Ironman Maastricht-Limburg – Warum ich mitgemacht habe.

In der an Seiten nicht armem „Trainingsbibel für Triathleten“ gibt es in einem recht frühen Kapitel eine Art Fragebogen, der helfen soll, sich über die eigene Motivation für das Unterfangen Langdistanz-Triathlon Gedanken zu machen.

Die Frage, warum man das tut, stellt sich eigentlich unweigerlich bei jedem Athleten im Laufe der Vorbereitung auf einen Triathlon auf der Ironman-Distanz. Sich selber etwas beweisen, seine Grenzen verschieben – das sind gute Gründe, die dafür sprechen, sich an dieses Projekt heranzuwagen. Die Prioritäten verschieben sich, der Aufwand für Training steigt an, der Verzicht auf vielleicht nicht ganz so vernünftige Spaßdinge wird größer.

Wohin geht die Reise….

Ich habe mir diese Frage nach dem Warum oft gestellt seit ich am 17. Juli 2011 im Zug auf der Elbbrücke nach meinem Triathlon-Debut entschied, herauszufinden, ob ich das packe. Nach Antworten habe ich nie lange suchen müssen. Ich habe mich hinterfragt, ob „Midlife-Crisis“ eine tragende Rolle spielt. Und behaupte frech: Nö. Wenn andere Arhleten schneller sind: Deren Problem. Im Wettbewerb habe ich nur einen Gegner. Mich.

Um meinen Gegner besser kennen zu lernen, habe ich etwas getan, was jeder Mensch bei Verstand unterlassen würde. Nach der Langdistanz beim Ironman Klagenfurt bin ich 35 Tage später um 07:21:57 mit einem Kopfsprung in die Maas hinein, um erneut die volle Distanz eines Ironman anzupacken. (Warum der Ironman Maastricht-Limburg eine gute Wahl ist, steht hier.)

Es war eine spontane Entscheidung, so wie es der Entschluss 2011 war, das anzugehen. Es wäre übertrieben, nach 6 absolvierten Langdistanzen davon zu sprechen, dass man ein erfahrener Triathlet wäre. Aber ich weiß heute auch, was ich damals nicht wusste: Auch ich kann das.

Im Verlaufe jedes Rennens gibt es Momente des Zweifels, der Sorge, Nöte. Widerwillen, das zu tun, was einem doch Spaß machen sollte – wir machen das schließlich freiwillig (und zahlen ja auch ganz hübsche Summen für die Teilnahme). Ich bezeichne mich gerne als Komfortathlet, strenge mich ungern an, lehne Schmerzen im Prinzip ab. Klar, im Training quäle sogar ich mich, fahre den Hügel ein weiteres Mal hoch, wenn schon das vorige Mal weh tat, kämpfe mich durch die letzten Etappen eines Intervalltrainings und ziehe weiter meine Bahnen im Becken, obwohl mir sterbenslangweilig ist.

…wohin führen die Wege…

Aber im Wettkampf – da soll alles rutschen, ich will ernten, einen tollen Tag haben. Langdistanz-Triathlon, wie ich ihn betreibe, kommt mir da entgegen, gilt es doch vor allem eines zu beachten: Mit den Kräften haushalten. Es sind lange Tage. Alles an Körnern auf dem Rad zu verheizen, rächt sich mit Sicherheit beim Laufen. Viele gehende, krampfende Athleten auf der Laufstrecke sind oft Symbol des Übereifers, der begeisterten Verausgabung zu einem zu frühen Zeitpunkt.

Kontrolle – das ist meine Stärke, ich achte sorgsam darauf, nicht vor lauter Begeisterung, weil ich mich doch so fit fühle, auf dem Rad Späne zu geben. Das hat in den vergangenen Jahren auch immer recht gut funktioniert, das Ziel, im abschließenden Marathon ohne Gehpausen – außer in den Versorgungsstationen – zu laufen, ist erreicht worden.

Nicht so dieses Jahr in Klagenfurt. Da spielten die fehlenden Trainingskilometer eine Rolle und am Wettkampftag leichte Rückenschmerzen, die sich kurioserweise nach 20 Kilometer im Marathon dann doch legten.

