Als Schießbude unterwegs beim schönsten Marathons Deutschlands. Der 6. Föhr-Marathon.

Den 6. Föhr-Marathon beendete ich auf Rang 62 in der Gesamtwertung. Und auf Platz 10 in der Wertung des Altersklasse M45-50.

Das klingt gut. Der 62. Platz – von 73 Teilnehmern. Der 10. Platz in AK45 – von 12 Startern. Das bedeutet im Klartext: Fast jeder der Teilnehmer, der nicht sowieso schon vor mir losgelaufen war, hat mich im Laufe der 42,195 Kilometer überholt.

Jeder darf mal. Auch die Läufer, die beim Langschläfer-Halbmarathon starteten, als ich bei der Halbmarathonmarke vorbeikam – nach knapp 2 Stunden. Einer nach dem anderen überholten sie mich, erst die sehr schnellen, dann die schnellen, dann die mittelschnellen, dann die normalen, dann die langsamen, dann die sehr langsamen. Alle an mir vorbeigezogen. Ich war langsamer. Jeder darf mal. Der Russell-Terrier Clarkson (Startnummer 20) sein Herrchen umtänzelnd – hat mich abgehängt.

So fühlte sich das für mich an. Wie ein 12:0 in der regulären Spielzeit (Borussia Mönchengladbach – Borussia Dortmund 12:0 am 29. April 1978). Ich bin in meinem Leben noch nie so langsam über die Marathondistanz gewesen. 4 Stunden. 45 Minuten. Und 2,8 Sekunden. Weder unlängst beim Ultralauf Rodgau 50, noch beim Marathon einer meiner fünf Triathlonlangdistanzen. Die 2,8 Sekunden ärgern mich ein wenig. Ich habe nämlich vorm Ziel noch kurz gewartet, um bei exakt 4:45 über die Matte zu springen. Gut – ich habe nicht mal das geschafft. Und Letzter wurde ich auch nicht. An dem Tag habe ich gar nichts geschafft. Nur mich selbst.

…an der Pastaparty hat’s auch nicht gelegen…

Jeder darf mal. Auch hier in der Nachberichterstattung zu einem der schönsten Marathons, die ich mir persönlich vorstellen kann. (Der nördlichste ist es eh. Also, war es bis vergangenen Sonntag, bis „der Staffelstab“ an den in Flensburg übergeben wird, wie die Veranstalter witzelten. Man muss sie einfach mögen.)

Jetzt ist die Gelegenheit, mir zu sagen, dass es natürlich eine dumme Idee war, überhaupt zu starten. Habe ich mir auch gesagt. Hinterher. Seit dem Lauf in Rodgau zwickt der linke Fuß. Vermutlich eine Folge eines Umstiegs auf einen anderen Schuh in Rodgau und einhergehend einem Laufstil, den ich sonst nie laufe. Die Sehnen haben das nicht so begrüßt.

…an der Startnummer hat’s auch nicht gelegen – Minimalziel erreicht: besser platziert als die Höhe der Startnummer…

Ich bin ein Depp, aber auch kein ganz großer Depp. Also habe ich mit Laufen nach Rodgau pausiert. Fast. Viel pausiert, aber nicht gar nicht pausiert. Los, sagen Sie es: Depp. Selbst schuld. Tin Cup. Kennen Sie den Film? Kevin Costner als Golfprofi versucht immer wieder den einen Superschlag. Geht natürlich bis zum Ende des Films immer schief. Scheitern mit Ansage. Tin Cup. Ich dachte: Marathon ankommen geht. Geht auch, macht nur keinen Spaß.

An Tin Cup habe ich gedacht auf dem malerischen Abschnitten des Ortsteils Witsum auf Föhr. Weite Felder, das Watt mit den Halligen als Kulisse, die Fähre nach Amrum in Sicht. Zauberhafte Reethäuser säumen den Straßenrand. Hatte ich keine Augen für. Ich wollte nur den Sch…marathon zu Ende bringen. Auch wenn ich nicht mehr konnte. Ich habe auch an den Ursprung des antiken Marathons gedacht, der Sage, derzufolge der Überbringer der Nachricht, Pheidippides, im Ziel tot umfällt. Ich wäre schon früher soweit gewesen, bei den letzten Kilometern gen Süden, wo der für Föhr harmlose Wind mir aber auch den allerletzten Schneid abgekauft hat.

…an den Lämmern hat es ganz gewiss nicht gelegen…

Los, sagen Sie es – selbst Schuld. Ohne Training, kein Erfolg. Wer zwei Wochen zuvor nach einer Erkältungspause als einzigen langen Lauf einen Halbmarathon bestreitet – der wird schon sehen, was er davon hat.

Dabei ging es gut los. Bei tollen Bedingungen. Ich lehne mich aus dem Fenster – einen schöneren Marathon als den auf Föhr dieses Jahr, wird man kaum finden. Die Landschaft, die extrem gute Luft, der diesjährige Sonnenschein (laut Organisatoren eine Premiere), der Enthusiasmus der Veranstalter und die Grundruhe, mit der das alles umgesetzt wird  – kenne ich von sonst keinem Marathon (wird es bestimmt wo geben, ich bin auch noch nicht alle gelaufen.) Da war ich nach 21 Kilometern und knapp 2 Stunden zwar nicht hellauf begeistert, aber doch völlig im Einklang mit mir. Auch wenn mir die angebliche Windstille verdächtig intensiv vorkam. Der Fuß meldete sich, zwickte aber nicht schlimm.

