Strategieberater im Kommunikationsmarkt: Was PR-Agenturen ganz rasch lernen müssen

Gastbeitrag von Dimitrij Naumov und Christian Pfeiffer

In den letzten Jahren sehen sich PR- und Kommunikationsagenturen immer häufiger mit einer ungewohnten Konkurrenz konfrontiert: In den Pitches um die Filetstücke der Unternehmenskommunikation –Krisen-PR, Umbau und Anpassung von Geschäftsmodellen, die Neupositionierungen ganzer Unernehmen oder deren Kontaktpflege zur Politik, also sogenannte Public-Affairs-Aktivitäten – treffen sie nicht nur auf andere PR-Agenturen, sondern auch auf klassische Unternehmens- und Strategieberatungen. Gerade erst hat Roland Berger den Aufbau von „Roland Berger Executive Communications“ angekündigt. Die etablierten Vertreter der PR-Branche spielen die Bedeutung der neuen Player bislang herunter. Eine riskante Reaktion, denn der Eintritt klassischer Berater macht die Schwächen der PR-Branche sichtbar und könnte den Markt gehörig durcheinander bringen.
Das Interesse der Strategieberater am Kommunikationsmarkt hat so einfache wie nachvollziehbare Gründe:Der Kampf um Mandate und der Druck auf die Tagessätze in ihrem Stammgeschäft werden immer härter. In-House-Beratungen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mit wachsenden Beratungsabteilungen und Spezialisten sorgen dafür, dass es für die Etablierten kaum noch Komfortzonen gibt.
Gleichzeitig ist Kommunikation heute Kerndisziplin, weil sie einen nachhaltigen und umfassenden Einfluss auf den langfristigen Geschäftserfolg hat – und damit zur Chefsache geworden ist. Mitarbeiter, Kunden, Nichtregierungsorganisationen, Medien, politische Entscheider und eine Vielzahl anderer Anspruchsgruppen gilt es zu kennen, zu verstehen und mit ihnen zielgerichtet zu sprechen. Entsprechend hoch sind die Honorare im Spitzensegment der Kommunikationsberatung – mit deutlicher Orientierung eher an McKinsey & Co denn an klassischen Agenturen.
Die etablierten Strategieberatungen gehen davon aus, in diesem Markt einen deutlich geringeren Wettbewerbsdruck anzutreffen, als in klassischen Themenbereichen wie dem Lieferketten-Management, der Finanzierung oder der Produktion.

PR-Branche unter Druck

Mit dieser Einschätzung haben sie zweifelsohne Recht: Denn so viele Kommunikationsagenturen es am Markt gibt, so gering ist die Zahl derer, die in der Lage sind, nicht nur in klassischen PR-Kategorien wie Veröffentlichungen auf Websites, Artikel in Zeitungen oder Zeitschriften oder in Messeständen zu denken. Betriebswirtschaftliches Know-How gehört dagegen eher zu den Schwachstellen im Knowhow-Profil klassischer PR-Agenturen, komplexe Situationen und Prozesse zu analysieren und zu verstehen und auf dieser Basis zu echten Ratgebern zu werden, statt nur Kommunikationzu produzieren, überfordert die meisten.

Für diese von der PR-Branche weitgehend selbst zu verantwortende Schwäche gibt es mehrere Gründe:

