Ein Startplatz für Demeter Dick. Der will nach Berlin. Ich nicht. Ich hasse laufen.

Guten Tag, liebes blog.runningcoach.ch,

ich hasse Laufen.

Meine Mutter erzählt gerne die Geschichte, wie ich als Kind in den Keller ging, die Stahltür aufschloss, das Fahrrad herausholte und damit zum Vivo radelte, weil ich einen Liter Milch kaufen sollte. Die Strecke betrug 110 Meter laut Google Maps.

Zu weit zu laufen. Ich nahm das Fahrrad.

Zu weit zu laufen. Ich nahm das Fahrrad.

Als Kind dachte ich, für den weiten Weg nehme ich besser das Rad. In diesen 110 Metern kann viel passieren. Es können 10 Hürden dort stehen, jede 1,067 Meter hoch.

 

Wenn ich sie in 12,8 Sekunden liefe, wäre ich Weltrekordler und wäre 30,77 km/h schnell gewesen. Ich hasse aber Laufen. Deswegen nahm ich das Rad, das ich danach wieder in den Keller stellte. Ich war nie 30,77 km/h schnell auf meinem Rad beim Milchholen. Aber ich hasse Laufen.

Stolzer Rennradbesitzer

Stolzer Rennradbesitzer

 

 

 

 

Es hat sich in den vergangenen 32 Jahren nicht viel geändert. Laufen erscheint mir sinnlos. Sicher, der Anblick trabender Pferde, gar flüchtender Antilopen lehrt mich Ehrfurcht vor der Fortbewegung mittels schierer eigener Körperkraft. Aber weder möchte ich nach Iffezheim, noch lebe ich auch nur nahe der afrikanischen Savannen.

 

Ich laufe heute. Viel. Marathon. Aber ich hasse es. Wirklich. Ich tue es nur, weil ich nicht nur Rad fahren kann. Nicht als Triathlet. Aber laufen – ich hasse es. Man muss stehen. Nicht mal eine Sekunde die Beine baumeln lassen. Kein Rausch bei der Abfahrt. Kein kühlender Fahrtwind. Ich muss in Büsche machen, weil der Darm angeregt wird. Die Natur demütigt mich. Ich hasse Laufen alleine dafür.

 

Andere laufen gern. Demeter Dick, der heißt wirklich so, der läuft wirklich gern. Der holt einen Liter Milch notfalls auch aus 50 Kilometer Entfernung, wenn er dabei laufen darf.

 

Demeter aus Linz in Österreich hat viele Menschen und auch mich mit seiner Begeisterung angesteckt fürs Laufen. Ich will nicht sagen, dass ich Laufen seinetwegen nicht mehr hasse, das tue ich mit großer Inbrunst. Aber ich tue es bisweilen etwas weniger aus der Tiefe meiner Seele. In schwachen Momenten mit leichten Anflügen schwindender Ablehnung.

 

Aber in Berlin laufen? Wo man sich so herrlich über die S-Bahn ärgern kann? Rikscha nehmen? Drive-Now-Cabrios besteigen? Doppeldeckerbus fahren? Im Tiergarten einfach liegen bleiben? Im KaDeWe Blaubeerkuchen von Le Notre essen? Gar einen Marathon? Wozu? Berlin ist überschätzt, all die Hipster in Mitte, die saturierten Lobbyisten, die Stadt, die Blogs wie Notes-of-Berlin hervorbringt?

 

Ganz sicher nicht. Das sollen, bitteschön, gerne andere tun.

 

Demeter Dick.

 

Der will da den Marathon in 2 Stunden und 29 Minuten laufen. Könnte er auch woanders. Klar. Aber er will nach Berlin. Fragen Sie nicht mich warum. Er ist Österreicher. Er will wohl mal eine große Stadt sehen. Oder einfach nur 2 Kilometer ohne Berge vor der Nase laufen. Fragen Sie ihn. Ich weiß es nicht. Aber er will da hin. Sein Freund André Pristaff macht da auf Facebook eine Riesenwelle, damit das klappt. Stiftet andere Menschen dazu an, Demeter da einen Startplatz zu besorgen. Ich habe mich anstiften lassen. Er soll da laufen.

 

Wir alle wollen das. Sie jetzt auch. Sie verteilen Plätze.

 

Geben Sie ihm einen Platz.

 

Nicht mir. Ich hasse laufen.

 

Danke

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Alle Kommentare [3]

  1. Hallo Karotte,

    danke, aber den besten Dienst, den wir Triathleten der Gesellschaft erweisen können, ist am Tag der Verrentung bei einem Wettbewerb tot umzufallen. Das schont die Sozialkassen am meisten.

    Besten Gruß
    Thorsten Firlus

  2. Lieber Thorsten!

    Auch an dieser Stelle noch einmal ein herzlichen Dankeschön für diesen Artikel. Einach wunderbar. Drei Tage später hatte ich den Startplatz. Jetzt ist mir mulmig. 2:29 für 42,2 km. Das ist aberwitzig schnell. Ich trainiere. Täglich. Neben Schwimmen und Radfahren. Kein Tag ohne Laufen. Ich war, glaube ich, theoretisch schon am Mond. Noch 13 Wochen. Noch weit über 1.000 Trainingskilometer. Der schiere Wahnsinn. Aber ich freue mich. 42,2 km ohne Berg? Unvorstellbar!

    Beste Grüße!
    Demeter

  3. Lieber Herr Firlus-Emmrich,
    als Wirtschaftswoche-Redakteur gehören Sie der sitzenden Zunft an, die unter zahlreichen modernen Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Adipositas und Herz-/Kreislaufinsuffizienz leidet. Abhilfe tut not! Das lange Sitzen in Redaktionskonferenzen sollte wenigstens nach Feierabend mit regelmäßigem Laufen aufgelockert werden. Andernfalls sehe ich ernsthaft die Gefahr, dass Sie gleichfalls ein Opfer er o. g. Leiden werden und wir noch bevor Sie die Rente mit 67, 70 oder 75 erreicht haben auf Ihre journalistischen Künste verzichten müssen. Nehmen Sie sich doch ein Vorbild an einem Dauerläufer wie John Rüth: https://en.john-rueth.de/180/my-first-half-marathon-21-km-in-the-philippines/; der rennt bei Marathons und Triathlons mit und bewältigt auch einen 10 bis 12-Stunden Tag vor seiner Internet-Glotze.

    Gut, Sie haben recht der sitzt – äh läuft auf den Phillipinen, wo das Wetter viel besser ist, nicht so wie hier, wo uns erst Berge von Schnee daran gehindert haben den Winterspeck loszuwerden und dann wochenlanger Dauerregen nicht in die Pötte kommen ließ. Doch die Ausreden helfen nicht weiter, schließlich will meine Rente finanziert werden und Ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben würde die Rentenproblematik – nichts da mit „Die Rente ist sicher“ à la Norbert Blüm (https://www.youtube.com/watch?v=U2erpzCd3UY) – nur verschärfen. Also ran an den Specke, kaufen Sie sich ein Laufband wie dieses: https://www.akw-fitness.de/ausdauertraining/laufbaender/p209_uno-fitness-laufband-ltx5-pro.html und beugen Sie unabhängig von dem SchWetter in unseren Breitengraden gleichermaßen gegen Adipositas und Rentenkürzungen vor.