Dennoch ging ich viele Kilometer. Ich hasse das. Aber ich habe es so genossen, wie ruhige Stunden am Strand oder ein Frühstück im Sonnenschein. Die paar Schritte des Nicht-Laufens sind Erholung pur. Ein verführerisches Gift, jede Getränkestation ein Luxusresort für Entspannung, wo ich mir Ruhe und Frieden gönnte.

…liegen Gefahren auf der Strecke?….

So gewinnt man nichts. Vor allem nicht im Kampf gegen sich selbst. Denn es ist in aller Regel der Kopf, der versucht, die Reißleine bei dem am Ende  doch kräftezehrenden Wettbewerb zu ziehen. Er arbeitet mit Tricks und Tücken.

Diesen Wettkampf wollte ich in Maastricht für mich entscheiden. Dabei ging es nicht um sportliche Ziele. Im Wettkampf gegen mich, galt es mich niederzuringen, wenn ich wieder zu großzügig zu mir sein wollte, zu nachgiebig, zu verzeihend. Raus aus der Komfortzone, rein in den Kampf mit dem Ich.

Komfortzone? Ironman? Mag seltsam klingen, aber auch innerhalb des Wettbewerbs kann man die einrichten. Die Gehpausen sind das Sofa, das man ungern verlässt. Mir half es, dass verschiedene andere Dinge im Leben derzeit nicht so rund laufen, wie man sich das wünscht. Ohnmacht, Hilflosigkeit – Emotionen, die jeder kennt, mal mehr, mal weniger – und sie überwinden muss. Warum nicht die angestaute Aggression in mehr Vortrieb kanalisieren, das Ringen mit sich selbst in Energie verwandeln, die auch negative Gefühle mit sich bringen.

Ich bin mir dann auch irgendwo begegnet bei Kilometer 20-23 im Marathon. Es wird in der dritten Runde gewesen sein. Brav hatte ich mich an die Marschroute gehalten: Kein Gehen, auch wenn du es noch sehr willst außer bei Anstiegen (da ist ein besonders garstiger im Kurs in Maastrich) und so wenig es geht in den Versorgungsstationen. Das kleine sportliche Selbstfindungsseminar brachte zwar im Grunde nur mehr Fragen statt Antworten – aber immerhin.

Mit der Sturheit des Golfers Roy McAvoy (Kevin Costner) in dem Film „Tin Cup“, der immer wieder an dem einen Schlag scheitert, den er sich und der Welt beweisen will, bin ich da ins Rennen gegangen. Und – im Gegensatz zu McAvoy – dank der etwas anderen Aufgabenstellung schneller siegreich herausgegangen. (Er bekommt am Ende Sie und das ist ja schließlich alles, was bei Hollywoodkomödien zählt.)

…und welche Ziele setzt man sich Leben?

Dass es bei der wichtigen Aufgabe im Ironman – dem Weitermachen, auch wenn es weh tut – auch, aber nicht unbedingt auf die Zielzeit und die Geschwindigkeit ankommt, wurde mir dann auch erst klar, Stunden nachdem ich im Ziel war. Auf der letzten Runde sammelte ich noch mal die letzten Körner zusammen, die Beine folgten, der Körper nahm wieder Spannung an. Nach und nach kassierte ich andere Athleten, die dem Ziel entgegen gingen. Es lief rund, es fühlte sich kraftvoll und fliegend an.

Und war – gemessen selbst an meiner langsamen Dauerlaufgeschwindigkeit – geradezu gekrochen. Die gefühlt schnellsten Kilometer waren das gar nicht. Aber mein innerer Schweinehund war niedergestreckt, erledigt, von mir selbst. Ein großartiges Gefühl. Eines, das ich in Erinnerung rufen werde, wenn es wieder an den Start geht, wenn es hart wird und anstrengend. Diese Energie werde ich nutzen. Und wenn ich dann gut trainiert habe, sollte ich sogar mich selber übertreffen können.

 

 

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