  • Falsches Rollenverständnis: Über Jahrzehnte haben sich die meisten Kommunikationsagenturen vor allem als verlängerte Werkbank der kundeninternen Presse- oder Marketingabteilung definiert. Ohne direkte Drähte zu den Top-Entscheidern in Unternehmen und ohne Einblick oder gar Mitgestaltungsmöglichkeit bei strategischen Prozessen, bei Neupositionierungen, Krisen oder Restrukturierungen verengte sich ihr Fokus auf die Redaktion und Platzierung feststehender Inhalte, die Organisation von Pressekonferenzen und anderer Werbeveranstaltungen oder die Produktion vertriebsunterstützender Materialien. Den Anspruch, zum kommunikativen Sparrings-Partner für Geschäftsführung und Top-Führungskräfte ihrer Kunden zu werden, haben die Agenturen häufig erst gar nicht formuliert. Das Geschäftsmodell war viel simpler: Wenige Häuptlinge haben die Kunden an Land gezogen, ein Heer schlecht bezahlter Indianer übernahmen die operative Abarbeitung von Großprojekten. Bisher warf dieses Modell noch hohe Margen ab. Doch der Schrumpfsprozess in der Medienbranche, die durch Verkleinerung der Redaktionen immer größer werdende Zahl frei arbeitender Journalisten, die als Einzelkämpfer ähnliche Leistungen zu niedrigeren Preisen anbieten und der immer höhere Beratungs- und Konzeptionsbedarf stellen das alte Geschäftsmodell der PR-Agenturen in Frage, ohne dass die Branche darauf bisher eine adäquate Antwort gefunden hätte.
  • Unzureichende Verankerung bei Kunden: Der schon beschriebene Arbeitsstil führt dazu, dass die meisten Mitarbeiter von PR-Agenturen ihre Zeit nicht beim Kunden, sondern im eigenen Büro verbringen. Die meisten haben kein Netzwerk in den Unternehmen ihrer Kunden, notwendige Informationen zu unternehmenspolitischen und betriebswirtschaftlichen Vorgängen erhalten sie gar nicht oder viel zu spät. Auch ihr inhaltliches Knowhow können sie nicht direkt mit ihrem Kunden sondern höchstens in Trockenschwimmübungen in heimischen Gefilden weiter entwickeln. All das macht es für sie schwierig, die wirklich relevanten strategischen Herausforderungen frühzeitig zu erkennen, souverän Lösungen zu entwickeln und sich als innovativer Kommunikations-Ratgeber der Entscheider zu positionieren.
  • Digitales Schweigen: Antworten auf den digitalen Paradigmenwechsel in der Kommunikation – und damit den sich in rasender Geschwindigkeit vollziehenden Wandel von geschlossener zu offener sowie indirekter zu direkter Kommunikation – bleiben die meisten Agenturen bis heute schuldig. Die Branche muss erkennen, dass sie es bis heute mehrheitlich versäumt hat, die Entwicklung wirklich innovativer und zukunftsweisender Wege ins digitale Zeitalter zu einer Kernkompetenz und einem Differenzierungsmerkmal auszubauen. Auch darum stehen die Kommunikationsagenturen heute häufig in Konkurrenz zu einer Vielzahl branchenfremder Player wie IT- und Digital-Beratern.
  • Fehlende strategische Netzwerke: Obwohl sie den Anspruch hat, die öffentliche Meinung im Sinne ihrer Kunden beeinflussen zu können, kann die PR-Branche kaum auf wirklich tragfähige Netzwerke in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft vorweisen. Nur wenige PR-Unternehmen haben gezielt und nachhaltig in ihre Vernetzung investiert – und müssen nun erkennen, dass ihnen ein wesentlicher Baustein für eine wirklich strategische Kommunikationsdienstleistung fehlt.
  • Talentmangel: Die Mehrzahl der PR-Agenturen bezahlt ihre Mitarbeiter schlecht. Nur wenige Indianer werden zu Häuptlingen – und wenn, dauern solche Karrieren lange. Klassische PR-Agenturen gelten darum bei Top-Absolventen schon lange nicht mehr als effektives Sprungbrett für eine spätere Karriere in der Industrie. Darum haben viele Kommunikationsberatungen große Schwierigkeiten, Top-Talente zu gewinnen, bei Berufseinsteigern ebenso wie bei Young Professionals und erfahrenen und anerkannten Experten aus Industrie oder Journalismus. Im direkten Vergleich mit Strategieberatungen, die seit Jahren konsequentes Talentmanagement betreiben, sehen PR-Beratung darum ziemlich alt aus.

