnen dann auch ihre Twitternachrichten an (überhaupt alle Pushnachrichten, die auf dem iPhone empfangen werden). Gut. W A R U M sollte ich das wollen? Es hat mich einen guten langen Lauf gekostet, eine Situation zu konstruieren, wo mir das sinnvoll erscheint:

Es ist Samstag 15:30, der einzige Zeitpunkt, an dem Sie einen Lauf über 90 Minuten abolvieren können. Es ist zeitgleich Bundesliga. Ihr Verein droht abzusteigen oder die Ränge für die Championsleague zu gewinnen. Sie könnten nun an ihrem iPhone ein Twitteraccount einrichten, mit diesem einen Account folgen, dass jedes Tor in der Bundesliga meldet. Und das würde dann, wenn ihre fenix2 per Bluetooth auch während er Aktivität angeschaltet ist, auf ihrer Uhr erscheinen, wo sie es jedenfalls besser lesen könnten als auf dem iPhone, das im Armgurt steckt. Ich weiß. Absurd. Aber sie kann es. Sie zeigt ja auch auf Wunsch im Kompass Norden an, wann die Sonne auf- und untergeht und Anglern die Zeiten, in denen die Wahrscheinlichkeit für einen Fang am höchsten ist. Eier. Wollmilch. Sau.

Akku: Ist mehr iPhone als Nokia 3210. Reicht, aber wer mehr als acht Stunden wandert mit eingeschaltetem Bluetooth sollte ein Akkupack dabei haben. Einen Marathon übersteht sie locker, wenn sie nur normal läuft, hält die Batterie so lange, dass ich jederzeit ein Training einschieben konnte.

Schritte pro Minute

Schritte pro Minute

Auswertung: Da greift die fenix2 auf das Programm connect zurück wie alle Garmin-Produkte. Die fenix2 bietet neben dem was meine 910xt auch schon kann, wie Zeit, Herzfrequenz, Strecke, Höhenmeter oder Trittfrequenz beim Radeln oder Züge beim Schwimmen die nicht uninteressante Messung der Schrittfrequenz an. Oft wird man sie nicht benötigen, dass sie jedoch damit in Abständen kontrolliert werden kann, ist sicher sinnvoll, so man überhaupt an seinem Laufstil arbeiten möchte. Es gibt einige neue Funktionen, die auf Anhieb sinnvoll erscheinen. Eine Messung des Wertes VO2-Max, der auf die Menge Sauerstoff hindeutet, die mein Körper verarbeiten. Leider weicht die Messung der fenix2 von der einer zur Vergleich bemühten Polar RC3X doch deutlich ab – aber welche Angabe stimmt, dass könnte nur eine teure Messung im Sportlabor zeigen. Ebenso milde lächeln muss ich über die Funktion der Laufprognose – die fenix2 meint es SEHR gut mit einem. Die Werte, die sie mir als machbar anzeigt sind außerhalb meiner Reichweite. Nicht nur milde lachen, sondern geradezu hysterisch lachen werden sicher die meisten Triathleten über die Empfehlungen für die Erholungszeit. So viel Pause geht nicht. Sorry, fenix2. Nicht für dich, nicht für mich. Hier denke ich mir: Nice to have and ignore. Wer sein Training von dieser Funktion leiten lassen will, mag es als Hilfe wahrnehmen, ich selber höre da lieber auf meinen Körper. Wenn nix mehr geht, dann sagt er es schon.

Display: Unterwegs ist die Uhr beim Laufen gut abzulesen. Der „Lichtschalter“ ist auch mit Handschuhen blind gut zu treffen. Ein wenig seltsam ist lediglich, dass in der Datenasles am Display das runde Display den unteren Teil der Daten abschneidet und man sogsam scrollen muss. Ein wenig nervig, aber Datenauswertung am Rechner ist eh komfortabler.  Meine ursprüngliche Befürchtung, die Datenfelder ließen sich nicht individuell einstellen, hat sich als unbegründet herausgestelt. Gut versteckt im Menübaum aber mit der Bedienungsanleitung gut zu finden.

So. Wer braucht diese Uhr, die mit ihrer Ausstattung schon im flinken DSL-Zeitalter angekommen ist? Viel fehlt nicht mehr, bis diese Art Uhren sämtliche halbwegs sinnvollen Messungen erledigen, bis die Hersteller andere Gründe als die wichtigsten Funktionen finden müssen, um ihre Kunden zu gewinnen.

Triathleten, die bislang keine Triathlonuhr haben  unterm Strich überwiegen für mich die Vorteile gegenüber meiner eigenen Garmin 910xt, die übrigens weiter im Programm bleibt. Wer eine Triathlonuhr wie die Garmin 910xt besitzt oder auch die Timex Ironman 2 – der Mehrwert lohnt nicht. Dafür ist der Sprung zu gering. Wer seine Lauf- und Radwege auch mal in unbekanntere Regionen führt, der wiederum ist mit der fenix2 hervorragend bedient, die umfassenden Funktionen zur Navigation sind ein schlagendes Argument. Läufer, die auch Radfahren trainieren kommen mit anderen Modellen aus. Das Schwimmen ist hier das zentrale Argument, zur fenix2 zu greifen, wer das nie trainiert, kommt mit den dann auch preiswerten Alternativen völlig zurecht.

Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, dann sind Sie sehr interessiert. Dies ist quasi ein Test 2.0, wenn Sie die offenen Fragen stellen. Fragen Sie: thorsten.firlus@wiwo.de Ich werde versuchen, die Fragen zu beantworten.

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Alle Kommentare [7]

  1. Hallo Christian, schon mal über eine Suunto sinniert? Die Ambit 3 ist schon sehr sehr ausgeschlafen.

  2. Hi Thorsten. Spät erst bin ich auf Deinen Text gestoßen. Wenn da nicht in Kürze die Fenix 3 käme, würde ich mir das Zweier-Modell jetzt kaufen. So warte ich nun lieber… Schade nur, dass aus nicht nachvollziehbaren Gründen bei der Fenix 3 einige nützlich Navigations-Features entfallen. Hätte ich mir beim Bergwandern sehr gewünscht.

  3. Hallo Michael,

    Das ist vor allem gerade ein Test meines Gedächtnisses…. Wie war das noch mal… Ich meine, die fenix2 ermittelt den VO2-Max-Wert kontinuierlich aus den Trainingsdaten anders als die V800, die einen speziellen Test im Ruhezustand hat. Beide Werte wichen im übrigen ziemlich weit voneinander ab.

  4. Hallo,
    cooler Test. Sitze auch gerade vor der Fenix 2 und Frage mich: Wie zum Teufel starte ich den VO2-Max Test erneut? Wird das automatisch beim Training initiiert?

    Gruß
    Michael

  5. Hallo Maik, Gurt ja, Sensor nein. Das muss der passende sein. leider. Besten Gruß Thorsten

  6. Hallo Thorsten,
    sehr schöner praxisnaher Bericht. Als Triathlet und Besitzer der 910XT interessiere ich mich trotzdem für die Fenix2, da die Möglichkeit diese als normale Uhr zu tragen und nie wieder beim Training zu vergessen für mich ein starkes Argument ist. Meine Frage, kannst du testen, ob der Brustgurt der 910 mit der Fenix funktioniert? Viele Dank vorab!

  7. Danke für das Feedback – es gibt zwar schon umfangreiche Infos zur Uhr, aber hier wurden tatsächlich mal auch die Fragen beantwortet die mich interessieren.

    VG