Jeder darf mal, ja auch Sie, die gerade denken: Warum ist er nicht zum Arzt gegangen nach Rodgau? Sie haben doch recht! Bin ich nicht. Laufzipperlein kenne ich, ich bin 47, da tut eh immer irgendwas weh. Ich dachte, mit Laufpause sei es getan. Nicht ganz. Jaja – ich wäre besser sofort zum Arzt, auskuriert, langsam Training wieder hochfahren, auf Föhr nicht vollständige Auflösung jeglicher läuferischen Basis, es ist ja gut!

…am Wetter hat’s ganz bestimmt nicht gelegen…

Wie fühlt sich so ein Waterloo an? Ganz beschissen. Es ging von Anfang an nicht um eine Bestzeit. Durchlaufen wollte ich, nicht mehr. Eine Zeit von 4 Stunden? Völlig okay. Das hat schon nichts mit meinen Zeiten zu tun, die ich mal gelaufen bin und für die ich trainiert habe, aber, hey – so ist das Leben. Nach 4 Stunden musste ich aber noch 6 Kilometer laufen. Laufen? Gehen. Ich bin wie ein Sack Kartoffeln durch die Landschaft geschoben. Dabei bin ich alle Alternativen durchgegangen. Ich rede nicht von Aufgabe des Rennens. Ich rede von Ende mit Sport. Ich könnte wieder mehr Gitarre üben. Wenn ich die Zeit, die ich in Lauftraining gesteckt habe, mit Gitarre üben verbracht hätte – hey, ich könnte locker ein Konzert über 4h45m bestreiten!

JA! Ich weiß. Selbst schuld. Das ist das Schöne und Böse am Laufen gegenüber der Niederlage im Fußball: Es gibt niemand anderen, der dafür verantwortlich ist als man selbst. Dass ich sinnbildlich die Schießbude des Tages war – mein Problem.

… an zu viel Läufern auf der Strecke hat’s auch nicht gelegen…

„Hut ab.“ Es war sicher nett gemeint. Die Läuferin mit Bügelkopfhörern auf den Ohren und einem gemächlichen Tempo überholte mich bei etwas Kilometer 33, wo ich schon deutlich schleichend, zusammengesunken und entkräftet nichts mehr dem Wind entgegenzusetzen hatte. Es fällt in dem Moment schwer, das richtig einzuordnen. Nichts von dem, was ich sportlich in Anbetracht der Trainingskilometer der vergangenen Monate, just in der Sekunde leistete, war Respekt wert. Vernünftigerweise hätte ich aufgehört. Nur: So eine richtige Abkürzung ins rettende Ziel gab es gar nicht. Also heimgehen.

Noch jemand ohne Fahrschein? Richtig – positiv denken, höre ich immer wieder. Da war nur nichts mehr. Nicht die Stimmungsnester an der Strecke, nicht der Sonnenschein (der mir zu allem Überfluss einen völlig unerwarteten Sonnenbrand einbrachte), nicht die Lämmer am Feldrand, nichts konnte mir noch irgendeine positive Bewertung meines Tuns vorgaukeln.

…und dennoch war der ganze Lauf Käse.

Natürlich habe ich dennoch  gelächelt. Späße gemacht. Als ich schon lange nur noch ging. Dass ich eigentlich nur ins Ziel ginge, weil da mein Auto parkt. Ich habe mich bedankt. All die Helfer, die da freiwillig stehen, damit Deppen wie ich da über Stunden durch die Buttnik kriechen – sie können nichts dafür. Es ist beschämend, wie sehr sie einen anfeuern.

Genug gewinselt, genug Kasteiung, genug gelitten.

Aber jeder darf heute mal. Auch ich. Den maladen Fuß hat der Arzt gesehen. Alles halb so wild. Schonung und Kühlung.

Dieser Text hat keine Superpointe. Keine Erkenntnis. Einfach nur: Weitermachen.

 

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Alle Kommentare [2]

  1. Hi Thorsten,

    die Gedanken, ganz mit dem Marathon-Laufen aufzuhören, hatte ich letztes Jahr beim Berlin Marathon auch. Nicht schön. Ziemlich hässlich sogar.
    Lass dich nicht zu sehr runter ziehen. Pflege dein Pfötchen. Leg dir vielleicht einige Schläfchen für den Garten zu.
    Und dann, wenn der Fuß wieder gut ist:
    einfach schütteln und weiter machen (dich selbst schütteln, nicht die Schäfchen).

    Liebe Grüße

    Isa

  2. Hallo Thorsten,

    Ursachenforschung wäre wohl trotzdem mal angesagt! Irgendetwas stimmt ja nicht im System. da hilft aber auch der Arztbesuch nicht! Aber immer nur durchhalten und beten ist sicher auch keine Lösung, so wie Laufpause auch nicht die wundersame Heilung bringt. Ein guter Physio oder Chiropractor, der die Körperstatik mal richtet haben mir sehr geholfen. Seitdem bin ich quasi verletzungsfrei