Vor diesem Hintergrund haben die Strategieberatungen durchaus gute Chancen, lukrative Anteile des Kommunikationsmarktes für sich zu gewinnen. Für einen erheblichen Teil der Agenturlandschaft können diese Perspektiven schnell existenzbedrohend werden, erst recht, da weitere Akteure, wie etwa Werbe- und Marketingagenturen in den Markt drängen. Eine substanzielle Konsolidierung der Agenturlandschaft ist darum nicht zu vermeiden.
Wie können die Kommunikationsberater sich gegen die Strategieberater wehren?
Die zugegebenermaßen düstere Prognose sollte nicht als Abgesang auf das Geschäftsmodell Kommunikationsagentur verstanden werden. Im Gegenteil: Der Druck sollte durch die neuen Wettbewerber sollte die Kommunikationsberater dazu veranlassen, sich ihrer Stärken zu besinnen und sich klar vor Augen zu führen, was sie besser können als Strategieberater und wo Handlungsbedarf besteht.

Denn die Dynamik und Unübersichtlichkeit des Umfelds der Unternehmen bietet die Chance, spezifische Stärken auszuspielen. Dazu gehören insbesondere Kreativität und Empathie, die Fähigkeit jenseits starrer Strukturen und Zahlen aus verschiedenen Perspektiven zu denken und ein intuitives Verständnis von Kommunikation. Die Komplexität der Welt und ihre rapide abnehmende Prognostizierbarkeit sowie die zunehmende Vernetzung gesellschaftlicher Akteure sind Trends, denen sich nur bedingt mit quantitativen, prozessorientierten Methoden begegnen lässt. Das neue Umfeld verlangt nach erzählerischer Erschließung, nach einer kommunikativer Ausbalancierung von Interessen, es braucht Vermittlung und Überzeugung und und tragfähige Kommunikationsinhalte. „Sense Making“ und „Story Telling“ sind Disziplinen, die Kommunikationsexperten viel besser beherrschen als die eher prozessgetrieben Theoretiker aus dem klassischen Consulting.

Um diese Stärken effektiv ausspielen zu können, müssen Agenturen allerdings auch einiges von klassischen Unternehmensberatern lernen – und zwar möglichst schnell. Die wichtigsten fünf Aspekte sind dabei:– Konsequentes Talentmanagement und eine an langfristigen Zielen ausgerichtete Personalpolitik, die eine deutliche „Seniorisierung“ der Teams und damit einen erheblichen Investitionsbedarf erfordert.

  • Gezielter Aufbau strategischer Netzwerke in allen wichtigen gesellschaftlichen Gruppen und deren kontinuierliche Pflege.
  • Radikale Flexibilisierung der Strukturen und eine deutliche Intensivierung der Vor-Ort-Zusammenarbeit mit Kunden.
  • Entwicklung zukunftsweisender Modelle, Lösungen und Instrumente für den Umgang mit kommunikativen Megatrends wie der Digitalisierung.
  • Akzeptanz der Strategieberater als Benchmark bei Effizienz, Prozessbeherrschung, Projektmanagement sowie inhaltlicher und methodischer Qualität und Implementierung dieser Eigenschaften in die eigene Organisation.

Schon auf mittlere Sicht ist dieser Anpassungsprozess ohne Alternative. Dennoch ist davon auszugehen, dass der Eintritt der Strategieberater in die Top-Segmente des PR-Marktes zu einer Konsolidierung, vor allem aber zur Professionalisierung führen wird. Und auch dazu, dass die Kluft zwischen den beiden Bereichen des Beratungsgeschäfts kleiner wird. Per Saldo sind Aussichten für Kunden und Agenturen also gar nicht mal schlecht.

Dimitrij Naumov und Christian Pfeiffer sind Managing Partner der Unternehmens- und Kommunikationsberatung Jordan & Partner.

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Alle Kommentare [7]

  1. Ein sehr interessanter Artikel, allerdings müsste einer der wichtigsten Punkte des ganzen Artikels diskutiert werden, das: „Falsche Rollenverständnis“.

    Zahlreiche PR-Agenturen vertreten den Ansatz, einen direkten Draht zu den Top-Entscheidern in Unternehmen aufbauen oder strategische Prozesse mitgestalten zu wollen. Das Problem war, dass vielfach die Kommunikation für den Vorstand/die Geschäftsführung in der Vergangenheit keine große Bedeutung zugekommen ist. Dieser Prozess ist erst langsam am entstehen – sicherlich auch dadurch getrieben, dass etablierte Strategieberatungen vermehrt auf die Bedeutung von Kommunikation hinweisen und Vorstand/Geschäftsführer der Kommunikation mehr Aufmerksamkeit schenken.

    Dieses eröffnet denn auch PR-Agenturen neue Chancen. Zudem sind es ausschließlich PR-Agenturen, die Strategische Beratung mit Operationalisierung aus einer Hand anbieten können. Gleichwohl, wie oben beschrieben, müssen viele Agenturen ihre Personalpolitik überdenken und in der Fort-/Weiterbildung mehr Wert auf strategische Kenntnisse legen. Zudem müssen insbesondere Verbände wie die DPRG die Professionalisierung vorantreiben.

  2. Nachdem sich die Branche seit Jahren selbst kannibalisiert, kommt nun also noch von anderer Seite Wind in den Markt. Sich Up-to-date halten, das Ohr am Markt halten und im Schulterschluss mit dem Kunden Kommunikationsstrategien entwickeln, sind jedoch Anforderungen an unsere Branche, die ganz selbstverständlich zum Alltag gehören. Doch gerade durch „Take the money and run “ Haltungen, wurde viel Land verschenkt.

  3. Die PR-Branche sollte sich wirklich auf die Hinterbeine stellen. Der Ansatz der Berater, nun auch das Feld Kommunikation mit anzubieten, ist geschickt. Was aber nicht heißt, dass automatisch auch die notwendige Kompetenz in den Unternehmen vorhanden ist. Für dieses Feld reichen Powerpoints und strategische Ansätze aus dem Lehrbuch einfach nicht aus – Kontakte, Kompetenzen im Texten und im Entwickeln innovativer Formate sind ebenso gefragt wie die Fähigkeit, komplexe Unternehmensthemen in journalistische Botschaften zu übersetzen. Das können gestandene PR-Leute. Also – lassen wir uns nicht die Butter vom Brot nehmen!

  4. Dieses Thema wurde ich den vergangenen Jahren immer wieder strapaziert und wird jetzt wieder als hippe Sau durchs Dorf gejagt. Macht sich halt gut und fügt sich gut ein in den allgemeinen Abgesang und die anhaltende aber unnötige Diskussion um die Zukunft der PR-Branche.

  5. Sehr geehrter Herr Trenkel,
    von „Abgesang“ auf die „Branche“ kann gar keine Rede sein – das ist auch nicht Ausdruck dieses Textes. Es geht um Veränderungswillen und Veränderungsfähigkeit – davor kann sich kein Unternehmen, keine Branche und keine einzelne Person heute verschließen. Und das gilt ganz sicher auch für die PR-„Branche“.
    Herzliche Grüße
    Christian Pfeiffer

  6. Finde diesen Artikel auch wirklich interessant er zeigt auf was zukünftig noch wirklich bei einigen Agenturen ankommen muss.
    Wer sich nicht stetig weiter entwickelt muss sowieso damit rechnen das irgendwo auch die Grenzen aufgezeigt werden können.
    Daher ist es umso wichtiger nicht nur seine Mitarbeiter weiterzuschulen sondern auch sich selbst.

    Dieses „Ich habe mal etwas gelernt, aber bilde mich nicht kontinuierlich weiter bringt einem in der Heutigen Zeit daher nicht mehr weiter.“

    Liebe Grüße
    bestesgirokonto.net

    Daniel